Brief einer Leserin: Zu Unrecht kommen sie nicht
Drei Seiten sind dem Thema Migration gewidmet, aber eigentlich geht es über mehr als 1 ½ Seiten um Islamismus. Das wirft zwar ein völlig schiefes Bild auf die bei uns lebenden Geflüchteten, entspricht aber wohl der allgemeinen Stimmungslage. Wer kommt also? Die drei Hauptherkunftsländer sind zur Zeit Afghanistan, Syrien und die Türkei. Über Afghanistan unter den Taliban muss man ja wohl nicht mehr aufklären; Syrien befindet sich weiter im Bürgerkrieg, der IS erstarkt dort seit Monaten, und in der Türkei nimmt die politische Repression zu. Aus diesem Grund lebt übrigens der bekannte Journalist Can Dündar seit Jahren in Deutschland im Exil – weil er über die Verstrickung der Erdogan-Regierung mit dem IS in Syrien berichtet hat. Obwohl die Fluchtrouten in die EU inzwischen als die tödlichsten der Welt gelten, kommen weiter Schutzsuchende. Es wird gesagt, das Dublin-System funktioniert nicht. Das stimmt, weil die Profiteure dieses Systems, insbesondere Deutschland als Hauptinitiator mit seinen 9 Nachbarländern, die Hauptankunftsländer Griechenland und Italien jahrelang trotz mehrfacher Bitten um Hilfen allein gelassen haben. Es wird gesagt, es kommen zu viele und sie kommen zu Unrecht. Was auch immer der Maßstab des „Zuviel“ ist – zu Unrecht kommen sie nicht. Und sie versuchen in der Regel, dorthin zu kommen, wo sie schon Familie haben, z.B. nach Deutschland. Flucht ist eine existenzielle, bedrohliche, traumatisierende Erfahrung. Das subsidiäre Schutzrecht, wie auch vom Landkreis Osterholz unterstützt, abzuschaffen, wäre inhuman und vermutlich auch rechtswidrig. Was würde das konkret in Deutschland für Geflüchtete bedeuten? Das individuelle Asylrecht (politische Verfolgung) ist so eng gefasst, dass darunter nur ca. 3 % der Antragsteller fallen. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention (Krieg, Bürgerkrieg) erhalten deutlich mehr Flüchtlinge Schutzstatus (vgl. ProAsyl oder Amnesty International). Alle anderen erhalten subsidiären Schutz, weil sie an Leib und Leben gefährdet sind – z.B. queere Menschen, von Genitalverstümmelung bedrohte Frauen, Jesiden, Kurden, um nur einige zu nennen. Die Feststellung des Flüchtlingsschutzes oder subsidiären Schutzes durch das BAMF ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Es hängt immer von der Region, der Kammer, dem Sachbearbeiter ab und variiert je nachdem sehr stark. Mit dem subsidiären Schutz ist das auch sehr eng gefasste Recht auf Familiennachzug verbunden. Familie ist oft die einzige Sicherheit für die entwurzelten und häufig traumatisierten Menschen. Es gibt ihnen Kraft und Zuversicht, ist doch das Leben hier für sie häufig sehr belastend. Ihnen das nehmen zu wollen, ist grausam und kurzsichtig. Wenn es der politischen Ebene, z.B. dem Landkreistag, wie behauptet vorrangig um Integration und Schutz vor Radikalisierung geht, dann sollte er sich sehr überlegen, wem angeblich notwendige, v.a. aber abschreckende Maßnahmen wirklich helfen. Am wenigsten sicher den in Deutschland lebenden Menschen, egal ob geflüchtet oder nicht.
Britta Beuel Lilienthal
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