Blumenstrauß und Mutterkreuz: Die Geschichte des Muttertags in Deutschland
Seinen Ursprung hat der Muttertag in der Frauenrechtsbewegung des 19. Jahrhunderts in den USA. Als „Mutter des Muttertages“ gilt heute Ann Maria Reeves Jarvis, die während des Bürgerkrieges die sogenannten „Mother’s Friendship Days“ organisierte. Einen offiziellen Feiertag zu Ehren der Mütter konnte allerdings erst ihre Tochter Anna Marie Jarvis etablieren. Was als Gedenkfeier für ihre verstorbene Mutter 1907 in Grafton in West Virginia begann, wurde 1914 schließlich als offizieller Feiertag in den Vereinigten Staaten eingeführt.
Florist:innen holen den Muttertag nach Deutschland
Nach Deutschland kam der Muttertag einige Jahre später zu Zeiten der Weimarer Republik. Der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber (heute Fachverband Deutscher Floristen) bewarb den Feiertag ab 1922. „Ehret die Mütter“, rief der Verband auf Plakaten auf - am besten natürlich mit Blumen als Geschenk. In den Folgejahren wurden Bemühungen unternommen, den Muttertag als gesetzlichen Feiertag einzuführen. Die Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung machte es sich ab 1926 zur Aufgabe, bei der Regierung für dieses Vorhaben zu werben.
„Sieg der Wiegen“
Tatsächlich im Gesetz verankert wurde der Muttertag erst durch die Nationalsozialisten. Bereits im Jahr der Machtergreifung erklärte die NSDAP den Tag zum öffentlichen Feiertag, erstmals begangen wurde der „Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mütter“ dann im Mai 1934. Während Frauen in den 30er-Jahren aus den meisten Berufen gedrängt wurden, arbeiteten die Nazis parallel daran, einen umfassenden Mutterkult aufzubauen. Ziel war letzlich der „Sieg der Wiegen“: Möglichst viel Nachwuchs, der der Rassenideologie des NS-Regimes entsprach, sollte im Dritten Reich gezeugt werden. Entsprechend wurde die Rolle der („deutschen“) Mutter in der Öffentlichkeit als staatstragend dargestellt. „Dem Führer ein Kind zu schenken“ war die wichtigste - und einzige - Aufgabe der Frau.
„Karnickelorden“
Die Bemühungen der NSDAP, den Frauen ihre Rolle als Gebärmaschinen schmackhaft zu machen, beschränkten sich nicht auf den Muttertag und schlossen auch immer die Ächtung und Verfolgung derer ein, die aus dem Raster der menschenverachtenden Ideologie fielen. Ab 1938 gab es das „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“. Adolf Hitler hatte die Mutterschaft zum „Schlachtfeld der Frau“ erklärt, deshalb sollte es auch einen Orden geben. Frauen, die vier „erbgesunde“ Kinder oder mehr geboren hatten, konnten die Auszeichnung beantragen; ab acht Kindern gab es das Mutterkreuz in Gold. Im Volksmund als „Karnickelorden“ belächelt, war das Kreuz doch beliebt - nicht zuletzt, weil kinderreiche Familien, deren Mütter die Auszeichnung nicht bekamen, schnell in Verdacht gerieten, „asozial“ oder sonstwie „unwürdig“ zu sein.
Umsatzimpulse für den Handel
Mit der Kapitulation des Dritten Reiches verschwanden die vormals stolz getragenen Mutterkreuze schnell in der Schublade. Der Muttertag als gesetzlicher Feiertag war ebenfalls Geschichte. Während die DDR stattdessen den Internationalen Frauentag am 8. März feierte, machten die Floristenverbände in Westdeutschland unter sich aus, wann der Muttertag zu feiern sei - und einigten sich auf den zweiten Sonntag im Mai.
Im Blumenhanel werden bis heute in der Woche vor dem Muttertag die höchsten Umsätze erzielt (noch vor dem Valentinstag). US-Amerikaner greifen dabei besonders tief in die Tasche: 2015 wurden in den Vereinigten Staaten im Schnitt 172 Dollar für Muttertagsgeschenke ausgegeben, landesweit summierten sich die Ausgaben auf über 21 Milliarden Dollar. In Deutschland berappten die Bürger:innen 2019 etwa 850 Millionen Euro für Muttertagsgeschenke. „Der Muttertag bringt wichtige Umsatzimpulse für viele Handelsunternehmen. Der zweite Sonntag im Mai ist ein etablierter Kaufanlass bei den Verbrauchern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) Stefan Genth. Die Kommerzialisierung des Feiertages hat schon früh prominente Kritik auf den Plan gerufen. Anna Marie Jarvis war schon in den 1920er-Jahren über die Entwicklung des Muttertages wenig erfreut. Sie setzte sich bis zu ihrem Tod dafür ein, ihre Errungenschaft wieder abzuschaffen.
Muttertag nach wie vor beliebt
Kritik am Muttertag (und auch am Vatertag) gibt es aber auch aus anderen Gründen. In jüngster Zeit werden vermehrt Stimmen laut, die bemängeln, dass die Feiertage und die Rituale um sie herum veraltete Geschlechterklischees reproduzieren. Die fürsorgliche, aufopferungsvolle Mutter und der Vater, der das Geld nach Hase bringt und mit reichlich Schnaps im Bollerwagen loszieht, um „abzuschalten“ - das sei längst nicht mehr zeitgemäß. Kritiker:innen machen zudem auf die ungleiche Verteilung und geringe Wertschätzung von Fürsorgearbeit sowie Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familien und Beruf aufmerksam. Statt eines Feiertages fordern sie politische Maßnahmen, um Mütter zu entlasten.
In der Bevölkerung scheint der Muttertag unterdessen nach wie vor beliebt zu sein. 77 Prozent der Befragten stimmten in einer Umfrage von YouGov aus dem Jahr 2020 der Aussage zu, der Muttertag sei eine gute Gelegenheit, der eigenen Mutter Danke zu sagen. 65 Prozent finden allerdings auch, der Muttertag sei zu stark kommerzialisiert. Satte 90 Prozent der über 2.000 befragten Menschen waren sich übrigens einig, man sollte Mütter nicht nur am Muttertag ehren.