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Patrick Viol

Bat & Dad

Kolumne zu Vaterschaft und Fledermäusen von Patrick Viol.

Ich war sieben Jahre alt und stand im Garten meiner Eltern. Das Dorf, in dem wir lebten, war klein. Es gab Wälder, Wiesen und Gräben. Eine Hauptstraße, keine Hochhäuser, alles Einfamilienhäuser. Es war spießig, aber sicher. Jeder kannte jeden. Grün wählende Helikoptereltern gab es nicht, dafür Spielstraßen, Feuerzeugbenzin und jede Menge Abenteuer.

Der Garten meiner Eltern grenzte an einer Wiese, die wiederum an einen Wald. Ich stand also im Garten, es dämmerte, und ich blickte in den Himmel in der Hoffnung, Fledermäuse zu entdecken. Ich war unglaublich fasziniert von ihnen. Ihre Verbindung zum Unheimlichen, zu Dunkelheit und Tod auf der einen Seite, zu Vampiren und Batman auf der anderen, zogen mich an. Ich las und schaute ohne Unterlass „Der kleine Vampir“ und verpasste keine Folge der Batman-Serie mit Adam West. Auch die Trickserie Gargoyles - Gargoyles sind Mischwesen aus Mensch, Drache und Fledermaus, die tagsüber zu steinernen Wasserspeiern an gotischen Kathedralen werden - ließ mich nicht los.

Ich wollte wie der kleine Vampir fliegen, stark wie ein Gargoyle sein und wie Batman allerhand Technikgimmicks und ein bedrohliches, schwarzes Kostüm besitzen. Die Muskeln natürlich auch. Damit man mich fürchtete und ich unverwundbar erschien. Für mich und die anderen. Ich hatte damals unglaubliche Angst vor dem Tod und die Fledermaus bzw. ihre menschlich-dämonischen Verkörperungen besaßen für mich die Schwingen der Unsterblichkeit. Gleichzeitig zog der Tod mich aber auch an. Ich wollte, dass die Dunkelheit ein Teil von mir wird. Kein Jahr später entdeckte ich schließlich Iron Maiden und Heavy Metal. Ambivalenzbeziehungen sind, glaube ich, das Grundmuster kindlichen Weltbezugs, gerade weil Kinder den Dingen so nah kommen, erfahrungsoffen sind. Ob nun die Eltern oder die komisch verschrumpelten und eigentümlich riechenden Großeltern, die Natur oder der eigene Körper: Die Beziehung ist so uneindeutig wie lustvoll.

Im ersten Schuljahr besaß ich dann schließlich auch ein schwarzes Kostüm. Es war zwar kein Batmankostüm, sondern ein schwarzes Gespenst. Doch ich fühlte eine Stärke darin, hinter der Maske, dem Schwarz. Kein Wunder, dass ich es für eine lange Zeit täglich und direkt nach der Schule anzog und mir im Schuppen meiner Eltern Waffen für meinen Batgurt bastelte. Ein kleines Stück Blech war für mich eine Wurfkarte. Eine Flügelschraube an einem Stück Band mein Kletterseil. - Jeder kennt die sich stets wiederholende ikonische Szene, in der Batman und Robin an einem viel zu dünnen Seil hintereinander eine Hauswand hochlaufen. Das wollte ich auch. Und für den möglichen Ernstfall bereit sein. Gegen das Böse, oder das Gute. Ich war mir da nie so sicher. Außer darüber, dass das Gute ziemlich langweilig war. Ungefähr so spannend wie das Tweedsacko meines christextremistischen Klassenlehrers, der die Mädchen gerne auf den Schoss nahm und uns Jungs nachmittags versteckt beobachtete, um uns am nächsten Tag in der ersten Stunde vor der Klasse für unsere Vergehen zu bestrafen.

Und so hoffte ich letztlich, auch um es dem Christcreep in Tweed heimzuzahlen, als ich da im Garten meiner Eltern stand und nach Fledermäusen Ausschau hielt, nicht nur, welche zu entdecken. Ich wollte - weil viele Superhelden ihre Kräfte durch einen Biss eines Tiers erlangen - von einer - am besten atomar verseuchten - Fledermaus gebissen werden. Ich wusste zwar, dass das Quatsch ist und man so keine Superkräfte, sondern Tollwut bekommt. Ich hoffte aber, dass es eine Chance gibt, dass ich zumindest, wenn schon kein Superheld, ein Vampir werden könnte. (Damals kannte ich noch nicht Man-Bat, ein Opponent Batmans, der mich von meinem Wunsch bestimmt hätte Abstand nehmen lassen, da er sich in ein brutal hässliches Mensch-Fledermauswesen verwandelte, nachdem er sich ein genetisch verändertes Fledermaus-Serum spritzte.)

Heute, etwas mehr als 30 Jahre später, bin ich nach wie vor der Faszination von Fledermäusen verfallen. Ich wurde zwar immer noch nicht gebissen. Aber auf meinem linken Handrücken ist eine tätowiert, einer meiner Lieblingsfilme und Bücher ist Bram Stokers Dracula und in meinem Zimmer steht eine Vitrine mit mehreren Hundert Batman Comics. Nicht von früher, sondern aktuelle. Und seit kurzem bin ich beim NABU Fledermaus-Pate. Aber nicht nur das: Vor ein paar Tagen wurde ich Vater.

Und da keine ernst zunehmende Vorbereitung auf die Vaterschaft ohne eine Reflexion auf die eigene Kindheit und die Beziehung zum eigenen Vater zu haben ist, verlangt meine persönliche Antwort auf die Frage, was für ein Vater ich sein möchte bzw. sein kann und was Vaterschaft für mich bedeutet, zugleich die Klärung der Frage, was es bedeutet, dass die Fledermaus in ihren verschiedenen Erscheinungsformen in meinem Leben eine so große und vor allem anhaltende Rolle spielt - ein, wie ich finde, ziemlich guter Stoff für eine Kolumne: Die Klärung des Zusammenhangs von Vaterschaft und Fledermaus. Hinzukommt, dass nicht nur ich, sondern die Menschheit seit Jahrhunderten von den fliegenden Säugetieren fasziniert ist. Auch das ist mehr als fragwürdig.

Da mir aber nicht nur theoretische Fragen und Fledermäuse mir nicht nur auf der kulturellen und psychologischen Bedeutungsebene, sondern auch empirisch am Herzen liegen, liefert jede Kolumne zugleich Wissen über eine bestimmte Fledermausart unserer Region. In dieser Woche ist es der Große Abendsegler.

 

Der Große Abendsegler

Die langen, schmalen und spitzen Flügel sind darauf abgestimmt, schnell zu fliegen. Mit einer Größe bis zu 85 Millimetern sind sie neben dem Mausohr die größten heimischen Fledermäuse.

Abendsegler sind schnelle und ausdauernde Flieger. Bei der nächtlichen Beutejagd erreichen sie mühelos Geschwindigkeiten von 50km/h. Die Abendsegler gehören zu den wandernden Arten, sie legen dabei bis zu 1.600 Kilometer zurück, um ihre Überwinterungsquartiere zu erreichen. Der Große Abendsegler ist eine große Fledermausart mit einer Flügelspannweite von etwa 32 bis 40 cm. Abendsegler haben ein kurzes, eng anliegendes Fell mit einfarbig rostbrauner Farbe. Seine Jagdgebiete liegen oft über dem Kronendach von Wäldern, über Lichtungen, an Waldrändern, über Brachflächen, Grünland und über Gewässern. Aber auch in Parks und auf Friedhöfen gehen sie auf Nahrungssuche.

Text: nabu/red


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