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Ambulanter Hospizdienst begleitet auch in der Krise

Osterholz-Scharmbeck (jm). Der Tod lässt sich von Infektionschutzmaßnahmen nicht einschränken. Diese erschweren hingegen die für Sterbende wie Angehörige wichtige Arbeit des Ambulanten Hospizdienstes. Wie dieser mit der Krise umgeht, davon  hat er dem ANZEIGER erzählt.
Sylvia Best und Bettina Szlagowski sind die beiden hauptamtlichen Koordinatorinnen des Ambulanten Hospizdienstes. Gemeinsam mit ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen stehen sie sterbenden und trauernden Menschen auch in der Corona-Krise zur Seite.  Foto: jm

Sylvia Best und Bettina Szlagowski sind die beiden hauptamtlichen Koordinatorinnen des Ambulanten Hospizdienstes. Gemeinsam mit ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen stehen sie sterbenden und trauernden Menschen auch in der Corona-Krise zur Seite. Foto: jm

Osterholz-Scharmbeck (jm). Corona hält das Leben nicht auf; Tod und Trauer sind immer ein Teil davon. Das Thema beschäftigt die Menschen womöglich mehr, als je zuvor - ob der Verlust eines geliebten Menschen nun mit der Pandemie zusammenhängt, oder nicht. Auch wenn Abschied und Trauer heute anders aussehen, als noch vor wenigen Wochen: Der Ambulante Hospizdienst des Diakonischen Werks steht sterbenden Menschen und ihren Angehörigen auch in dieser sonderbaren Zeit zur Seite. Auch die Hospizarbeit befand sich zunächst in „Schockstarre“, als Ende März immer schärfere Einschränkungen des öffentlichen Lebens beschlossen wurden, berichten Sylvia Best und Bettina Szlagowski. Die beiden Koordinatorinnen sind für den Ambulanten Hospizdienst im hiesigen Kirchenkreis verantwortlich und begleiten gemeinsam mit ihrem Team aus ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen schwer kranke und sterbende Menschen sowie ihre Angehörigen. Kein Zugang zu Pflegeheimen Diese Arbeit - zumindest die persönliche Begleitung - findet natürlich hauptsächlich in verschiedenen Einrichtungen für ältere und schwer kranke Menschen statt. „Ich glaube, die Pflegeheime sind von der Kontaktsperre am stärksten betroffen“, sagt Bettina Szlagowski. Inzwischen wurden die Bestimmungen gelockert, doch zeitweise durfte außer medizinischem Personal niemand ein Pflegeheim betreten. Keine Angehörigen und auch keine Sterbebegleiter*innen. Natürlich waren die Sterbenden nicht allein - die Pfleger*innen waren schließlich für sie da -, doch Abschied nehmen konnten weder die Betroffenen selbst, noch ihre Verwandten, Partner*innen oder andere ihnen nahestehende Menschen. „Wir haben irgendeine Art Türöffner gesucht“, sagt Sylvia Best. Aus einer Talkshow im NDR erfuhren die beiden Koordinatorinnen von einer Idee der Diakonie Hamburg. Die hatte dazu aufgerufen, Senior*innen in Pflegeheimen „Hoffnungsbriefe“ zu schicken, um ihnen etwas Zuversicht zu schenken. Mit Stefanie Garbade fanden Best und Szlagowski in den Reihen ihrer Ehrenamtlichen auch prompt eine Mitarbeiterin, die gerne schreibt und sich der Aufgabe annahm. In einem ersten Brief stellte Garbade sich vor, seitdem schreibt sie regelmäßig kleine Geschichten und aufheiternde Anekdoten an die Bewohner*innen der Pflegeheime im Stadtgebiet. „Da bekommen wir auch das Feedback aus den Heimen, dass sie das gerne annehmen und vorlesen“, freut sich Sylvia Best. Weitere Ehrenamtliche haben inzwischen Postkarten verschickt, um den Kontakt zu den Menschen, die sie begleiten, nicht zu verlieren. Viele Möglichkeiten der Begleitung Darüber hinaus haben Best und Szlagowski Aushänge für verschiedene Einrichtungen gedruckt und sich mit einem Brief an viele Arztpraxen im Landkreis gewandt. Darin weisen sie daraufhin, dass ihr Angebot der Sterbe- und Trauerbegleitung trotz Pandemie nach wie vor besteht. „Wir hatten das Gefühl, die Leute dachten: Ist doch eh alles zu, da braucht man gar nicht anrufen“, sagt Bettina Szlagowski. Im Gegenteil: Auf ihren Aushängen weisen die Koordinatorinnen ausdrücklich auf die telefonische Beratung hin, die natürlich wie gewohnt stattfinden kann. „Vieles kann man am Telefon gut besprechen“, sagt Sylvia Best. Doch auch Hausbesuche sind nicht ausgeschlossen. „Wir gehen auch unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften zu den Erstgesprächen.“ Ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen haben Best und Szlagowski freigestellt, ob sie Hausbesuche machen möchten, denn unter ihnen sind auch ältere Sterbebegleiter*innen, die selbst zur Risikogruppe zählen. Die Möglichkeit besteht jedoch: „Für uns gelten neben der niedersächsischen Verordnung auch noch die Vorschriften der Landeskirche. Seit dem 25. Mai dürfen alle Fachdienste ihre Arbeit durchführen“, erklärt Sylvias Best. „Wir dürfen in die Haushalte und möchten das auch gerne praktizieren“ - wenn auch mit Maske und Abstand. Die Trauerarbeit für Angehörige kann auch im Freien bei einem Trauerspaziergang mit Gespräch stattfinden. Zeit und Ruhe Gebraucht werden die Sterbe- und Trauerbegleiter*innen vielleicht mehr als je zuvor. Denn die Umstände, unter denen Menschen ihre letzten Tage verbringen, haben sich mitunter drastisch gewandelt. Sylvia Best berichtet von einem Fall im März: „Gleich zu Anfang der Krise haben wir einen Anruf von einer 80-jährigen Frau bekommen, deren Mann im Sterben lag.“ Sie habe ihn bis dato Zuhause gepflegt und sei bereits darauf vorbereitet gewesen, dass ihr Ehemann bald sterben würde. „Die letzten Tage waren aber dann für sie nicht mehr zu schaffen.“ Gerade, als die Besuchsverbote beschlossen wurden, musste ihr Mann ins Krankenhaus. „Sie war dann ganz verzweifelt am Telefon. ‚Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich kann ihm nicht mal mehr frische Wäsche bringen!‘, hat sie gesagt.“ „Wir kennen alle weiteren Partner und Netzwerke und haben viel Erfahrung im Bereich Pflege und Palliativversorgung“, sagt Sylvia Best. Das könne helfen, ein wenig Ordnung in solch eine schwierige Situation zu bringen. „Wir haben ein stationäres Hospiz als Option vorgeschlagen“, berichtet Best weiter. Sie vermutet, das sei vielleicht auch im Krankenhaus schon erwähnt worden und in der Hektik möglicherweise untergegangen. „Da haben wir am Telefon einfach mehr Zeit und Ruhe bei der Beratung.“ Nach dem Telefonat habe die alte Dame „ganz viel Mut gefasst“ und um ein Gespräch mit dem zuständigen Arzt gebeten. Letztlich sei ihr Mann dann tatsächlich in ein stationäres Hospiz gekommen und dort gestorben. „Da hat sie dann doch enger Abschied nehmen können“, erzählt Best. Im Nachhinein folgten noch zwei Trauergespräche. Veranstaltungen abgesagt oder verlegt Best und Szlagowski kümmern sich nicht nur um kranke und trauernde Menschen. Auch die Arbeit mit ihren Ehrenamtlichen gestaltet sich in der aktuellen Krise schwieriger. „Für Gruppenabende müssen wir noch ein Hygienekonzept vorlegen“, berichten die beiden Koordinatorinnen. Diese finden sonst regelmäßig statt und bieten den Mitarbeiter*innen Gelegenheit, sich mit ihren beiden hauptamtlichen Kolleginnen und natürlich untereinander über ihre Erfahrungen in der Hospizarbeit auszutauschen. Die Ehrenamtlichen erhalten zusätzlich Supervision, die in den letzten Wochen ebenfalls ausfallen musste. Das Trauercafé, das sonst regelmäßig in der Hundestraße als offenes Angebot für alle Interessierten stattfindet, musste auch abgesagt werden. Nach den jüngsten Lockerungen hatten die beiden Koordinatorinnen zunächst überlegt, das Café in einen größeren Raum zu verlegen und stattfinden zu lassen. Diesen Plan haben sie inzwischen verworfen: „Für das nächste Trauercafé im Juni haben wir uns jetzt entschieden, es doch ausfallen zu lassen. Das vorgeschriebene Hygienekonzept ist zu umfangreich und harmoniert nicht mit einem offenen Trauerangebot“, sagt Bettina Szlagowski. Es sei zurzeit schwierig, passende Ausweichorte wie etwa Gemeindehäuser zu finden. Für Interessierte, die einen Besuch geplant hatten, verweisen Szlagowski und Best auf die Möglichkeit eines Trauerspaziergangs, für den individuelle Termine vereinbart werden können. Von der Krise nicht betroffen ist bisher der nächste Ausbildungskurs für Sterbebegleiter*innen, der im Januar 2021 unter anderem mit einem neuen Dozenten starten soll. Der aktuelle Kurs musste auf seine letzte Einheit verzichten, diese soll noch nachgeholt werden. Nach heutigem Stand ebenfalls stattfinden soll ein komplett neues Angebot in Kooperation mit der Volkshochschule in Osterholz-Scharmbeck. Dort findet am 19. November ein Abendseminar zum „Letze Hilfe“-Konzept von Dr. Georg Bollig statt. Der Ambulante Hospizdienst ist telefonisch unter 04791-13572 oder per E-Mail unter hospizdienst.osterholz@evlka.de zu erreichen.


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