Alle Systeme blinken rot
Wer zwei Tage vor dem Weltklimatag einfach nur das Wort „Klima“ gegoogelt hat, fand keine Spur von Hoffnung.
Die erste Meldung erinnerte an eine Szene aus Matrix: Wie die Menschen im Film den Himmel verdunkelten, um den Maschinen die Energiequelle zu entziehen, so überlegen nun Forscher aus New York, die Sonne zu dimmen, um die Erde abzukühlen. Eine Idee zwischen Genie und Verzweiflung.
Doch was als Rettungsidee verkauft wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Spiel mit der Apokalypse. Wie der Focus berichtet, könnte der Eingriff das Weltklima in eine Katastrophe stürzen. Denn wer an der Sonne dreht, greift ins empfindlichste Gleichgewicht des Planeten ein.
Spiel mit der Apokalypse
Die Idee dahinter – dem sogenannten Solar Geoengineering – klingt simpel: In der Stratosphäre sollen reflektierende Partikel verteilt werden, um einen Teil des Sonnenlichts zu blockieren. Das würde die Erde abkühlen – ähnlich wie nach einem großen Vulkanausbruch.
Doch Wissenschaftlerinnen um die Atmosphärenchemikerin V. Faye McNeill von der Columbia University warnen: Schon minimale Abweichungen könnten das Klima aus der Bahn werfen. Monsune blieben aus, Ernten verdorrten, Millionen Menschen stünden vor dem Nichts. Und das alles, weil man in der Stratosphäre ein paar Gramm zu viel reflektierendes Pulver verteilt hat.
Zudem ist das mögliche Dimm-Material teuer, knapp und unberechenbar. Selbst Diamantstaub wurde in Erwägung gezogen – als hätte man unbegrenzte Ressourcen für einen globalen Schönheitsfilter. Realistischer, so die Forscher, wäre allenfalls Schwefel. Doch der würde das Ozonloch vergrößern und sauren Regen zurückbringen.
Am Ende steht eine Erkenntnis, die banal und beunruhigend zugleich ist: Wer die Sonne dimmen will, spielt mit Kräften, die er nicht kontrollieren kann. Das beste Computermodell kann nicht simulieren, wie sich Politik, Ökonomie und Physik verhalten, wenn jemand den Lichtschalter des Planeten sucht. Und selbst wenn man sich global einig wäre – was schon an einem gewöhnlichen Klimagipfel scheitert –, bliebe das Risiko unkalkulierbar.
„Es wird nicht so ablaufen, wie 99 Prozent der bisherigen Modelle es zeigen“, sagt einer der beteiligten Forscher.
Klimaschutz im Rückwärtsgang
Recht behalten dürften jene Modelle, die das Überschreiten der 1,5-Grad-Marke längst vorhergesagt haben.
UN-Generalsekretär António Guterres sprach in Genf das aus, was viele ahnen: „Ein Überschreiten ist nun unvermeidlich.“ Ein Satz, der sich liest wie ein Nachruf auf das Pariser Abkommen.
Während die Menschheit sich noch an den Gedanken klammert, man könne die Erderwärmung „drastisch reduzieren“, scheint das Klima längst Fakten zu schaffen – und zwar unbeirrbare.
Wie der neue Bericht State of Climate Action 2025 zeigt, liegt kein einziger der 45 untersuchten Sektoren – von Verkehr über Energie bis Landwirtschaft – auf Kurs, das Pariser Abkommen einzuhalten.
Der Verbrauch fossiler Brennstoffe steigt, nicht sinkt. Staaten subventionieren Öl, Gas und Kohle heute mit mehr als 1,5 Billionen US-Dollar pro Jahr – Klimaschutz im Rückwärtsgang. Die Wälder, die eigentlich atmen sollten, werden weiter abgeholzt. Und die Kohle, die man eigentlich verabschieden wollte, glimmt unbeirrt weiter.
„Es bleibt keine Zeit mehr für Zögern oder halbe Sachen“, sagt Clea Schumer, Mitautorin der Studie. Doch – das lehrt die Geschichte – diese Fakten werden bei der nächsten Klimakonferenz im November in Brasilien kaum zum Handeln animieren. Man will zwar erneut über verbindliche Zusagen sprechen, doch die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Klimawandel und seine Folgen – steigende Meeresspiegel, beispiellose Hitzewellen und Stürme – entweder nur resigniert zur Kenntnis genommen oder, wie vom US-Präsidenten, zum „größten Betrug aller Zeiten“ erklärt werden.
Was bis 2030 passieren müsste
Es bleibt natürlich die Möglichkeit, dass es anders kommt und die Staaten sich doch noch auf gemeinsame Schritte einigen. Was sie bis 2030 tun müssten, zeigt der Bericht ebenfalls:
– Zehnmal schneller aus der Kohle aussteigen: Das hieße, jährlich fast 360 mittlere Kraftwerke stillzulegen und alle geplanten Projekte zu stoppen.
– Die Abholzung neunmal schneller reduzieren: Noch immer verschwinden laut Bericht fast 22 Fußballfelder Wald pro Minute.
– Den Rind- und Lammfleischkonsum in Ländern mit hohem Konsum fünfmal schneller senken – etwa um zwei Portionen pro Woche.
Bill Hare, Chef von Climate Analytics, bringt es auf den Punkt: Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, komme es jetzt auf nur eines an – Geschwindigkeit. Darin sei sich die Wissenschaft einig.
Bleibt zu hoffen, dass die Politik Geschwindigkeit nicht nur beim Demokratieabbau gelernt hat.
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