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Lena Stehr

Wo soll ich hin?

Niedersachsen. Weil die Kosten für Tierarzt und Futter steigen, wollen und/oder können sich viele Menschen ihre Tiere offenbar nicht mehr leisten.

Bild: Www.depositphotos.com

Heute war Mama noch trauriger als sonst. Vielleicht weil sie mir schon wieder nicht mein Lieblingsessen kaufen konnte, sondern nur den billigen Fraß. Das find‘ ich auch richtig blöd. Super ist aber, dass ich schon lange nicht mehr zum Arzt musste, der mir sonst immer Spritzen und Mama oft Tabletten für mich gegeben hat.

Und während ich mich schon auf mein Kuschelsofa freue (irgendwie ist es in der Wohnung seit Kurzem auch kälter als sonst), nimmt Mama mich plötzlich hoch und steckt mich in meine Transportbox. Ich habe Angst - und Mama weint nun bitterlich.

Kurze Zeit später steht die alleinstehende Rentnerin und Mama von Katze Paula mit Tränen in den Augen vor der Tür eines Tierschutzvereins und sagt: „Ich weiß einfach nicht mehr weiter, ich kann das Futter und die Medikamente für meine Paula nicht mehr bezahlen.“

Ähnliche Fälle wie diesen fiktiven hat Tina Josten vom Tiergnadenhof „Rasselbande“ in Sandbostel in letzter Zeit tatsächlich erlebt. Hunde, Katzen, Kleintiere, aber auch Pferde und neulich sogar zwei Kamele aus einem Wanderzirkus stünden inzwischen oft mit ihren verzweifelten Menschen vor der Tür, die die gestiegenen Preise für Futter und Tierarzt zusätzlich zu den gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen offenbar nicht mehr stemmen können. Hinzu kämen leider auch Menschen, die sich in der Coronazeit zu leichtfertig ein Tier angeschafft hätten - häufig für wenig Geld im Internet.

 

Aufnahmestopp für Tiere von Privatpersonen

 

Den meisten kann aber auch das Team vom Tiergnadenhof nicht helfen. Derzeit herrscht Aufnahmestopp für Tiere von Privatpersonen. Nur Fundtiere aus den Gemeinden, mit denen der gemeinnützige Tierschutzverein einen Vertrag hat und für die es deshalb finanzielle Unterstützung gibt, bekommen einen Platz.

Ähnliches berichten auch andere Tierschützer:innen aus der Region. Laura Tolle vom Verein „Tiere in Not“ in Osterholz-Scharmbeck spricht von „überdurchschnittlich vielen Aussetzungen von Kaninchen, Katzen und Hunden seit zwei bis drei Monaten“. Sie vermutet zudem, dass viele der vermeintlichen Fundkatzen in Wahrheit Hauskatzen sind, die womöglich auch aus finanziellen Gründen abgeschoben werden und von denen dann keiner wisse, welche behandlungsbedürftigen Krankheiten sie womöglich hätten.

 

Auch Tierschutzvereine leiden unter Preissteigerungen

 

Mit den Preissteigerungen haben natürlich auch die Tierschützer:innen zu kämpfen. Ein Sack Futter koste nun 16 statt 10 Euro sagt Tina Josten. Ganz zu schweigen von den steigenden Tierarztkosten, die ab dem 22. November zu Buche schlagen, den explodierenden Energiekosten und durch die Mindestlohnerhöhung gestiegenen Personalkosten.

Zeitgleich seien Futterspenden von Herstellern eingebrochen oder mit Wartezeiten verbunden, ergänzt Laura Tolle. Sie weist auch darauf hin, dass der Tierschutz schon immer ein Minusgeschäft gewesen sei, kostendeckend würde hier niemand arbeiten. Schwarz sieht Tolle vor allem für Vereine, die sich ausschließlich über Spenden finanzieren, denn auch die Spendenbereitschaft lasse nach. Und Marcel Mertens vom Tierschutzverein Rotenburg geht davon aus, dass die „richtige Tier-Welle“ erst noch bevorsteht.

 

Neue Gebührenordnung

 

Hintergrund: Am 22. November tritt die neue Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft. Hundehalter:innen zahlen künftig für eine einfache Untersuchung zehn Euro mehr, die Untersuchung von Katzen kostet 15 Euro mehr als bisher. Auch Kastrationen und Einschläferungen werden teurer.

Laut einer YouGov-Umfrage im Auftrag von „felmo“ haben von 2.036 Befragten knapp fünf Prozent angegeben, dass sie bei steigenden Tierarztkosten ihre Haustiere abgeben würden. Bei knapp 34,7 Millionen Haus- und Kleintieren in Deutschland entspräche dies etwa 1,7 Millionen Tieren, die womöglich nie ein neues Zuhause finden.

 

www.verein-tiere-in-not-ohz.de

www.tinas-rasselbande.de

www.tierschutzvereinrotenburg.de

 


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