Ute Mahler-Leddin

Theaterprojekt der Superlative zum 750. Dorfgeburtstag

Alfstedt. Die Jubiläumswoche in Alfstedt war und ist ein voller Erfolg. Ein Highlight, das seinesgleichen sucht, war das Geschichtstheater.
Ausdrucksstark zeigten sich die Laienschauspieler:innen beim Geschichtstheater in´t Dörp.

Ausdrucksstark zeigten sich die Laienschauspieler:innen beim Geschichtstheater in´t Dörp.

Über eine Veranstaltung berichtet der Anzeiger normalerweise „kurz und knapp“ – aber, wie soll man so ein phänomenales und außergewöhnliches Mammutprojekt in wenigen Worten schreiben, fragt sich die freie Mitarbeiterin Ute Mahler-Leddin, nach der 3 Stunden andauernden Vorstellung inklusive Führung durch das Jubiläumsdorf.
Im Zuge der 750-Jahr-Feier in Alfstedt wurde überlegt, wie man die Geschichte des Dorfes am besten präsentieren könnte. Anstelle einer neuen Chronik erklärte Hans-Hinrich Kahrs sich bereit, ein Theaterstück zu schreiben. Lebendigkeit und „Geschichte zum Anfassen“ bekam das Stück „Bi uns in Alfs“ dadurch, dass 20 Schauspieler:innen aus der Region unter der Leitung von der Theaterpädagogin Gudrun Oeltjen-Hinrichs, Kerstin Busch und Jessica Müller an vier Stationen im Dorf vor wunderbar erhaltenen alten Gebäuden verschiedene Szenen darboten und sich jede/r Zuschauer:in sofort in eine andere Zeit versetzt fühlt. Denn sei es die Sprache, die Kleidung oder die Requisiten – hier stimmt einfach alles.
 
Zeitreise durch die Jahrhunderte
 
Start der Zeitreise ist die Mühle in Alfstedt-Bredemehe, wo sich in humorvollen, aber auch ernsten Dialogen das Heute mit dem Leben um 1860 und einem Beispieltag im Jahr 1954 vermischt. In einer Mischung aus Hoch- und Plattdeutsch wird erklärt, was das „Mühlenrecht“ bedeutet, was die Fußballweltmeisterschaft und der Alfstedter Schützenkönig miteinander zu tun haben und mit welchem alltäglichen Problem die Alfstedter auch heute noch zu leben haben.
„Handwark in´t Dörp – die Smeed um un bi 1909“ zeigt, warum hinter jedem starken Mann eine noch stärkere Frau steht und beeindruckt mit Szenen aus dem Leben der Frauen dieser Zeit, der besonderen und teilweise nicht einfachen Beziehung zwischen den Alfstedtern und Ebersdorfern und erklärt, warum viele Alfstedter nach Amerika ausgewandert sind.
Eine der nächsten Stationen auf dem etwa drei Kilometer langen Weg durch das festlich geschmückte Dorf ist die alte Schule in Alfstedt, bei der sich erneut die Geschichte mit der Aktualität vermischt. „Wo schöllt de Flüchtlinge nu hen“ zeigt besonders gefühlsbetont, eindrucksvoll und doch gleichzeitig beängstigend, wie drei Frauen im 2. Weltkrieg ihre Heimat und ihre Familien verlassen mussten und in der Ferne – in Alfstedt – nach langem Treck mit weiteren Verlusten, ein neues Zuhause suchen.
 
Der große Brand
 
Nachdenklich und emotional aufgewühlt geht es für die Zuschauer:innen des Wander-Theaters weiter zur nächsten und letzten Station der Tour, bei der sich erneut ein für Alfstedt einschneidendes Thema bietet. In „Twee Daag na dat grote Füer vun 1680“ zeigen die Darsteller:innen in einer beklemmenden Szenerie die Eindrücke und Erlebnisse des großen Brandes. Von damals sieben Höfen waren vier bis auf die Grundmauern abgebrannt – wie sollte es für diese Menschen ohne Heim und ohne Essen weitergehen und vor allen, was lernte Alfstedt aus dieser todbringenden Erfahrung?
Viele geschichtliche Hintergrundinformationen hat der Alfstedter Lehrer Hans-Hinrich Kahrs in Zusammenarbeit mit Dr. Reinhard Goltz vom Institut für Niederdeutsche Sprache Bremen aufgearbeitet und anschaulich umgesetzt. Ein beeindruckendes Großprojekt, das dank der tatkräftigen Unterstützung der Alfstedter:innen umgesetzt werden konnte.
 
Die Darsteller:innen
 
Auf den Bühnen standen Alicia Gabriel, Irene Wussow, Anja Hildebrandt, Annemiek und Anouk Kortwijk, Manfred, Mareike und Bettina Brandt, Wilfried Lütje, Bernhard Hadeler, Annemarie Müller, Lisa Kessler, Martin Jungen, Katharina Hinck, Thore Mangels, Silvia Bardenhagen, Malin Knop, Martin Henke, Conny Bösch und Carolin Kahrs und beeindruckten durch ihr Einfühlungsvermögen in Situationen, Menschen und Gefühle einer längst vergessenen Zeit.
Während der knapp dreistündigen Tour durch das Jubiläumsdorf informierten die Gästebegleiterinnen Waltraut Buck, Petra Henke, Anke Tiedemann und Werner Hadeler über das heutige aber auch über das damalige Alfstedt. So erfährt man, seit wann keine Fachwerkhäuser mehr errichtet werden, was es sich mit der Meisterstraße, Teelstraße und dem Roten Platz auf sich hat und wie sich das Schulwesen vor Ort verändert hat. Aber auch kleine Anekdoten über die Häuser, die einfach von einem Dorf ins nächste umgesetzt wurden, Bräuche und Sitten und über die Geschäftswelt werden von den kompetenten Gästebegleiterinnen auf Hoch- oder Plattdeutsch vermittelt.
Und übrigens – so ganz nebenbei sieht man die schönsten Dekorationen zum Jubiläum und entdeckt, mit wie viel Liebe zum Detail das Dorf geschmückt wurde. Es lohnt sich also, am Tag des offenen Dorfes am heutigen Samstag, 18. Juni, die verschiedenen Stationen abzugehen und vielleicht auch den leckeren Butterkuchen aus einen der alten Steinbackofen zu genießen.
Weitere Termine für das Geschichtstheater in´t Dörp sind am 24. und 25. Juni – leider sind die Vorstellungen bereits ausverkauft.


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