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Stadt muss 130.000 Euro Schadenersatz zahlen

Wegen des geplanten Einbaus von Lüftungsanalgen an der Grundschule Engeo stehen Bürgermeister und Verwaltung in der Kritik.

Bürgermeister Michael Hannebacher teilte im Stadtrat mit, dass die Stadt 130.000 Euro Schadenersatz zahlen muss. Scharfe Kritik kommt von Lothar Tabery und Jochen Hake.

Bürgermeister Michael Hannebacher teilte im Stadtrat mit, dass die Stadt 130.000 Euro Schadenersatz zahlen muss. Scharfe Kritik kommt von Lothar Tabery und Jochen Hake.

Bremervörde (lst). Von einem „außerplanmäßigen Aufwand in Höhe von 130.000 Euro“ berichtete Bürgermeister Michael Hannebacher bei der jüngsten Stadtratssitzung eher nebenbei und ohne, dass öffentlich darüber diskutiert wurde. Es geht dabei um die Kündigung des Vertrages mit einer Firma, die von der Stadt mit dem Einbau von Lüftungsanlagen an der Grundschule in Engeo beauftragt worden war. Wegen der entstandenen Kosten, die sich insgesamt wohl auf mehr als 130.000 Euro belaufen, brodelt es hinter den Kulissen.

Sowohl der Architekt und Stadtplaner Lothar Tabery als auch Stadtratsmitglied Jochen Hake (Fraktionsvorsitzender Grüne/FDP) werfen der Verwaltung schlechte Kommunikation vor. Die hohen Kosten, die jetzt auf die Stadt zukommen, hätten vermieden werden können, sind sich Tabery und Hake einig.

 

Die Geschichte beginnt bereits 2021

 

Die Geschichte beginnt bereits im Sommer 2021, als SPD und Grüne das Thema Luftfilter auf die Tagesordnung setzen, weil durch Filteranlagen das Risiko von coronabedingten Schulschließungen gesenkt werden könne. Die Grünen hatten damals beantragt, dass die Verwaltung den Stadtschulen mobile oder stationär eingebaute Lüftungsanlagen für alle Klassenräume anbieten sollte. Unter dem damaligen Bürgermeister Detlev Fischer wurde dann ein Förderantrag gestellt und im September 2021 eine Förderzusage in Höhe von 320.000 Euro erteilt.

Laut Bürgermeister Michael Hannebacher, der schriftlich auf eine Anfrage von Jochen Hake antwortete, sei bereits Mitte 2022 bekannt gewesen, dass der ursprünglich veranschlagte Kostenrahmen aufgrund starker Preisanstiege bei Lüftungsanlagen und allgemein im Baubereich nicht ausreichen würde, um alle geplanten Maßnahmen zu realisieren.

Die erste Ausschreibung sei dann Ende November 2022 erfolgt und der erstplatzierte Anbieter am 30. Januar 2023 beauftragt worden. Dieser hätte die gewünschten Geräte aber nicht fristgerecht liefern können, woraufhin der Auftrag im Februar 2023 gekündigt worden sei. Eine zweite, für die Verwaltung offenbar sehr zeitintensive Ausschreibung sei dann im April 2023 erfolgt. Weil es erneut Schwierigkeiten mit dem erstplatzierten Anbieter gegeben habe, sei der Zweitplatzierte (zu deutlich höheren Preisen) Ende Juni 2023 mit der Ausführung beauftragt worden. Da die Verwaltung aber nicht alle notwendigen Unterlagen übergeben hatte, verzögerte sich die Umsetzung erneut. Unterdessen habe die Firma bereits ein Nachtragsangebot erstellt und 20.000 Euro von der Stadt gefordert.

 

Urheberrechte verletzt?

 

Parallel dazu kam dann Architekt Lothar Tabery ins Spiel, der den Neubau der Grundschule in Engeo 2011 federführend plante und deswegen Urheberrechte an dem Gebäude hat. Da für den nachträglichen Einbau von Lüftungsanlagen die Außenfassade des Gebäudes an mehreren Stellen hätte durchbrochen werden müssen, wären diese in empfindlicher Weise beeinträchtigt worden, so der Architekt. Bereits im Juni 2022 habe er die Verwaltung darauf noch einmal hingewiesen, sagt Tabery auf Nachfrage gegenüber dem Anzeiger.

Der Architekt ließ deshalb über einen Anwalt mitteilen, dass keinerlei Veränderungen am Gebäude ohne vorherige Abstimmung mit ihm vorgenommen werden dürften. Weil dann auch noch die Schulleitung erklärte, dass seitens des Kollegiums grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Betrieb und der großvolumigen Deckeninstallation der Lüftungsgeräte bestünden, habe Hannebacher entschieden, den Auftrag aufzugeben, „um den zu erwartenden finanziellen Schaden zu Lasten der Stadt zu begrenzen.“ Aufgrund der Kündigung, die dem beauftragten Unternehmen dann im August zugesandt worden sei, muss die Stadt nun 130.000 Euro Schadenersatz zahlen.

 

Aussage des Bürgermeisters ist „verstörend“

 

Jochen Hake bezeichnet im Namen seiner Fraktion die schriftliche Aussage des Bürgermeisters als „verstörend“. Erst über ein Jahr nach der Förderzusage sei die Ausschreibung im November 2022 erfolgt. Es sei ihm unverständlich, warum die Verwaltung es trotz dieser Vorbereitungszeit für die Ausschreibungen nicht schaffte, auf den verantwortlichen Architekten Lothar Tabery zuzugehen, um die grundlegende Frage nach dem Urheberrecht zu klären. Ohne das Einverständnis des Architekten seien die Ausschreibungen sinnlos gewesen. „Die zugrundeliegenden Verträge liegen den Fraktionen im Stadtrat nicht vor“, bemängelt Hake darüber hinaus.

Warum die Verwaltung nicht auf den Stadtrat zugegangen sei, könne er nicht nachvollziehen. Vor der zweiten Ausschreibung hätte geklärt werden müssen, ob der Stadtratsbeschluss in Anbetracht der Problemlage bei der ersten Ausschreibung weiterverfolgt werden solle. Dies sei aber nicht geschehen. Stattdessen sei eine zweite Ausschreibung vorgenommen worden, die sich ebenfalls als problematisch erwiesen habe. Dass die beauftragte Firma nun Zahlungen in nicht unerheblicher Größe bekomme, ohne dass eine einzige Lüftungsanlage eingebaut wurde, sei „kaum auszuhalten“.

„Auch wenn wir alle hinterher immer schlauer sind, erwarte ich in Zukunft vom Bürgermeister, dass der Stadtrat rechtzeitig informiert wird, wenn Probleme mit seinen Beschlüssen auftreten. Denn nur so können Konfliktsituationen um unsere Beschlüsse geklärt und unnötige Kosten vermieden werden“, so Hake.

 

Fehlende Kommunikation

 

Auch Lothar Tabery hätte sich eine bessere Kommunikation gewünscht. Die bestehende vertragliche Vereinbarung in Bezug auf Veränderungen am Grundschulgebäude sei von der Stadtverwaltung völlig ignoriert und offensichtlich der Politik gegenüber nicht kommuniziert worden. Tabery weist zudem darauf hin, dass die Stadt unzulässigerweise ein Ingenieurbüro mit Ausführungsplanungen beauftragt habe, wodurch Kosten in Höhe von weiteren 20.000 Euro entstanden seien.

Hannebacher habe zudem nicht erwähnt, dass Tabery am 20. April 2023 in der Bürgermeistersprechstunde nochmals auf das Thema aufmerksam machte und ferner auf eine Forschungsarbeit der Unfallkasse NRW hingewiesen habe, nach der - besonders in Grundschulen - Raumlüftung über die klassische Fensterlüftung völlig ausreichend sei.

Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Aufhebung der laufenden Ausschreibung noch ohne Schadensersatzansprüche möglich gewesen, so Tabery. „Die hohen Kosten wären vermeidbar gewesen, wenn die Stadtverwaltung bereits zu Beginn der Planungsabsicht Kontakt mit mir aufgenommen hätte“, sagt der Architekt.

 

Ein angefragtes Statement vom Bürgermeister zum Sachverhalt hat die Redaktion bis Redaktionsschluss nicht bekommen.


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