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Politikerin oder gefährliche Lobbyistin?

Rotenburg (mh). Im Rahmen des Vortrags „Jung und hip? Strategien der Neuen Rechten“ widmete sich jetzt das Rotenburger Aktionsbündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ (AgRR) dem politischen Werdegang und den Aktivitäten der AfD-Kreisverbandsvorsitzenden Marie-Thérèse Kaiser.

Die sogenannte Neue Rechte, die sich auf den „Kampf um die Köpfe“ konzentriert und die „Kämpfe um Straße und Parlamente“ anderen Gruppierungen der extremen Rechten überlässt, verbreitet ungehindert auf verschiedenen Plattformen sozialer Medien ihr rechtsextremes Gedankengut. Eine sehr aktive Nutzerin dieser sozialen Medienplattformen ist Marie-Thérèse Kaiser.
Spontan konnte Stefan Klingbeil, Sprecher des AgRR, eine kundige Referentin gewinnen, die seit Jahren die Aktivitäten der Politikerin in den sozialen Medien beobachtet und die nicht namentlich in der Zeitung genannt werden möchte.
 
Rechtsextremes Weltbild verbreiten
 
Marie-Thérèse Kaiser sei zwar Kreisverbandsvorsitzende der AfD, trete jedoch in ihrem Wahlkreis politisch mit Programm oder eigenen Ideen kaum in Erscheinung. Stattdessen nutze sie diverse Plattformen wie Instagram, Youtube, Telegram oder auch Twitter, um ihr rechtsextremes Weltbild, geschickt persönlich und emotional verpackt, bei einem großen, jungen Publikum zu verbreiten.
Die aus Sottrum stammende 25-Jährige sei schon zu Schulzeiten auf Facebook aktiver als andere gewesen und auch politisch interessiert. Damals noch in der Jungen Union, setzte sich die Gymnasiastin beispielsweise gegen die Einführung einer Gesamtschule in Sottrum ein.
Nach eigenen Angaben sei es bei ihr 2015 zum Bruch mit der CDU aufgrund deren Flüchtlingspolitik gekommen. Immer wieder, so die Referentin, schildere Kaiser in ihren diversen Auftritten ein Schlüsselerlebnis aus demselben Jahr, als sie ihr Studium in Hamburg aufnahm.
 
Kulturschock eines Dorfkinds
 
Sie beschreibt den „Kulturschock“ den sie als Dorfkind in der Großstadt erlebt hat auf ihrer Website wie folgt: „Insbesondere als sich nach der Grenzöffnung unzählige Menschen, zum größten Teil junge Männer, am Bahnhof tummelten, die nicht der deutschen Sprache mächtig waren und über die man nichts wusste. Zusätzlich: Überforderte Ehrenamtler. Mittendrin: ich. Das war für mich der Moment, in dem ich merkte, dass nun alles außer Kontrolle geriet.“
Im Dezember 2017 trat sie schließlich der AfD bei und besuchte seitdem zahlreiche rechtsextreme Tagungen und Kongresse z. B. vom compact-Magazin, vom Institut für Staatspolitik des bekannten Rechten Verlegers Götz Kubitschek oder Schulungen zum Thema Islam der Desiderius Erasmus Stiftung, deren Vorsitzende die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach ist.
Begleitend zu dieser fragwürdigen Horizonterweiterung habe Marie-Thérèse Kaiser stets ihre Aktivitäten auf Social Media gepflegt und ausgebaut. Anfangs mischte sie in ihrem Instagram-Profil dabei Privates mit Politischem und teilte Fotos ihres Hundes oder warb für das rechte Modelabel Peripetie.
 
Mitorganisatorin der „Merkel Muss Weg“-Demos
 
Nationale Bekanntheit erlangte Kaiser als Mitorganisatorin der „Merkel Muss Weg“-Demos in Hamburg ab Februar 2018 und als Gesicht der Jungen Alternativen-Erstwähler-Kampagne für die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2020.
In jüngerer Zeit sei sie um Seriosität bemüht und zeige auf ihren Kanälen nichts Privates mehr. Gleichzeitig lebe sie weiterhin ihr enormes Sendungsbewusstsein aus und lasse sich ihre diversen Kanäle durch den rechtsextremen Verein „Ein Prozent für unser Land“ finanzieren. Thematisch befasse sie sich dort neben sich selbst mit Fragen zu Migration oder Identität.
 
Bedeutende Aktivistin der Neuen Rechten
 
Das AgRR bewertet Marie-Thérèse Kaiser als sehr bedeutende Aktivistin der Neuen Rechten, die mit ihrer Präsenz in den sozialen Medien junge Menschen anspricht und sie langfristig bindet.
Die AfD als vor allem polarisierende Partei ohne Programm sei darauf angewiesen, dass Personen wie Marie-Thérèse Kaiser über die sozialen Medien an der Verschiebung der Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs mitmischen und der rechten Ideologie ein bürgerliches Gesicht geben.
Dabei sei Kaiser selbst derart karriereorientiert, dass sie als Model mit ihrer Freizügigkeit und ihrem Selbstbewusstsein parteiintern schon angeeckt sei, weil sie nicht das gängige Frauenbild der AfD repräsentiere.
Marie-Thérèse Kaiser selbst spricht sich gegen die Unvereinbarkeitsliste ihrer Partei aus, die es z. B. ehemaligen NPD-Mitgliedern nicht erlaubt, Mitglied der AfD zu werden. So kritisierte sie Parteichef Meuthen stark, als dieser sich für den Parteiausschluss von Andreas Kalbitz und die Auflösung des „Flügels“ einsetzte.
Anhand des Beispiels von Marie-Thérèse Kaiser, die nachweislich rege Kontakte zu Rechtsextremen und Angehörigen der Identitären Bewegung pflegt, zeige sich, dass die AfD sich nicht an ihre eigene Unvereinbarkeitsliste halte, solange es ihr nutze, und sich geistig längst nicht von ihrem „Flügel“ befreit habe.


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