Magnus Achte GmbH: Verwaltung ohne Verantwortung
„Die Stimmung ist aktuell mehr als angespannt. Wir sind verunsichert, verängstigt und verzweifelt“, erzählt Denise Teucher. Sie ist Mieterin in der Mozartstraße, in einem der Wohnhäuser, denen die Stadtwerke am 26. August Gas, Strom und Wasser in den Gemeinschaftsräumen abstellen wollten, weil der Verwalter, die Magnus Achte GmbH, die gelieferten Leistungen nicht bezahlt. Sie kassiert lediglich von ihren Mietern. Über ihren Schritt informierten die Stadtwerke die Mieter vier Tage vorher. Daraufhin wendeten sich die Mieter an Medien und Politik, die die geplante Einstellung der Versorgung öffentlich skandalisierten. Das sei letztlich auch eine Absicht der Stadtwerke gewesen, so Christian Meyer-Hammerström, Chef der Osterholzer Stadtwerke, im Gespräch mit dem ANZEIGER, dass der Druck auf den Verwalter größer wird.
Die Maßnahme zeigte schließlich Wirkung. Der Verwalter zahlte eine Teilsumme, die Versorgung wurde nicht eingestellt. Doch wenn wieder Zahlungen ausfallen, müssen die Stadtwerke handeln. „Sollte es uns nicht gelingen, eine verbindliche Perspektive für die Bezahlung der Energielieferungen zu erkennen, bleibt uns auch im Sinne der Allgemeinheit leider keine andere Möglichkeit, als die Sperrung der Gemeinschaftsanlagen in den betroffenen Straßen vorzunehmen und die Energielieferungen einzustellen“, so Carolin Novak, Marketingleiterin bei den Stadtwerken. Der Termin dafür könnte der 9. September sein. Teucher hat dafür etwas Verständnis. „Genauso wie ein Ladenbesitzer nichts für den Diebstahl von Waren kann, können meiner Meinung nach auch die Stadt oder die Stadtwerke nichts dafür, wenn ein Abnehmer nicht bezahlt.“ Zudem hätten die Stadtwerke „sehr kulant dem Vermieter gegenüber agiert, um den Mietern und Mieterinnen möglichst lange die Versorgung zu gewährleisten.“ Eine andere Mieterin sieht es kritischer: „Ich verstehe nicht, dass man uns als Mieter für die Schweinerei von Magnus Achte in Haft nimmt“. Aber auch Teucher führt einen Kritikpunkt an: Die Bewohner hätten über die ganze Problematik mit dem Verwalter eher informiert werden sollen. Dann hätte man noch mehr Druck seitens der Mieter auf den Verwalter aufbauen können. Novak erklärt, dass die Mieter aus Datenschutzgründen nicht früher hätten informiert werden können. Erst als die Abschaltung drohte, entschieden die Stadtwerke, sich über den Datenschutz hinwegzusetzen, „da uns selbstverständlich bewusst ist, in welche Situationen Mieterinnen und Mieter durch eine derart ultimative Maßnahme geraten.
Im Stich gelassen
Auch wenn die nun erst einmal abgewendet wurde, sei die Wohnsituation psychisch katastrophal und wenn es endgültig zur Einstellung der Versorgung kommt, werde es außerdem gefährlich: Die Abschaltung des Stroms in den Fluren und Treppenhäusern bedeute eine erhöhte Unfall- und Einbruchsgefahr. Die per Summer zu öffnenden Türen würden Tag und Nacht offenstehen. Auch werden einige Wohnungen dann kein warmes Wasser mehr haben. „Außerdem funktioniert das automatische Entlüftungssystem nicht mehr, was im Falle eines Feuers fatal sein kann,“ fügt sie hinzu. Apropos Feuer: Die Bewohner der Mozartstraße 9 konnten bisher immer noch nicht in ihre Wohnungen, die durch ein Feuer zerstört wurden, heimkehren. Auch hier wird der Verwalter nicht tätig. Die Betroffenen fühlen sich von der Verwaltung im Stich gelassen.
Das sieht auch die Stadtverwaltung so: Torsten Haß, Erster Stadtrat, wirft der Immobiliengesellschaft vor, ihre Pflichten zu vernachlässigen und die Situation durch jahrelanges Missmanagement heraufbeschworen zu haben. Kritik geht aber auch in Richtung Hannover: Die Wohnungen „hätten damals vom Land nicht einfach meistbietend verkauft werden dürfen. Die Stadt hätte hier einbezogen werden müssen.“ Aber auch jetzt sei das Land nicht besonders hilfreich. Die Stadt habe das Problem an alle bekannten Personen aus Bund und Ländern herangetragen, auch mit der neu gegründeten Wohnungsbaugesellschaft des Landes und dem vorgesetzten Ministerium stehe man bezüglich der unhaltbaren Zustände vor Ort in Kontakt. „Leider bisher ohne hilfreiches Ergebnis“, so Haß.
Die Handlungsmöglichkeiten der Stadt selbst seien begrenzt. Vor allem rechtlich, da es sich um eine privatrechtliche Angelegenheit handelt. Haß habe zwar geholfen, dass die Mieter sich zu einer Mietergemeinschaft zusammengeschlossen haben, um sich selbst zu helfen. Damit ist das Problem aber nicht vom Tisch. Zudem befindet sich der Verein noch im Aufbau.
Rechtlich erschwerte Lage
Eine theoretische Überlegung wäre, die Verträge mit der Verwaltung zu kündigen und die Mieter direkt zu beliefern. Danach gefragt, antwortet Novak: „Theoretisch könnten wir uns das vorstellen, aber das bedarf einer juristischen Prüfung, da die Mietenden im rechtlichen Sinne nicht unsere Vertragspartner sind.“ Das Problem bestätigt auch Rechtsanwalt Tim Jesgarzewski, dessen Kanzleikollegin Daniela Zydel den Mietern beim Vereinsaufbau zur Seite steht und für deren Interessen sie gegenüber der Magnus Achte GmbH kämpfe - laut Teucher „wie eine Löwin“. Die Mietverträge beinhalten die Klausel, dass lediglich ein Vertragsverhältnis zwischen der Vermieterin (Magnus Achte) und dem Versorger vorliegt, das einseitig abzuändern oder aufzulösen nicht möglich sei.
Wünsche und Lehren
Was also tun? Konkret lässt sich für die Mieter aktuell nicht viel ausrichten. Die Mieter selbst wollen nun, wie sie am Samstag bei einem Zusammentreffen festgehalten haben, der möglichen Stromsperre widersprechen, weil sie in ihr eine Gefahr für Leib und Leben sehen.
Darüber hinaus bleiben vorerst nur Wünsche und Lehren für die Zukunft übrig. Von den Mietern der Wunsch, dass der Vermieter „endlich zur Rechenschaft gezogen wird. Sehr gerne auch mit rechtlichen Mitteln. Es kann nicht sein, dass auf dem Rücken derer, die sich krumm arbeiten, sowas ausgetragen wird. Leider sind wir kein Einzelfall. Und hier muss sich über kurz oder lang auch gesetzlich etwas ändern“, so Teucher. Das sehen auch die Stadt und die Stadtwerke so. Für solche Fälle, die in Deutschland leider keine Einzelfälle sind, bedürfte es, so Novaks Lehre aus der Misere, Härtefallfonds, wie es sie in der Energiekrise gab. Hier sei der Gesetzgeber gefragt.
Der schweigt sich aktuell aber über das Problem Wohnen aus, obwohl Bundeskanzler Scholz die Wohnungsnot zur sozialen Frage des 21. Jahrhunderts erklärte, die er mit einer von ihm geführten Regierung zu beantworten er im Wahlkampf versprach. Für Torsten Haß ist das Problem aber nicht zu ignorieren. Eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft könnte eine Lösung sein. Die hilft zwar leider nicht den Menschen in der Mozartstraße, könnte aber in der Zukunft verhindern, dass windige und verantwortungslose Unternehmer das menschliche Grundbedürfnis nach einem Dach über dem Kopf schamlos ausbeuten.