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Konjunkturelle Lage war Thema beim Jahresempfang der IHK

Elbe-Weser-Raum (IHK). Der Präsident des ifo-Instituts, Prof. Clemens Fuest, sieht trotz der trüben Konjunkturlage Chancen für den Elbe-Weser-Raum.

Mit einem zunächst düsteren Blick auf die konjunkturelle Lage begann der Präsident des ifo-Institutes, Prof. Clemens Fuest, seinen Festvortrag vor den rund 500 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft beim diesjährigen Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer Stade für den Elbe-Weser-Raum im Stadeum. Anhand der diesjährigen Entwicklung des ifo-Geschäftsklimaindex, der sich im Juni leicht verschlechtert hat, verdeutlichte Fuest die kritische wirtschaftliche Lage im Hinblick auf gestörte Lieferketten und fehlende Vorprodukte. Auch die Entwicklung der pandemischen Lage in China sowie die bestehende Unsicherheit in Bezug auf das Infektionsgeschehen im Herbst trübten die Aussichten.
Hinzu komme die massiv ansteigende Inflation von derzeit über sieben Prozent. „Diese Entwicklung ist mit nichts zu vergleichen“, betonte Fuest. Selbst wenn man die Bereiche Energie und Nahrungsmittel außer Betracht lasse, liege sie noch immer über drei Prozent.
 
Handlungsoptionen
 
Fuest blieb aber nicht nur bei einer Beschreibung der konjunkturellen Indizes, sondern zeigte auch finanzpolitische Handlungsoptionen auf. So sei es Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB), die Inflation bei sinkendem Wachstum zu bekämpfen. Zudem sollte man sich auf steigende Zinsdifferenzen an den Finanzmärkten vorbereiten. Fuest forderte darüber hinaus ein Ende der expansiven Geldpolitik und stand Subventionen zur Senkung der Energiepreise kritisch gegenüber.
Der Tankrabatt würde größtenteils Haushalte mit einem hohen Einkommen entlasten. Hinsichtlich der Weitergabe des Tankrabatts für Diesel und Benzin durch die Ölkonzerne traf Fuest eine klare Aussage: Der Rabatt sei im Wesentlichen an die Kunden weitergegeben worden. Beim Diesel hätten die Tankstellen ihn zu 100 Prozent weitergegeben und bei Benzin zu 85 Prozent. Der Einsatz einer Übergewinnsteuer würde sich somit über dieses Argument nicht rechtfertigen lassen.
 
Russland-Sanktionen
 
Beim Thema Durchschlagskraft der Russland-Sanktionen ging Fuest vor allem auf das russische Öl ein, welches derzeit mit einem deutlichen Preisabschlag gehandelt werde. Ein sofortiges Energieembargo gegen Russland würde jedoch die deutsche Wirtschaftsleistung 2023 um ungefähr fünf Prozent senken, schätzte Fuest. Jetzt gelte es, das Wirtschaftsmodell Deutschland auf zukunftsfeste Beine zu stellen. Dazu gehöre eine diversifizierte Gasversorgung, die auf einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik fuße sowie die Entwicklung einer durchdachten strategischen Außenwirtschaftspolitik auf europäischer Ebene. In Sachen Energiediversifizierung sah Fuest Stade und somit auch den Elbe-Weser-Raum gut aufgestellt. „Deutschland schaut auf diese Stadt“, stellte er im Hinblick auf das geplante LNG-Terminal fest.
 
LNG-Terminal von nationaler Bedeutung
 
Die Energiedebatte griff auch IHK-Präsident Matthias Kohlmann auf. In seiner Rede leitete er dieses Thema mit einer Verurteilung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ein. „Ein freies, sicheres und auf gemeinsamen Werten basierendes Europa kann es nur geben, wenn wir zusammenstehen und uns gegen Aggressoren wehren“, so Kohlmann. Es sei daher höchst relevant, die Bezugsquellen für Energie zu diversifizieren, um sich von einseitigen Abhängigkeiten zu lösen. Das geplante LNG-Terminal in Stade, welches künftig auch auf Wasserstoffimporte ausgelegt sein werde, sei aus diesem Grund ein Projekt von nationaler Bedeutung.
Die Dekarbonisierung sah Kohlmann als eine der größten Transformationsprozesse, vor denen Deutschland stehe. Der Elbe-Weser-Raum habe in dieser Hinsicht mit dem Wind vor der Tür und dem hohen Potenzial durch Biomasse und Photovoltaik viel zu bieten. „Was wir jetzt aber brauchen, ist neben beschleunigten Planungs- und Genehmigungsverfahren ein schnellerer Netzausbau mit angemessenen Netzentgelten sowie internationale Energiepartnerschaften“, so Kohlmann.
 
Wasserstoff
 
In Sachen Wasserstoff habe man mit dem Wasserstoffnetzwerk Nordostniedersachsen schon viel erreicht. Doch Kohlmann zeigte auch auf, wo man noch besser Zukunft gestalten könnte. „Eine engere Zusammenarbeit der fünf Küstenländer auf Basis eines gemeinsamen norddeutschen Verständnisses würde einen wichtigen Beitrag für ein wirtschaftlich starkes Norddeutschland leisten“, so Kohlmann.
Die Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung stellte für den IHK-Präsidenten eine Hauptaufgabe zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar. Eine flächendeckende Beschulung mit guter Erreichbarkeit sowie neue Formen der schulstandortübergreifenden Kooperation seien dafür unabdingbar.
Abschließend ging Kohlmann auf die Entwicklungsperspektiven des Elbe-Weser-Raumes ein. „Wenn wir nicht auf den Standstreifen der Regionalentwicklung gedrängt werden wollen, müssen wir jetzt in den Ausbau des ÖPNV, des Schienenverkehrs und der Hafenhinterlandanbindungen sowie den Ausbau der A 20 und der Anbindung der A 26 investieren“, sagte er. Mit Blick auf die digitale Transformation rückte der IHK-Präsident abschließend die Wichtigkeit des Breitband- und Mobilfunkausbaus sowie die digitale Sichtbarkeit des Handels in den Fokus.
 
Für Bürokratieabbau
 
Das traditionelle Grußwort der Landräte übernahm in diesem Jahr der Rotenburger Landrat Marco Prietz. Er stellte in einer charmanten Art und Weise den Bürokratieabbau in der Verwaltung ins Zentrum seiner Rede. Auch wenn der Elbe-Weser-Raum vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sei, gebe es nach wie vor viele Stellschrauben, an denen gedreht werden müsse. So habe es inzwischen über 80 Corona-Verordnungen gegeben und die Gesundheitsämter arbeiteten nach wie vor im Krisenmodus. Auch abseits gesundheitlicher Krisen müssten Regelungen überdacht und im Zweifel zurückgenommen werden. „Der Förderwahn und die Regelungswut bestimmen den Alltag der Verwaltung“, so Prietz. Der Staat müsse sich nun wieder mehr auf sein Kerngeschäft besinnen und einen Paradigmenwechsel herbeiführen.


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