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Keine Aussicht auf Frieden

Bürgerkrieg um wenige Ressourcen, Macht und Einfluss

Dr. Marie-Christine Heinze ist Gründerin und Vorstandsmitglied des Centers for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) und referierte kürzlich in Bremervörde.

Dr. Marie-Christine Heinze ist Gründerin und Vorstandsmitglied des Centers for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) und referierte kürzlich in Bremervörde.

Bremervörde (eb). Auf Einladung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik hielt Dr. Marie-Christine Heinze kürzlich einen Vortrag über den Jemen-Konflikt und die Situation im Roten Meer.

Seit zehn Jahren tobt im Jemen ein Bürgerkrieg mit katastrophalen Ausmaßen für die Bevölkerung, doch erst seit den Angriffen der Huthis auf Handelsschiffe im Roten Meer erfährt dieser furchtbare Konflikt ein wenig mehr Aufmerksamkeit in Europa. Die Sektion Elbe-Weser der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) bot kürzlich die Gelegenheit, mehr über die Hintergründe zu erfahren und hatte Frau Dr. Marie-Christine Heinze, Gründerin und Vorstandsmitglied des Centers for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO), zu einem Vortrag in Bremervörde eingeladen. Dass das Interesse an diesem Thema auch in der Ostestadt sehr groß ist, zeigte der voll besetzte Saal im Kundencenter der EWE.

 

Das Armenhaus der Welt

 

Dr. Heinze, die auch als Beraterin für Entwicklung, Friedensförderung und politischem Wandel im Jemen tätig ist, führte zunächst mit einer allgemeinen Beschreibung des Landes in ihren Vortrag ein und hob dabei auch die Flora und Fauna „dieses wundervollen Landes“ hervor. „Der Jemen ist stellenweise unglaublich grün, und die Insel Sokotra wird auch das ‚Galapagos der islamischen Welt‘ genannt.“ Dennoch sei der Jemen mit seinen geringen Bodenschätzen und seiner wirtschaftlichen Schwäche das Armenhaus dieser Welt, in dem nun seit 2014 ein Bürgerkrieg um die wenigen Ressourcen, Macht und politischen Einfluss tobe.

„Die Religion spielt hierbei zwar eine Rolle, aber nur eine untergeordnete“, so Dr. Heinze. Die Unterteilung in Schiiten und Sunniten habe bis zum Erscheinen der Huthis nur eine unbedeutende Rolle gespielt. „Viele Familien wüssten noch nicht einmal, zu welcher Gruppe sie eigentlich gehörten“, erklärte Dr. Heinze. Der Jemen, der bis auf eine kurze Episode nie kolonisiert war, bestand bis zu seiner Vereinigung im Jahre 1990 aus einem wohlhabenderen nördlichen und einem minderbegüterten südlichen Teil. Dabei habe es sich nicht um eine Vereinigung gleicher Partner gehandelt, so dass der neu entstandene Staat nie zur Ruhe gekommen sei.

 

Hamas-Angriff spielte den Huthis in die Karten

 

2004 seien dann die Huthi in Erscheinung getreten, bei denen es sich nicht um einen Stamm, sondern um eine nach einer Familie benannten Rebellengruppe handelt, die sich religiös legitimiere, daher die plötzliche Bedeutung der Unterscheidung in Schiiten und Sunniten, opportunistisch vorgehe und dabei sei, einen repressiven Polizeistaat aufzubauen. Nachdem erstmals Proteste gegen die Huthis aufgekommen seien, habe der Angriff der Hamas im Oktober 2023 auf Israel den Huthis in die Karten gespielt, die sich mit den Palästinensern solidarisch zeigte, was ihnen, den Huthis, einen unheimlichen Auftrieb gegeben habe.

In dem Konflikt zwischen dem von den Huthis kontrollierten Norden mit seiner Hauptstadt Sanaa und dem völkerrechtlich akzeptierten Süden mit der Stadt Aden als Sitz der Exilregierung drohen regionale Interessen zu einer weiteren Eskalation zu führen. „Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate laufen Gefahr sich auf einen Stellvertreterkrieg einzulassen“, erklärte die Jemen-Expertin, und auch der Iran verfolge seine Interessen zusammen mit den Huthis. Andererseits fänden zwar Friedensverhandlungen statt, aber nicht zwischen den Huthis und der international anerkannten Regierung in Aden. Die Gespräche fänden dagegen mit Saudi Arabien statt, das sich von einer Konfliktpartei auf merkwürdige Weise in einen Mediator gewandelt habe.

 

Konflikt gewinnt an globaler Dimension

 

Zwar sei ein ausgehandelter Waffenstillstand wirksam, aber leider mit der Folge, dass die Huthis ihre Strategie geändert hätten und nun Handelsschiffe im Roten Meer unter Beschuss nähmen. Und auch hier gewinne der Konflikt immer mehr an globaler Dimension, da die Huthis russischen und chinesischen Schiffen die Durchfahrt gewähren. Andererseits sei die EU-Mission im Roten Meer rein defensiv angelegt, böte den Huthis aber dennoch Anlass hierin einen Kriegsgrund zu sehen.

Hoffnungen auf eine akzeptable Lösung des Konflikts und schließlich auf Frieden bereitete Dr. Hinze mit großem Bedauern einen Dämpfer. Die Huthis hätten alle Trümpfe in der Hand, so die Referentin. Mit ihren Operationsbasen in den Bergen seien sie vor Angriffen einerseits weitgehend geschützt, was auch Ägypten 1960 schmerzhaft erfahren musste, als es in den Konflikt eingriff. Andererseits sei das Waffenembargo aufgrund der langen südjemenitischen Küste kaum durchsetzbar.


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