Lena Stehr

Hilfe für Kinder von psychisch erkrankten Eltern

Jeweils rund 6.000 Kinder in den Landkreisen Rotenburg und Osterholz haben psychisch erkrankte Eltern. Mit den Hilfsangeboten werden aber nicht alle erreicht.

Hilfe für Kinder von psychisch erkrankten Eltern.

Hilfe für Kinder von psychisch erkrankten Eltern.

Bild: Depositphotos.com

In Deutschland leben nach aktuellen Schätzungen rund 3,8 Millionen Kinder unter 18 Jahren, deren Eltern psychisch erkrankt sind - Tendenz steigend. Auch in den Landkreisen Rotenburg und Osterholz seien drei bis fünf Schüler:innen pro Klasse betroffen, sagt Björn Metzner, Koordinator des Patenprojekts FiPs, vom Diakonischen Werk Bremervörde-Zeven.

 

Familien im Patenprojekt stärken

 

FiPs steht für „Familien im Patenprojekt stärken“ und wurde 2019 im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven mithilfe der Aktion Mensch gegründet. Ziel ist es, Kinder von vier bis zwölf Jahren zu unterstützen, indem ihnen ehrenamtliche Patinnen und Paten zur Seite gestellt werden, die an ein bis zwei Tagen pro Woche mit ihnen Zeit verbringen. Die Kinder sollen so die Chance erhalten, „aus ihrem System“ heraus zu kommen und wieder Kind sein dürfen.

Durch die psychische Erkrankung eines Elternteils gerate das Familienleben durcheinander. „Die Kinder übernehmen oftmals schon Aufgaben im Haushalt oder in der Betreuung jüngerer Geschwister. Sie passen sich an und stellen eigene Bedürfnisse und Wünsche zurück. Hinzu kommen häufig Schuld- und Schamgefühle sowie eine soziale Isolierung, weil sie mit niemandem über die Erkrankung der Eltern sprechen dürfen“, sagt Metzner. Eine gesunde Entwicklung sei so kaum möglich und die Gefahr für die Kinder besonders hoch, selbst psychisch zu erkranken.

Patinnen und Paten bekämen die Chance, das Leben eines Kindes positiv zu beeinflussen und den Betroffenen eine Zukunftsperspektive zu schenken. Leider gebe es aufgrund der Corona-Pandemie aber nicht nur mehr Menschen mit psychischen Problemen, sondern auch weniger Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen oder können, weil sich Rahmenbedingungen für sie geändert hätten, sagt Metzner. Es mangele vor allem an männlichen Paten.

Ein weiteres Problem sei, dass sich meist nur die Eltern für das Patenprojekt melden, die ohnehin „rührig“ seien und sich schon auf anderen Wegen Hilfe gesucht hätten, so Metzner. Ohne die aktive Einbringung der Eltern komme die Hilfe gar nicht bei den Kindern an, weshalb das Thema an sich stärker auch in Kita und Schule thematisiert werden sollte.

 

Kidstime für Kinder und Familien

 

Der gleichen Meinung ist auch Diplom-Psychologe Henner Spierling, der am Sozialpädiatrischen Zentrum des Agaplesion Diakonieklinikums Rotenburg tätig ist und das Projekt „Kidstime“ leitet. „Kidstime“ ist ein niedrigschwelliges, präventives Angebot in Form eines Workshops für Kinder psychisch kranker Eltern und ihre Familien. Das Projekt, das seinen Ursprung in London hat, gibt es seit 2015 in Rotenburg und inzwischen auch in Zeven, Bremervörde und in Osterholz-Scharmbeck (der Anzeiger berichtete).

Obwohl inzwischen schon deutlich mehr über psychische Erkrankungen gesprochen werde als noch vor einigen Jahren, sei es noch ein weiter und steiniger Weg, bis das Thema vollkommen enttabuisiert sei und Betroffene keine Stigmatisierung mehr fürchten müssten, so Spierling.

Er fordert schon lange, dass Themen wie Prüfungsängste oder Panikattacken und wie man damit umgehen kann, offen kommuniziert und besprochen werden und zum Allgemeinwissen dazugehören sollten.

 

Ansprechpartner und nähere Informationen

 

Wer mehr über das Projekt „FiPs“ erfahren möchte, und/oder sich vorstellen kann, als Pate oder Patin zu helfen, kann sich direkt bei Björn Metzner melden (01525/6878204, bjoern.metzner@evlka.de). Es werde dann zunächst ein unverbindliches Vorgespräch geführt. Dies könne im Falle der Eltern auch gerne anonym erfolgen.

Für alle Interessierten findet zudem am Montag, 7. November, um 19.30 Uhr ein Infoabend im Diakonischen Werk, Bahnhofstr. 7, in Bremervörde statt.

Die Ehrenamtlichen werden vor Beginn der Patenschaft geschult, und auch während der Patenschaft durch den Koordinator sowie eine Psychologin weiter begleitet.

www.diakonie-kkbz.de/Sozial/FiPs.

Nähere Informationen und regionale Ansprechpartner:innen für das „Kidstime“-Projekt gibt es auf www.kidstime-netzwerk.de.


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