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Frauen im Abseits

Frauen-Fußball boomt, die letzte Frauen-Fußball-WM brach viele Rekorde. Doch im Amateurbereich ist der Hype noch nicht angekommen.

Foto: freepik

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Knapp zwei Millionen Stadionbesucher:innen und rund zwei Milliarden Fernsehzuschauer:innen - die Fußball-WM der Frauen erzielte in diesem Jahr Rekordwerte. Nicht rekordverdächtig ist allerdings das Tempo, mit dem der Frauen-Fußball mit dem Männer-Fußball - insbesondere im Hinblick auf die Bezahlung - gleichzieht. Und das obwohl eine kürzlich veröffentlichte Studie belegt, dass Frauen- und Männer-Fußball als gleichwertig wahrgenommen werden, wenn die Spielenden nicht zu erkennen sind. Die verbreitete Annahme, Frauen-Fußball werde weniger nachgefragt und weniger gut bezahlt, weil die Qualität schlechter sei, könne deshalb „auf Geschlechterklischees und Stereotypen“ zurückgeführt werden.

Immerhin: Im Vergleich zur letzten Frauen-WM hat die Fifa den Prämientopf fast vervierfacht und insgesamt rund 100 Millionen Euro an die teilnehmenden Verbände ausgeschüttet. Zum Vergleich: Bei der Männer-WM in Katar wurden 440 Millionen Dollar an Prämien verteilt. Für den Weltmeistertitel hat jede Spielerin rund 250.000 Euro bekommen - bei den Männern waren es 400.000 Euro. Die Prämien für die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM in vier Jahren sollen gleich sein.

 

Der DFB hinkt hinterher

 

So ein Equal Pay gibt es beim DFB - im Vergleich zu den USA, Norwegen und Wales - nicht. So gibt es laut Saisonreport der Sportschau Vereine, die ihren Spielerinnen nur dreistellige Aufwandsentschädigungen zahlen. Topklubs wie VfL Wolfsburg und FC Bayern können den Topspielerinnen hingegen fünfstellige Monatsgagen bieten.

Und während in der Saison 2021/2022 die mediale Verwertung der 1. Fußball-Bundesliga der Männer Erlöse in Höhe von rund 1,38 Milliarden Euro einspielte, waren es bei der Frauen-Bundesliga nur rund 17 Millionen Euro. Immerhin eine Steigerung um 40 Prozent. Luft nach oben ist auch bei den Zuschauerzahlen: Im Vergleich zu mehr als 21.000 Menschen, die die Spiele der Männer-Bundesliga im Schnitt live in den Stadien verfolgen, waren es bei den Frauen gerade mal 800.

 

Mädchen aus der Region haben es schwer

 

Schwer haben es auch fußballbegeisterte Mädchen und Frauen aus der Region. Die meisten Vereine haben überhaupt keine Mädchen- und Frauenmannschaften. Sowohl beim Bremervörder SC als auch beim TSV Gnarrenburg spielen laut Michael Meyer und Fabian Tietjen nicht mal eine Handvoll Mädchen in den Jungs-Mannschaften mit. Regina Thurisch, Vorsitzende des KF- und Jugendausschusses des NFV Kreis Rotenburg, berichtet, dass es in diesem Jahr aber drei Mannschaften mehr als im letzen Jahr bei den E- und D-Juniorinnen gibt. Probleme gebe es leider in den Altersklassen der C- und B-Juniorinnen. Hier werde es immer schwieriger, einen attraktiven Spielbetrieb anzubieten. Auch, weil es zu wenig Trainer:innen und Betreuer:innen gebe. Gut aufgestellt im Frauen- und Juniorinnenbereich seien dagegen die Vereine Heeslinger SC, MTV Jeddingen, TUS Tiste und TV Stemmen.

 

Der Nachwuchs wird vernachlässigt

 

Im Landkreis Osterholz sieht es ähnlich aus. In der aktuellen Saison gibt es 12 Frauenmannschaften, berichtet Eckehard Schütt, Vorsitzender des NFV Kreis Osterholz. In der letzten Saison waren es noch 14. „Der Frauenfußball im Landkreis hat sich in den letzten Jahren nicht groß verändert“, sagt Schütt - trotz wachsender Beliebtheit der Profis.

„In Bremen und umzu muss mehr getan werden“, findet auch Jörg Beese, der neue Trainer der Landesliga-Damen vom VSK Osterholz-Scharmbeck. Der Amateurbereich im Frauenfußball profitiere kaum von der wachsenden Aufmerksamkeit für die Frauen-Bundesliga oder -Weltmeisterschaft. Der „Hype um die erste Bundesliga und Weltmeisterschaft“ sei vom DFB „künstlich gesteuert“, sagt Beese - er sei kein Freund davon. Gleichzeitig werde der Nachwuchs vernachlässigt.

Nicht zuletzt fehlten in den örtlichen Vereinen Trainer:innen und Ehrenamtliche, um Frauen und vor allem Mädchen zu betreuen. Bei den Männern sei das teilweise anders, berichtet Beese: „Da gibt es selbst bei der 5. Herren noch zwei Betreuer und einen Masseur.“ In vielen Kreisverbänden ließe sich kein Interesse am Frauenfußball erkennen, schildert Beese seinen Eindruck. Die Folge: „Viele Talente gehen uns verloren.“ Oft entschieden Mädchen, die mehrere Sportarten ausüben, sich früher oder später gegen den Fußball - „weil sie keinen passenden Verein finden.“

Ab einem gewissen Alter sei es selbst für besonders gute Spielerinnen unmöglich, weiter bei den Jungs mitzuspielen. „Nach der C-Jugend ist meistens Schluss“, sagt Jörg Beese. Vereinzelt gebe es Ausnahmen, die noch in der B- oder A-Jugend mithalten können. An diesem Punkt müsse der Verein die Mädchen auffangen, ansonsten seien sie weg. An fußballbegeisterten und talentierten Mädchen gebe es jedenfalls keinen Mangel, meint Beese. „Wenn sich jemand kümmern würde, wären genug Talente da.“

 

Aus Gnarrenburg zum SV Werder Bremen

 

Talente wie Emma Martens (14) und Lina Huntemann (15) aus Gnarrenburg, die inzwischen beide in der U17 des SV Werder Bremen spielen und als klares Ziel die erste Bundesliga oder gar einen Platz in der Nationalmannschaft vor Augen haben. Noch sind die beiden Gymnasiastinnen auch in ihrem Heimatverein in Gnarrenburg aktiv und kicken regelmäßig mit den Jungs. Das werde sogar vom Werder-Trainer aufgrund des Trainingseffekts befürwortet.

Doch meistens sei es eben doch so, dass die meisten Mädchen im Teenager-Alter lieber in reinen Mädchen-Mannschaften spielen würden, sagt Lina. Das sei aber eben vor allem auf dem Dorf meist nicht möglich.

Für die Zukunft des Frauen-Fußballs wünschen sich Lina und Emma vor allem eine einheitliche Bezahlung von Männern und Frauen sowie mehr Zuschauer:innen bei den Spielen. In Bremen werde das inzwischen auch dadurch erreicht, dass die Spiele der Frauen teilweise auch im Weserstadion stattfinden und nicht mehr immer nur auf dem wesentlich kleineren „Platz 11“.


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