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Patrick Viol

Ein „neuer Alltag“ mit Corona: Niedersachsen beschließt Lockerungen in fünf Stufen

Landkreis Rotenburg. Das Infektionsgeschehen ist leicht rücklaufig, weshalb sich die Länder zusammen mit der Regierung darauf geeinigt haben, das öffentliche Leben langsam und stufenweise wieder hochzufahren.
Gefühlt Jahre her: der Besuch des Spielplatzes. Seit dem 6. Mai dürfen Kinder wieder Spielplätze besuchen  - unter Aufsicht und mit Abstand.  Foto: adobestock/BillionPhotos.com

Gefühlt Jahre her: der Besuch des Spielplatzes. Seit dem 6. Mai dürfen Kinder wieder Spielplätze besuchen - unter Aufsicht und mit Abstand. Foto: adobestock/BillionPhotos.com

(Diese Version ist eine aktualisierte Fassung des Printartikels vom 8./9. Mai)
Wir haben die erste Phase der Pandemie hinter uns, aber damit stehen wir immer noch Anfang der Pandemie, so die Bundeskanzlerin am Mittwoch nach der Beratung mit den Länderchef*innen über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. Die Kanzlerin betonte gleich zu Anfang der Pressekonferenz, dass die aktuellen Zahlen des Robert Koch Institus erfreulich seien. Zwei Wochen nach der schrittweisen Öffnung der Geschäfte und der leichten Rücknahme der Corona bedingten Einschränkungen seien die Zahlen niedriger als vor zwei Wochen. Die täglichen Neuinfektionen seien nicht mehr jeden Tag im vierstelligen Bereich, sondern an manchen im dreistelligen. Zudem liege der Reproduktionsfaktor konstant unter eins, das heißt, dass ein Infizierter im Schnitt weniger als eine Person ansteckt.  Entsprechend froh zeigte sich die Kanzlerin. Es wurden die Ansteckungsketten effektiv unterbrochen. Das Ziel, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und dadurch das Gesundheitssystem zu schützen, sei daher erreicht worden.
 
Ein neuer Alltag mit Corona
 
Angesichts dieser erfreulichen Entwicklung in Niedersachsen, hat die Landesregierung einen Plan aufgestellt, wie schrittweise viele Einschränkungen reduziert werden sollen. Zusammen mit Fachleuten aus mehreren Ressorts wurde ein Stufenplan erarbeitet: der „Niedersächsische Weg in einen neuen Alltag mit Corona“. „Der ‚Niedersächsische Weg in einen neuen Alltag mit Corona‘ soll“, so Ministerpräsident Stephan Weil, „den Menschen in unserem Land einigermaßen verlässliche Perspektiven für die nächsten Wochen geben. Nach all den Belastungen und Unsicherheiten haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf, zu erfahren, wann welche weiteren Lockerungsmaßnahmen zu erwarten sind, wenn sich das Infektionsgeschehen weiterhin so moderat entwickelt wie bisher.“ Die Einhaltung des Mindestsabstandes, jetzt von 2 Metern im öffentlichen Raum, und das Tragen eines Mund-und Nasenschutzes beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmittel gelte aber nach wie vor.
 
Die Reaktion der Politik
 
Reinhard Bussenius, Fraktionsmitglied der Grünen im Stadtrat, begrüßt die Lockerungen: „Der beschlossene Lockerungsplan für Niedersachsen ist meines Erachtens weitgehend völlig in Ordnung.“ Wer freue sich nicht darüber, dass er wieder weitgehend alle Geschäfte besuchen oder einen Kaffee trinken gehen könne, so Bussenius. Wichtig sei aber, dass die „Risikominimierung“ nie aus den Augen gelassen werde und stets die Abstandsregelungen und die Hand-Hygiene eingehalten werden. Außerordentlich sinnvoll am neuen Plan findet Bussenius die Möglichkeit, dass jetzt auf neue Infektionen regional reagiert werden soll. Das ergebe gerade für den Landkreis Rotenburg mit wenig Infektionen Sinn.
Tanja Eichsfeld, für die Linke im Stadtrat, sieht in den Lockerungen einen Ausdruck eines Dilemmas, in welchem der Staat stecke. Er stehe zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und dem Zwang der Wirtschaft, Profite machen zu müssen. Sie hingegen wünsche sich eine Gesellschaft, die nicht aufgrund von Kontaktbeschränkung und einer „Arbeitspause von 8 oder 12 Wochen“ in „Existenznöte“ geriete. Anscheinend hätte ihres Erachtens die Lockerungen wohl noch etwas warten können.
 
Fünf Stufen Plan
 
Der niedersächsische Weg sieht fünf Lockerungstufen vor. Ab heute befindet sich Niedersachsen auf der zweiten Stufe.
Die Verordnung sieht vor, dass Besuche zoologischer Gärten, Tierparks, Freilichtmuseen, botanischer Gärten und ähnlichen Einrichtungen mit weitläufigen Anlagen im Freien zulässig sind, wenn der Mindestabstand eingehalten wird. Die Betreiber*innen haben dafür zu sorgen, dass sich besipielsweise keine Warteschlangen bilden und das Abstandsgebot eingehalten wird. Dies gelte ebenso für den Besuch von Museen, Ausstellungen, Galerien und Gedenkstätten. Auch Parzellen auf einem Campingplatz, die ganzjährig oder für die Dauer einer Saison vermietet sind, können wieder genutzt werden. Auch Campingplätze, Ferienhäuser-/wohnungen und Bootsliegeplätze dürfen unter bestimmten Voraussetzungen wieder für touristische Zwecke genutzt werden. Für Ferienwohnungen und Ferienhäuser gilt eine Wiederbelegungsfrist von mindestens sieben Tagen. Zudem dürfen sie nur von einem Gast und dessen Mitreisenden genutzt werden. Das Verbot des kurzfristigen Aufenthaltes zu touristischen Zwecken in Zweitwohnungen wurde ebenfalls aus der Niedersächsischen Verordnung gestrichen.
 
Kitas und Notbetreung
 
Neben der schrittweisen Ausweitung der Notbetreuung auf 40 Prozent in Kindertageseinrichtungen und in der Schule sieht die neue Verordnung des Landes ab der zweiten Stufe auch die Möglichkeit einer privaten Betreuung von höchstens fünf Kindern vor, beispielsweise in der Nachbarschaft. Der Regelbetrieb der Kitas ist - vorausgesetzt, das Infektionsgeschehen bleibt konstant niedrig - ab der fünften Stufe, ab August vorgesehen.
Eine wirkliche Verbesserung für Eltern in der jetzigen Situation ist das noch noch nicht. Ein kleiner Trost mag aber zumindest sein, dass ihre Kinder seit dem 6. Mai wieder zum Spielen auf den Spielplatz dürfen. Unter Aufsicht und mit Abstand.
 
Sport im Freien
 
Austoben dürfen sich auch wieder die Großen. Denn von den Lockerungen ist auch der Sportbetrieb betroffen. Wieder erlaubt ist die Nutzung öffentlicher und privater Sportanlagen im Freien zur Ausübung von kontaktlosem Sport. Voraussetzung ist auch hier, dass der Mindestabstand eingehalten wird. Geräteräume und ähnliche Räumlichkeiten sind ebenso vom Abstandsgebot umfasst. Die Nutzung von Umkleideräumen und Duschen ist weiterhin nicht zulässig. Alle Indoor-Sportanbieter müssen sich noch mindestens bis zur dritten Stufe gedulden. Freibäder ebenso. Sie dürfen ab dem 25. Mai unter Auflagen wieder Schwimmer*innen empfangen. Bussenius ist froh, dass der Amateursport wieder stattfinden kann. Der sei wichig. „Auch wenn da einige Einschränkungen zu beachten sind: Ein Stück Normalität in diesem Bereich ist unbedingt notwendig und Sport ist für Psyche und Gesundheit wichtig“, so der Stadtrat. Mit etwas Sorge sehe er dem Vatertag am 21. Mai entgegen. „Ich appelliere an alle, die entsprechenden Regeln einzuhalten und die Touren mit Bollerwagen in diesem Jahr nicht zu machen.“
 
Gastronomie
 
 Worauf sicher viele gewartet haben, ist die Wiedereröffnung der Gastronomie. So soll nun der Betrieb nicht nur von Restaurants, sondern auch von Gaststätten, Cafés und Biergärten wieder anlaufen. Sie dürfen ab dem 11. Mai mit einer maximalen Auslastung von 50 Prozent sowohl im Innen- als auch im Außenbereich öffnen.
Jedoch gelten aus Infektionsschutzgründen besondere Voraussetzungen. Unter anderem muss der Zutritt geregelt werden, Warteschlangen sind zu vermeiden, die Tische müssen jeweils zwei Meter voneinander entfernt stehen und die Gäste untereinander haben einen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten (sofern sie nicht aus dem gleichen Haushalt stammen). Es darf kein Essen in Buffet-Form angeboten werden und das Personal muss eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Auch hier sind die Kontaktdaten der Besucher*innen mit Angabe des Zeitpunktes des Zutritts und des Verlassens zu dokumentieren. Sollte ein Gast mit der Erfassung seiner Daten nicht einverstanden sein, darf er nicht bedient werden. Am 25. Mai soll es weitere Lockerungen geben.
Ebenso mit einer 50 Prozent Auslastung dürfen Hotels wieder ihren Betrieb aufnehmen. Die Hotellerie in Niedersachsen kann dem Plan zufolge - wenn alles gut läuft - am 25. Mai ihr Geschäft wieder aufnehmen. Bars, Kneipen und Diskotheken sollen dagegen bis auf Weiteres geschlossen bleiben.
Die Lockerungen unterschieden sich in den verschiedenen Bundesländern. Einig sind sich die 16 Ländern und die Bundesregierung aber darin, dass die Lockerungen der Maßnahmen zurückgenommen werden, wenn die Obergrenze von 50 Neuinfektion pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen in einer Region überschritten wird.


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