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Ralf G. Poppe

Ein Lastenrad im Anzeiger-Test

Bremervörde. Ab Mitte November darf bei der ADFC Ortsgruppe Bremervörde kostenlos für bis zu drei Tagen ein nagelneues Lastenrad ausgeliehen werden. Wie sich das E-Bike im Straßenverkehr verhält und warum die Ausleihe zunächst schwierig war, hat unser freier Mitarbeiter Ralf G. Poppe im Selbsttest erlebt.

Klimaneutralität und CO2-Reduktion ist in aller Munde. So ist es eine sehr gute Idee der im Aufbau befindlichen ADFC Ortsgruppe Bremervörde, ein Lastenrad mit Elektrounterstützung kostenlos für die Menschen der Region in und um Bremervörde bereitzuhalten.
 
Das Ausleihverfahren
 
Die Weinhandlung Kanaan sollte erste Verleihstation sein. Der Anruf dort ergab jedoch, dass sich das Lastenrad noch in Iselersheim bei Marion Arnhold vom ADFC befinden würde. Eine Ausleihe für den Test sei jedoch okay. Trotzdem musste noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Es drohe ein Sturmtief, die Versicherungsformalitäten wären nicht geklärt, bzw. hätte die Tagespresse noch keine Gelegenheit gehabt, sich ebenfalls ein eigenes Bild zu machen. Ein Anruf beim Kreisverband des ADFC in Rotenburg brachte dann Klarheit – der Test könne beginnen.
Arnhold machte jedoch kurzfristig zur Bedingung, die Ausleihe am Tag vor dem Wunschtermin schriftlich zu fixieren. Der Ausleiher müsse zudem garantieren, alle Kosten für durch den Test am Fahrrad entstandene Schäden oder Verlust persönlich zu haften. Gesagt, getan. Die Testfahrt konnte endlich beginnen.
 
Der Lastenrad-Test
 
Die ersten Meter fühlen sich an, als wäre man noch nie Fahrrad gefahren – 2,50 Meter Gesamtlänge sind nicht zu unterschätzen. Auch das Leergewicht liegt mit 50 Kilo deutlich über dem eines „normalen“ Fahrrads. Zum Eingewöhnen geht es erst einmal auf den Radweg (das ist offiziell erlaubt).
Die verstellbare Motorunterstützungsstufe lässt sich leicht bedienen. Geht es bergauf, unterstützt diesbezüglich am rechten Griff eine „Hilfestellung“ ein leichteres Vorankommen. Der Elektromotor begleitet das Fahren bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Mit Muskelkraft habe ich auf dem Rückweg auf der Straße nach Iselersheim jedoch ohne große Anstrengung 26,7 km/h erreicht.
In der Innenstadt angekommen, braucht es ein wenig Übung, um auch enge Wege fahren zu können. Die Ladebox bietet ordentlich Platz – hier könnten z.B. zwei kleine Kinder bequem hintereinander sitzen. Das Höchstalter beträgt aus verkehrsrechtlichen Gründen allerdings sieben Jahre. In einer Kombination mit dem oberen Rahmenrohr bietet die aus Hartschaumstoff bestehende Box scheinbar einen guten Schutz. Wenn Lasten (bis zu 70 Kilo Ladung sind möglich) in der Box transportiert werden, ist allerdings streng darauf zu achten, dass keine scharfkantigen Gegenstände die Box beschädigen.
Ein Manko ist eventuell, das durch das Loch am Boden der Ladebox Nässe eintreten könnte. Zudem bemerkt man als Fahrer Unebenheiten auf der Straße sehr stark – der Fahrradsitz ist zwar gemütlich, aber nicht gefedert.
 
Könige der Landstraßen
 
Gleich die erste Einmündung zur Straße bringt die erste Gefahr mit sich – ein Traktor mit Vorderlader rauscht heran. Im letzten Moment bremst er ab. Die Lastenrad-Fahrt kann weitergehen. Wenige Meter später kommt ein Auto von links aus der Straße, die nach Nieder Ochtenhausen führt. Der Fahrer hält an. Plötzlich fährt er an. Meine erstaunten Blicke während ich stark bremse kommentiert er hämisch mit: „Wenn Du nicht fahren kannst, steigt ab, und geh´ zu Fuß.“
Derlei Kommentare gibt es auf der Rückfahrt zwar nicht zu hören, dennoch überholen alle Autofahrer:innen das Lastenrad, ohne den weißen Mittelstreifen vollständig zu überqueren. Soll heißen – sie rauschen in unmittelbarer Nähe am Rad vorbei.
Ein Experte empfiehlt daher, mit dem Rad die Mitte der Fahrspur auf der rechten Straßenseite zu nutzen, damit Überholende den Mittelstreifen passieren und auf die Überholspur wechseln müssen. In der Stadt war das Verhalten der Pkw-Nutzer:innen etwas entspannter.
 
Das Fazit
 
Nach dem Selbsttest bin zumindest ich überzeugt, dass das Lastenrad mit E-Bike-Antrieb eine Innovation in Sachen Klimafreundlichkeit sein kann – schließlich stellt es z.B. eine große Hilfe dar für Personen, die sich keinen Pkw leisten können, aber etwas zu transportieren haben. Andererseits werden Autofahrer:innen aufschreien, weil ein Fahrrad auf den Straßen der Ostestadt scheinbar nach wie vor unerwünscht ist.
Doch nicht nur für junge Familien könnte das Auto in der Innenstadt weniger wichtig werden: Mit dem getesteten Lastenrad „Freila“ der holländischen Firma Urban Arrow kann man schließlich nicht nur Kinder oder schwere Einkäufe transportieren, sondern z.B. auch hervorragend Pizzen ausliefern. Ohne Stau. Ohne lange Wartezeiten. Denn das Lastenrad darf auf Radwegen verkehren - obwohl in der Gebrauchsanweisung die Nutzung der öffentlichen Straßen empfohlen wird.
Das Lastenrad bewerte ich insgesamt als gut, das Drumherum ist jedoch noch ausbaufähig.
 
Förderung und Ausleihstation
 
Die gemeinnützige Regionalenergie-Elbe-Weser GmbH (REEW) mit Sitz in Oldendorf hat den ADFC-Kreisverband Rotenburg mit 5.600 Euro gefördert, um das freie Lastenrad betreiben zu können. Auszuleihen ist es bei der Weinhandlung Kanaan in Bremervörde, Neue Straße 86, Telefonnummer: 04761/996062, E-Mail: steamhill@web.de.


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