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Lion Immoor

Dorftratsch im Gerichtssaal

Die Theatergruppe Neu Sankt Jürgen räumte bei der Premiere ihres Stücks „Dat Nee Sankt Jürgener Dörpgericht“ tosenden Applaus ab. Zu Recht findet Lion Immoor.

Jede:r hat ein dunkles Geheimnis: Die Schauspieler:innen Jens Peper, Antje Peper, Silvia Pape, Edeltraut Becker, rainer Krentzel und Herman Wrieden in ihren Rollen.

Jede:r hat ein dunkles Geheimnis: Die Schauspieler:innen Jens Peper, Antje Peper, Silvia Pape, Edeltraut Becker, rainer Krentzel und Herman Wrieden in ihren Rollen.

Hüttenbusch. Seit über 50 Jahren besteht die Theatergruppe Neu Sankt Jürgen e.V.. Den ursprünglichen Heimatverein gibt es mittlerweile zwar nicht mehr - die Theaterleidenschaft ist aber geblieben. Seit 1997 üben die talentierten Darsteller:innen deshalb Jahr für Jahr ein neues Stück ein. 2023 bringt die zehnköpfige Theatergruppe nun den plattdeutschen Dreiakter „Dat Nee Sankt Jürgener Dörpgericht“ auf die Bühne. Seine Premiere feierte das Stück, das nicht nur mit einer interessanten Handlung, sondern vor allem mit viel Witz daherkommt, am 25. März.

 

Jede:r hat ein Geheimnis

 

Die Theatergruppe entführt das Publikum in die Welt der RichterInnen, StaatsanwältInnen und VerteidigerInnen. Eine abgebrannte Scheune und ein Angeklagter, der seine Unschuld beteuert – alles klingt zunächst nach einem Routinefall für Richterin Barbara Saal-Esch, gespielt von Silvia Pape. Wegen eines Regierungsexperimentes landet sie jedoch dieses Mal im beschaulichen Neu Sankt Jürgen, wo der Fall prompt auf Plattdeutsch verhandelt wird. Nach und nach kommt die Richterin nicht nur hinter die Lösung des Falles, es sind die Fassaden der scheinbar unschuldigen DorfbewohnerInnen, die immer weiter bröckeln, sodass am Ende auch die kleinste Sünde ans Licht kommt. Ob es die umtriebige Wirtshausbedienung, ein zwielichtiger Versicherungsagent oder aber der pflichtbewusste Staatsanwalt selbst ist – wirklich jeder trägt ein Geheimnis mit sich.

Nicht nur die wortgewandten Dialoge und schlagfertigen Interaktionen zwischen den Charakteren sorgen während der Vorstellung für zahlreiche Lacher bei den Zuschauenden. Vor allem der Unterschied zwischen den eitlen Stadtmenschen und der einfachen Landbevölkerung ist es, der den besonderen Charme des Spieles ausmacht. Wo sich Staatsanwalt Rigobert Roos (Rainer Krentzel) erst noch abfällig über das „primitive Landvolk“ äußert, wird schnell klar, dass er es bei der Bezahlung in Uschi Willigs (Susanne Wendelken) Dorfkneipe selbst nicht immer ganz so genau nimmt. Dass die Wirtin neben ihrer eigentlichen Arbeit, gemeinsam mit der Auszubildenden Rose Meier (Sonja Hollmann), einen Prostitutionsring in der abgebrannten Scheune betreibt, ist hingegen nur eine von zahlreichen Überraschungen, die dem Stück immer wieder eine neue Wendung verleihen.

Voller Inbrunst verkörpern die Darstelleri:nnen ihre Rollen bis zum Schluss und sorgen damit für viel Begeisterung bei Jung und Alt, sodass die Zuschauer:innen auch während der zwei Pausen ausschließlich lobende Worte für die einmalige Darbietung finden. Ein fantastisches Resümee für die beiden Regisseurinnen des Stückes, Edeltraut Becker und Sonja Hollmann, die selbst mit auf der Bühne stehen.

 

Liebevolles Spiel mit Klischees

 

Becker und ihr Mitspieler Heiner Kück zeigen in ihren Rollen als Putzfrau Bruni Börner und Gerichtsdiener Alfons Brand besonders eindrucksvoll, dass es doch meist die gutmütigen Menschen sind, denen man sich am liebsten anvertraut. Ihre Auftritte bilden einerseits das Bindeglied zwischen verschiedenen Szenen, entlocken den Dorfbewohner:innen aber vor allem die Geheimnisse, die sie im Gerichtssaal bewusst zurückhalten. Becker und Kück glänzen dabei nicht nur durch ihre Nahbarkeit und werden damit zu unverwechselbaren Identifikationsfiguren – sie schaffen eine Wohlfühlatmosphäre, in der mit den zahlreichen Klischees des dörflichen Lebens humorvoll gespielt wird. So ist es am Ende vielleicht gar nicht die Gerichtsverhandlung, sondern der alltägliche Dorftratsch, der zur Lösung des Falles führt.

Über das gesamte Stück zeigt sich, wie viel Freude und Enthusiasmus das Ensemble bei der Inszenierung des heiteren Verwirrspiels, das den Zuschauer:innen noch lange im Gedächtnis bleiben wird, an den Tag legen. Neben ihrer authentischen Sprache, überzeugen dabei vor allem Gestik und Mimik der AkteurInnen – hin und wieder wenden sie sich damit auch direkt ans Publikum, sodass man bei der Verhandlung im Gerichtssaal immer hautnah dabei ist. Belohnt wird die schauspielerische Leistung am Ende des Abends deshalb mit einem tosenden Applaus von allen Besucher:innen.

 

Tatkräftiges Ensemble

 

Das verdiente Lob gilt aber nicht nur den Schauspieler:innen auf der Bühne, sondern auch allen tatkräftigen Helfer:innen im Hintergrund. Für ein überzeugendes Bühnenbild sorgen Jürgen Bohling, Manfred Christgau, Fabian Debus, Wolfgang von Oehsen, Horst Treptow und Harmut Wichels, die ebenfalls für die Technik verantwortlich sind. In der Maske kümmern sich Heike Brinkwirth, Thea Stelljes und Tatjana Wichels um das Aussehen der DarstellerInnen. Gabi Monsees unterstützt als Souffleuse aus dem Off. Für den Kartenverkauf sind Schauspielerin Susanne Wendelken und Irmtraud Christgau zuständig. Zweitere betreut, gemeinsam mit Heike Gefken sowie Marion Wichels, zudem Einlass und Kasse am Abend der Aufführung.

Wer sich selbst vom packenden Stück überzeugen möchte, hat dafür noch bis Ende April Zeit. Weitere Aufführungen um 19.30 Uhr stehen am Gründonnerstag, dem 06.04, sowie am 15., 16. und 23.04. auf dem Programm. Geplant sind außerdem zwei Nachmittagsvorstellungen mit Kaffee und Kuchen für den 22. und 29.04., jeweils um 15 Uhr. Spielort ist der Schützenhof Hüttenbusch – Mühlendamm 3 in 27726 Worpswede. Um garantiert einen Platz zu finden, können Karten unter der Nummer 04794-95041 vorbestellt werden.


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