Aus Flucht wird Zuflucht
Die offizielle Eröffnung beginnt um 11 Uhr, anschließend lädt Tandem zum „Tag der Begegnung“ ein. Das Ende der Veranstaltung ist für 16 Uhr geplant.
Vor der offiziellen Eröffnung ist allerdings einiges zu tun. Noch klaffen in dem von der Gesellschaft für soziale Dienste (GESO) kürzlich für diesen Zweck erworbenen Räumlichkeiten mit Garten in der Ritterstraße 21 Löcher in den Wänden, da eine Baufirma das Gebäude auf seine Bausubstanz hin überprüfte.
Foto aus dem Donbass
Als derzeit einzige Dekoration findet sich in dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus, in dessen Obergeschoss Wohnungen für benachteiligte bzw. einkommensschwache Menschen entstehen sollen und in dessen Erdgeschoss das „Ukraine-Team“ seine Arbeit aufnehmen soll, eine aussagekräftige Aufnahme einer hundertjährigen Frau aus dem Donbass. Das Foto stammt von der Berliner Künstlerin Maria Fuchs und war das „Aushängeschild“ der Fotoausstellung „Unbewaffnet - Kontaktlinie / Donbass“, die Ende 2020 im EIGENART-Kunstraum vom Tandem gezeigt wurde. Mit dieser Ausstellung kann man den Verantwortlichen um Andreas von Glahn und Anja Schlesselmann fast schon seherische Fähigkeiten unterstellen. Denn die Fotostrecke behandelte Eindrücke aus Alltagsbegegnungen in der Ostukraine entlang der als „Kontaktlinie“ bezeichneten Gebiete.
Der Begriff umschreibt diplomatisch die Front, an der sich ukrainische und prorussische Truppen bereits seit Jahren gegenüberstehen. Die auf dem Foto porträtierte Ukrainerin ist 1919 in den Bürgerkrieg geboren, überlebte die Hungersnot der 1930er Jahre, die Flucht vor der deutschen Besatzung in den 1940ern, den Donbass-Aufbau während der Sowjetzeit sowie den Zusammenbruch der UdSSR und den Bürgerkrieg seit 2014.
Beratungsstelle auf ein Jahr befristet
Das von der „Aktion Mensch“ geförderte Projekt ist auf ein Jahr befristet. Geleitet wird die Beratungsstelle ab dem 1. Mai von Bettina von Glahn. Sie hat für ihre neue Aufgabe ihre Arbeitsstelle bei der GESO halbiert. Diese Entscheidung trage das ganze Kollegium mit. Das verdeutliche, so Andreas von Glahn, Leiter der GESO und Bettinas Ehemann, was für ein „toller Haufen“ dort arbeite. Eine Arbeitsplatzbeschreibung für die befristete Aufgabe gäbe es nicht. Die Erfahrungen müssen erst gesammelt werden. Priorität sei es jedoch, den Geflüchteten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, um Möglichkeiten zur Hilfe zu koordinieren.
Bettina von Glahn, ursprünglich Heilpädagogin, kennt sich in der sozialen Infrastruktur sowie im Sorgerecht gut aus, und sie ist (nicht nur in Bremervörde) gut vernetzt. Wichtig sei, dass sich nun nicht mehr jede Person individuell durchfragen müsse, sondern es eine gemeinsame Anlaufstelle für Hilfesuchende und Helfende gebe.
Diese neue Anlaufstelle wird zu circa 70 Prozent von der „Aktion Mensch“ finanziert. Als das Team um Bettina und Andreas von Glahn und Tandem-Vorstand Marianne Regenberg auf eine Sonderförderung der Organisation in Höhe von 20 Millionen Euro für unterstützende Angebote für Geflüchtete aus der Ukraine aufmerksam wurde, hat es sehr schnell gehandelt und innerhalb von 24 Stunden einen Antrag formuliert, der bereits nach acht Tagen bewilligt wurde.
Unterstützung erwünscht
Die „fehlenden“ 30 Prozent muss der Tandem-Verein selbst erwirtschaften, d.h. über Spenden generieren. Deshalb freut man sich dort über jegliche finanzielle Unterstützung, die mit dem Vermerk „Kooperations- und Beratungsstelle Ukraine“ auf Konten bei der Volksbank eG Osterholz-Scharmbeck (IBAN: DE75 2916 2394 3009 9331 00) sowie bei der Sparkasse Rotenburg Osterholz (IBAN: DE55 2415 1235 0025 1044 80) geleistet wird.
Freundlich gemeinte Sachspenden helfen in diesem Fall nicht weiter. Wer jedoch persönlich mithelfen würde, den Ukrainerinnen den Start in und um Bremervörde zu erleichtern, darf unter koordination@tandem-brv.de gern Kontakt zu Bettina von Glahn aufnehmen. Die Telefonnummer 04761-9259418 wird hoffentlich ab dem 10. Mai freigeschaltet sein.
Je mehr Ehrenamtliche sich meldeten desto eher könne das Büro zu festen, längeren Bürozeiten besetzt werden. Zunächst, so Andreas von Glahn weiter, müssten jedoch Kompetenzen und Bedarfe ermittelt werden, bevor als zweiter Schritt die Vermittlung organisiert werde.