Arbeit und Achtung
Herr Mohrmann, Sie nehmen an der Kreisvorsitzendenkonferenz der CDU an diesem Wochenende teil. Werden Sie sich für eine stärkere Beteilung der Mitglieder an Entscheidungen über die Parteiführung einsetzen?
Ja, das werde ich. Eine stärkere Beteiligung der Mitglieder ist ein Wunsch sowohl aus unserem Kreisvorstand als auch aus dem Kreisverband Rotenburg der CDU - Mitgliederbeteiligung wird in unserem Kreisverband großgeschrieben. So haben wir bereits unsere Mitglieder beim Bundesparteitag 2021 mit über den neuen Vorsitzenden entscheiden lassen, indem wir sie vorab befragten, wen sie wählen würden. Dabei kam eine große Mehrheit für Friedrich Merz heraus, dem den dann die vier Delegierten unseres Kreisverbandes auf dem Parteitag ihre Stimme gaben. Für diese Vorgehensweise werde ich mich am Wochenende in Berlin starkmachen.
Was soll sich durch die Mitgliederbeteiligung verbessern?
Das Gefühl unter den Mitgliedern, gehört zu werden. Denn viele fühlen sich vom Verfahren her nicht ausreichend mitgenommen, wie man z. B. im Nachgang des Bundesparteitags vernehmen konnte. So kam auch von Mitgliedern aus meinem Kreisverband die Rückmeldung, dass wir das hier zwar gut machten, dass aber die Stimmung unter den Mitgliedern insgesamt nicht im ausreichenden Maße an den Spitzen, insbesondere in Berlin, berücksichtigt würde.
Dann hätte es bestimmt einen anderen Kanzlerkandidaten der Union gegeben. Insofern die Frage: Hätte das Wahldebakel ihres Erachtens mit einer allgemeinen Mitgliederbeteiligung an der Entscheidung über den Kanzlerkandidaten verhindert werden können?
Da muss man erst einmal ganz grundsätzlich erwähnen: Es springt zu kurz, zu sagen, dass die vermasselte Wahl nur an Laschet gelegen habe. Er hat zwar nicht im gewünschten Maße geliefert, das stimmt. Aber es fehlte insgesamt der programmatische Unterbau im Wahlkampf meiner Partei. Man kann es ganz nüchtern festhalten: Die Anforderung, 16 Jahre die Regierungsarbeit pragmatisch zu bewältigen, hat am Ende wenig Platz für Programmatik gelassen. Dann gab es die nicht zu entschuldigenden Vorkommnisse mit den Maskendeals, dazu die Durchstechereien im Findungsprozess des Kanzlerkandidaten - das waren keine Höhepunkte christdemokratischer Kultur. Und das haben die Menschen auch wahrgenommen und uns entsprechend einen Denkzettel verpasst.
Folglich geht es für mich auf der Konferenz gar nicht um Namen, sondern einmal um das Beteiligungsverfahren, aber vor allem auch darum, dass wir schonungslos unsere Fehler aufarbeiten und uns aussprechen, um den Blick gestärkt nach vorn richten zu können: auf die Wahl des Bundesvorsitzes und Bundesvorstandes. Und dabei muss jemand herauskommen, der es versteht, die CDU über jegliches Lagerdenken hinweg zusammenzuführen.
Die fehlende Programmatik spielt auch eine wichtige Rolle beim Thema Erneuerung der CDU. Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union hieß es polemisch: Union = keine Inhalte. Welche Inhalte fehlen?
Für mich ist die CDU nach wie vor die Volkspartei. Und zu einer Volkspartei gehört ein gut erkennbares politisches Angebot. Dazu gehört ein starker sozialer Flügel, eine kluge und zielorientierte Umweltpolitik aber auch eine klare Linie in der Wirtschaftspolitik. Das ist für mich die Definition der bürgerlichen Mitte und im besten Sinne konservativ: dass wir es schaffen, diese verschiedenen Themenschwerpunkte anständig zu bedienen.
Ich bin weit davon entfernt, zu sagen: Lass uns einfach gucken, wie es früher war. Das ist natürlich zu kurz gegriffen. Ich möchte aber durchaus daran erinnern, dass wir seinerzeit mit einem Norbert Blüm einen waschechten Gewerkschafter als Sozialpolitiker, mit Klaus Töpfer einen progressiven Umweltpolitiker dabei hatten. So hatten aber auch versierte Wirtschaftspolitiker und Konservative ihren Platz in einer CDU. Dieses breite Angebot machen zu können, dafür sollten wir uns einsetzen.
Aber wodurch unterscheidet sich dieses breite Angebot von der Volkspartei SPD? Oder anders: Was soll konservativ auf der Höhe der Zeit inhaltlich heißen? Machen sie es mal konkret.
Es ist mir wichtig, dass die CDU ein starkes sozialpolitisches Angebot macht, dafür steht auch die CDA (chrislich demokratische Arbeitnehmerschaft) als Gliederung der CDU. Aber die CDU tritt halt auch - wie ich im Landkreis Rotenburg - für den Mittelstand ein, der eine starke Säule im ländlichen Raum ist. Dafür muss die CDU eine klar definierte, ordnungspolitisch saubere Wirtschaftspolitik machen und so etwas wie Bürokratieabbau und Digitalisierung einleiten, also jene Prozesse, die bei uns zu kurz gekommen sind. Auch in der Agrarpolitik müssen wir deutlich erkennbare Angebote machen. Viele Landwirte fühlten sich von der CDU auf Bundesebene leider nicht mehr so gut vertreten, wie sie es früher gewohnt waren.
Und wie kam es dazu?
Mir scheint - so mein Eindruck - dass die CDU die Kompromisse mit dem Koalitionspartner immer schon vorweggenommen hat. Umso deutlicher müssen wir jetzt unsere eigenen Standpunkte nach vorne bringen und nach außen vertreten.
Das wären welche?
Wir müssen - z. B. bei Umwelt - und Klimapolitik - progressiv für Technologieoffenheit stehen. Wir müssen dafür stehen, dass wir die Menschen, die Arbeitsplätze bieten, in die Lage versetzen, dass sie innovative Technik auch zur Anwendung bringen können.
Dass die CDU die Themen bearbeiten muss, die sie etwas vernachlässigt hat, ist für die Partei sicherlich wichtig. Aber welche Idee steckt hinter dem Begriff konservativ genau? Was will die CDU als konservative Partei - um es buchstäblich auszudrücken - bewahren?
Das kann ich ganz konkret an der Arbeit für unsere Landkreise, sei es nun Rotenburg oder Osterholz, wo wir viel Mittelstand haben, festmachen. Diese Unternehmen sorgen durch ihre Tätigkeit dafür, dass die Menschen in der Lage sind, sich anständig zu ernähren. Und wir als CDU stehen dafür, dass wir - während wir klimapolitische Ziele verfolgen - immer im Auge behalten, dass die Menschen weiterhin vernünftig in Wohlstand leben können, was heißt, dass wir darauf achten, dass wir Wertschöpfung im ländlichen Raum behalten.
Konservativ heißt daher für mich eine bürgerliche Politik, die die gegenwärtigen Herausforderungen im Blick hat, aber dabei nicht vergisst, dass unser System deswegen funktioniert, weil wir die Menschen in Lohn und Brot haben: weil Wertschöpfung geschaffen werden kann und weil die Menschen täglich zur Arbeit gehen und somit für ihre Familien sorgen können.
Zusätzlich gehört für mich zu einem Begriff des Konservativismus auch, dass wir klare Standpunkte in der Sicherheitspolitik beziehen: dass wir uns klar zur Bundeswehr bekennen - wir haben zwei große Kasernen, eine in Rotenburg, eine in Seedorf. Dazu gehört, dass unsere Streitkräfte vernünftig ausfinanziert werden müssen. Auch müssen wir ein gutes Angebot in der Justizpolitik machen, sprich dafür sorgen, dass wir ausreichend Richter und Staatsanwälte haben, die auch Fälle abarbeiten können. Aber auch eine starke Polizei, sodass das Sicherheitsempfinden der Menschen verbessert wird.
Konservativ heißt nicht: Alles bleibt, wie es ist. Konservativ heißt: Wir gehen frisch und fröhlich die Aufgaben ran, die anliegen.
Der Konservativismus ihrer Partei besteht also in einem Sicherheitsangebot für die Menschen: Sie wollen - flankiert von funktionierender Außenpolitik, starker Polizei und Justiz - dafür sorgen, dass sich Arbeit und Fleiß für die Menschen auszahlen.
Genau. Und dadurch schaffen wir auch die Möglichkeit den Menschen zu helfen, die es vielleicht aus eigener Kraft nicht können. Also z. B. mit funktionierenden Pflegediensten und medizinischer Versorgung. Das ist aber alles nur möglich - und das ist der gemeinsame Nenner -, wenn wir vernünftig Geld verdienen können.
Und welche Rolle spielt das christliche Menschenbild in Ihrem Konservativismus?
Dass wir bei allem Vorwärtsstreben und bei aller Technologieoffenheit am Ende den Menschen nicht vergessen; dass wir stets auf unsere Mitmenschen achten. Und das ist auch das, was uns als CDU auszeichnet.
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, Herr Mohrmann.
Sehr gerne.