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Berit Bentert

Empowerment durch Sexarbeit?

Zum 8. März beleuchtet Berit Bentert den Streit im Feminismus über Prostitution und fordert eine gesellschaftskritische Perspektive auf den Streitgegenstand ein

Gegen das Patriarchat und Sexismus. Wozu Prostitution zählt - darüber streiten Feministinnen seit den 70er Jahren.

Gegen das Patriarchat und Sexismus. Wozu Prostitution zählt - darüber streiten Feministinnen seit den 70er Jahren.

Bild: Unai Huizi

Der bevorstehende internationale Frauentag am 8. März dient als jährliche Erinnerung an den fortwährenden Kampf für die Rechte von Frauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter weltweit. Ein Thema, das allerdings anhaltend für Streit im Feminismus sorgt, ist die Prostitution oder auch Sexarbeit genannt.

Die Thematik spaltet nicht nur Feministinnen und führt zu Ausschlüssen aus politischen Gruppen oder Bündnissen, eine sachliche Diskussion und das Aushalten von Widersprüchen scheint oft unmöglich. Das hat auch zur Folge, dass eine ernsthafte inhaltliche Beschäftigung mit Ursachen und Strukturen der Sexindustrie insbesondere für jüngere Feministinnen gänzlich nicht stattfinden kann. Auch die Einführung einer antipatriarchalen und gesellschaftskritischen Perspektive in den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Prostitution kann so nicht stattfinden und das, obwohl so viele Frauen unter den Auswirkungen der Sexindustrie leiden.

 

Sex-positiv vs. sex-negativ

 

Die feministische Debatte lässt sich bis in die späten 1970er und frühen 1980er Jahren zurückverfolgen, als mit den sogenannten Feminist Sex Wars ein Wendepunkt in der feministischen Bewegung erreicht wurde, nachdem sich zwei gegensätzliche Positionen zu Sexualität, Pornografie und Prostitution gegenüberstanden. Es folgte eine Abspaltung in sogenannte sex-positive und sex-negative Feministinnen. Letztere lehnten Prostitution als Manifestation einer patriarchalen und kapitalistischen Gesellschaft ab. Die sex-positiven Vertreterinnen hingegen argumentierten, dass die selbstbestimmte Auslegung von Prostitution und Pornografie die an ihnen haftende patriarchale Dimension entziehen könnte. Seitdem gibt vor allem der sex-positive Feminismus den Ton an, der auch in den späteren Dritte-Welle-Feminismus und den heute dominierenden Queerfeminismus überging.

 

Empowerment durch Sexarbeit

 

Der unter Befürworterinnen vorherrschende Begriff der Sexarbeit soll darauf hinweisen, dass es sich um einen Beruf wie jeden anderen handelt und dieser demzufolge vollständig legalisiert gehört. Das Stigma der Sexarbeit müsse bekämpft werden, womit auch die dort stattfindende Gewalt verschwinden würde. Manche gehen sogar so weit und sehen in der Sexarbeit eine Verwirklichung selbstbestimmter Sexualität der Frau und demzufolge eine Form des Empowerments, auch für besonders marginalisierte soziale Gruppen wie Transpersonen.

Feministische Prostitutionskritikerinnen hingegen, die sich aus materialistischen, ideologiekritischen und radikalfeministischen Strömungen zusammensetzen, erkennen hier allerdings eine Verschleierung der Realitäten der sexuellen Ausbeutung und Gewalt in der Prostitution. Strukturelle Ursachen wie Armut, die Frauen in die Prostitution treiben, würden ignoriert. Stattdessen würde sich hauptsächlich auf individuelle Entscheidungen einiger weniger, meist privilegierterer Frauen und oftmals aus der Mittelschicht konzentriert werden. Die Geschlechterverhältnisse in der Prostitution werden kaum thematisiert, eine überwältigende Mehrheit der Prostituierten sind Frauen und die Freier Männer - ein Umstand, der jede Feministin aufhorchen lassen sollte.

 

Die Rolle des Freiers

 

Besonders die Profiteure der Sexindustrie, allen voran die Freier und Zuhälter werden von Seiten liberalfeministischer und queerfeministischer Feministinnen in der Debatte um Prostitution kaum in den Blick genommen, oft auch relativierend als „Kund_innen“ bezeichnet. Gerne wird auch das Argument bedient, dass besonders Männer mit Behinderung ohne Sexkauf ansonsten keinerlei Chancen auf ein Sexualleben hätten, was nicht nur zutiefst misogyn ist, sondern auch behindertenfeindlich.

Es ist notwendig die Rolle des Freiers näher zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen. Der Fakt, dass in Deutschland mehr als eine Millionen Männer jährlich Prostituierte in Bordellen oder dem Straßenstrich aufsuchen, bedarf einer feministischen und gesellschaftskritischen Perspektive. Sie muss danach fragen, welche gesellschaftliche Struktur in der Prostitution reproduziert wird und wie es sich auf jede Frau auswirkt, wenn vorwiegend Männer weibliche Sexualität als Ware konsumieren. Auch muss die Frage erörtert werden, weshalb männliche Lustbefriedigung vor weiblicher steht und ob Zustimmung zum Sex tatsächlich erkauft werden kann. Der Mann kann sich hierbei allein auf seine Bedürfnisbefriedigung konzentrieren, während er die der Frau ignorieren kann.

Eine gesellschaftskritische Perspektive im Feminismus, die zugleich antipatriarchal ist, muss Prostitution nicht nur als individuelles Problem, sondern als allumfassendes gesamtgesellschaftliches Phänomen begreifen, das strukturelle Ungleichheiten und soziale Ungerechtigkeiten widerspiegelt. Sie fordert nicht nur die Abschaffung der Prostitution, sondern auch die Schaffung von alternativen Möglichkeiten für Frauen, ihre Lebensumstände zu verbessern.

In einer Welt, in der Frauen nicht gezwungen sind, ihren Körper zu verkaufen, um zu überleben und Männer nicht wie selbstverständlich das Recht auf Sex einklagen können, kann erst wahrhaftige Gleichberechtigung und Gerechtigkeit erreicht werden. Der internationale Frauentag am 8. März sollte dazu ermutigen, nicht nur für die Rechte von Frauen zu kämpfen, sondern auch für eine Welt ohne Prostitution, in der alle Menschen ohne Angst frei und verschieden sein können.


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