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Amelie Nobel

„Stich ins Leben“

Ein Lilienthaler und ein Thriller-Autor veröffentlichen gemeinsames Buch über eine traumatisches Erlebnis.

Marcel Riepegerste (li.) und Andre Müller-Jekosch mit ihrem gemeinsamen Buch: Stich ins Leben.

Marcel Riepegerste (li.) und Andre Müller-Jekosch mit ihrem gemeinsamen Buch: Stich ins Leben.

Der Lilienthaler Andre Müller-Jekosch wurde bei seiner Arbeit als Pfleger in einer forensischen Klinik von einem Patienten mit einem Messer angegriffen. Mit dem Thriller Autoren Marcel Riepegerste hat er ein Buch darüber geschrieben, das sie in Murkens Hof vorstellten.

Es passiert im April 2006. In einer forensischen Klinik wird ein neuer Patient aufgenommen. Soweit kein ungewöhnlicher Vorgang, doch was keiner ahnt: Der Patient ist mit einem Messer bewaffnet und gewillt, zu töten. Und er sticht zu. Zwei Pfleger werden schwer verletzt und überleben nur dank Notoperationen.

Für den Lilienthaler Andre Müller-Jekosch wird diese Geschichte unvergessen bleiben, denn es ist seine eigene. Über 15 Jahre später hat er seine Geschichte nun gemeinsam mit dem Thrillerautoren Marcel Riepegerste aufgeschrieben. Das Buch, das als Crime-Drama eine Mischung aus biografischer Erzählung, einem wahren Kriminalfall und dem Drama eines verzweifelten Lebens ist, wurde Ende Januar unter dem Titel „Stich ins Leben“ veröffentlicht.

Am Freitag, 24. Februar, haben die beiden das erste Mal gemeinsam aus dem Buch in Murkens Hof gelesen. Besonders hervorzuheben ist hier, dass bei der Lesung auch viele Menschen anwesend gewesen sind, die einen persönlichen Bezug zu dem Vorfall und der Arbeit in der Forensik haben.

 

Schweres Trauma

 

Nach dem Angriff glaubt Andre Müller-Jekosch zunächst, dass er keine psychischen Schäden davongetragen hat. Er arbeitet weiter in der Psychiatrie und verspürt bis heute keinen Hass auf den Täter. Heute arbeitet er selbst als erfolgreicher Coach und Berater in beruflichen Grenzbereichen wie Psychiatrien oder Hospizen und gibt seine Erfahrungen weiter. Es braucht einige Zeit, bis er sich eingestehen kann, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Ich habe die Zeitung aufgeschlagen und überall das Wort Messer gelesen, erinnert sich Müller-Jekosch, der lange an Angst und Panikattacken litt, sein Trauma aber heute gut bewältigt hat.

 

Ein besonderes Duo

 

Bereits 2010 verspürt Müller-Jekosch den Wunsch, seine Geschichte aufzuschreiben, doch weiter als zehn Seiten kommt er nicht. In der Corona-Zeit flammt die Idee wieder auf, als er mit einer ihm bekannten Autorin spricht. Diese vermittelt Andre-Müller-Jekosch an den Thrillerautoren Marcel Riepegerste weiter, der besonders gut zu dem Buchprojekt passt. Denn Marcel Riepegerste arbeitet jahrelang als Sozialarbeiter und Sozialpädagoge sowie Bezugstherapeut in einer Forensischen Psychiatrie und kennt daher die Arbeit in der Forensik gut.

Im letzten Sommer schließlich ruft Marcel Riepegerste Andre Müller-Jekosch an und bietet ihm an, seine Geschichte gemeinsam aufzuschreiben. Seit dem Anruf haben die beiden fast täglich telefonisch und virtuell Kontakt, gesehen haben sie sich einen Tag vor der Lesung das erste Mal. Entstanden ist das Buch mit der Hilfe von vielen langen Sprachnachrichten, in denen Müller-Jekosch seine Geschichte erzählt. Die beiden haben gerne zusammengearbeitet, trotzdem habe es auch Konflikte gegeben, da beide sehr starke Persönlichkeiten mit einem Hang zum Perfektionismus seien, so Riepegerste.

Nicht mal ein Jahr brauchen die beiden für die Fertigstellung eines besonderes Buches, das aus zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird.

 

Die eigene Wahrheit

 

Das Buch besteht aus zwei unterschiedlichen Erzählsträngen. Neben Andres Perspektive, die biografisch in der Ich-Form geschrieben ist, schreiben beide noch aus der Sicht des Täters in der 3. Person. Wichtig ist es den beiden, jeden Menschen als Menschen darzustellen und dem Täter gerecht zu werden. Beide Stränge sind hoch emotional, während Andres Teil von emotionalem Erleben geprägt ist, sind die Auszüge aus der Sicht des Täters, der im Buch den Namen Niels trägt, spannungsgeladen und zeugen von der inneren Zerrissenheit und Verzweiflung des Täters. So gelingt es, den psychisch kranken Menschen hinter der Tat zu sehen.

Ein wichtiges Thema bei der Recherche für das Buch sind auch Persönlichkeitsrechte gewesen. Deshalb haben sie viele Namen verändert und keine Orte genannt, so Müller-Jekosch. Obwohl das Buch einige fiktionale Anteile hat, ist vieles wirklich so passiert, wie es im Buch beschrieben wird. Es ist jedoch eine schwere Aufgabe, an die sich Marcel und Andre herangetraut haben, denn die eine Wahrheit gebe es wohl nicht. „Wir kennen natürlich Andres Wahrheit, aber jeder hat seine eigene Wahrheit und den Vorfall anders wahrgenommen“, so Riepegerste.

 

Betroffenen helfen

 

Das Buch spricht auf seinen etwas mehr als 200 Seiten viele sensible Themen wie Drogenmissbrauch, Depression, Trauma und Gewalt an und ist daher nicht für jeden zu jedem Zeitpunkt geeignet. Die ersten Rezensionen zeigen jedoch, dass das Buch vielen Betroffenen geholfen hat, so Andre Müller-Jekosch. Für ihn selbst gehe mit dem Buch eine Reise zu Ende. Es sei aufwühlend gewesen das Buch zu schreiben, aber mit der Fertigstellung sei es ihm gelungen das Thema einfach nur zu betrachten. Heute ist das Trauma gut bewältigt, trotzdem sei es manchmal emotional schwierig gewesen, sich mit den Ereignissen zu konfrontieren. Und viel Mut erfordert es auch, denn Andre Müller-Jekosch gibt intime Einblicke und schreibt ehrlich über seine Drogenabhängigkeit und sein Trauma.

Eins wird jedenfalls bei der Lesung deutlich: Mit dem Buch wollen die beiden nicht nur Andres persönliche Geschichte teilen, sondern auch möglichst vielen Menschen helfen, die Ähnliches erlebt haben. Und emotional berühren und inspirieren wird es wohl viele, denn vor allem der Glaube und der Wille auch in schwierigen Situationen weiterzumachen, ist beeindruckend.


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