

Niedersachsen. Die norddeutsche Wirtschaft stellt sich strategisch neu auf: Beim Jahrestreffen des Unternehmerkuratoriums Nord am 16. Juni in Hamburg haben führende Wirtschaftsvertreter eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, die weitreichende Forderungen an Politik und Verwaltung formuliert. Im Zentrum des Forderungskatalogs steht der Ausbau einer „leistungs- und verteidigungsfähigen Infrastruktur“ in Norddeutschland. Militärtaugliche Häfen, Straßen- und Schienenwege sowie Brücken müssten laut Erklärung nach dem Vorbild des schnellen LNG-Terminal-Baus in „Deutschland-Geschwindigkeit“ realisiert werden. Als Grundlage wird auf die sogenannte „Ahrensburger Liste“ verwiesen – ein Verzeichnis priorisierter Infrastrukturprojekte im Norden. Mit dem neu geschaffenen Sondervermögen Infrastruktur sei die Finanzierung gesichert, nun sei die Politik in der Pflicht, die Umsetzung zu beschleunigen.
Schwachstellen der Sicherheitsinfrastruktur
Die Erklärung benennt konkrete Schwachstellen in der sicherheitsrelevanten Infrastruktur. Angesichts jüngster Drohnensichtungen und Sabotageakte wie dem Kabeldiebstahl in der Ostsee fordern die Unternehmen ein klar geregeltes Schutzkonzept, das auch den Gesundheitssektor umfasst. In Frage kommen laut Erklärung neue Strukturen wie eine Küstenwache, um den Ostseeraum besser abzusichern. Die derzeitige Gesetzeslage sei zersplittert und müsse zu einem kohärenten Sicherheitsrahmen zusammengeführt werden.
Rüstungsindustrie als Standortchance
Mit Blick auf die steigende Nachfrage nach Rüstungsgütern bekennt sich die norddeutsche Wirtschaft offen zur Verteidigungsindustrie. Neben Investitionsanreizen und fairen Kreditbedingungen für Rüstungsunternehmen fordern die Unterzeichner auch eine enge Verknüpfung ziviler und militärischer Forschung.
Hochschulen sollten sich laut Erklärung nicht länger durch sogenannte Zivilklauseln von wehrtechnischer Forschung ausschließen. Diese behinderten „notwendige verteidigungsrelevante Forschung“ und müssten „vollumfänglich und schnellstmöglich abgeschafft“ werden.
Zudem solle die Sozialforschung weitaus stärker zur Schaffung eines „mehrheitlich geteilten Sicherheitsbewusstseins“ beitragen.
Wirtschaft und Bundeswehr
Der zunehmende Fachkräftemangel betrifft Bundeswehr und Wirtschaft gleichermaßen. Anstelle gegenseitiger Konkurrenz setzen die norddeutschen Unternehmer auf einen „partnerschaftlichen Dialog“, um Bedarfe abzustimmen. Ziel sei es, Personalengpässe nicht durch Kannibalisierung zu lösen, sondern gemeinsame Modelle zu entwickeln.
Die Erklärung unterstreicht die Bereitschaft der Unternehmen, in Geheimschutz, Cybersicherheit und Produktionsresilienz zu investieren. Dafür brauche es aber Planungssicherheit, weniger Bürokratie und eine Kultur des Vertrauens zwischen Staat und Wirtschaft. Letztere sollen über Kammern und Verbände als strategische Partner in sicherheitspolitische Prozesse eingebunden werden – mit regelmäßigem Austausch etwa über ein institutionalisiertes Sicherheitsdialogformat.