Janine Girth

Vortrag beim Loccumer Kreis Leyla Imret: Von der Bürgermeisterin zur Migrantin

Osterholz-Scharmbeck. Mit Leyla Imret konnten die Organisatoren des Loccumer Kreises in der vergangenen Woche einen Gast präsentieren, der zurzeit bundesweites Medien-Interesse erregt.

Zehn Minuten vor Beginn der Veranstaltung ist das Gemeindehaus der Kirchengemeinde St. Willehadi bereits bis auf den letzten Platz gefüllt, aber die Gäste müssen noch auf die Vortragende warten. Leyla Imrets Zug aus Straßburg, wo sie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte berichtet hat, kommt erst mit Verspätung in Bremen an.
Die 30-jährige Kurdin, die unlängst mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet wurde, hat eine beeindruckende Biographie vorzuweisen. Im Alter von fünf Jahren zog sie von ihrem Geburtsort Cizre nach Deutschland, wo sie in Osterholz-Scharmbeck aufwuchs. Im Alter von 26 Jahren kehrt sie in die türkische Großstadt an der türkisch-syrischen Grenze zurück. „Osterholz-Scharmbeck ist meine zweite Heimat“, erklärt sie dem Publikum. „Aber Cizre ist mein Zuhause, ich habe eine starke Bindung zu der Stadt und den Menschen.“ Imret, die in Osterholz-Scharmbeck als Friseurin gearbeitet hat, strebt in Cizre eine politische Karriere an, und wird 2014 tatsächlich mit großer Mehrheit für fünf Jahre zur Bürgermeisterin gewählt. Sie bekleidet das Amt allerdings nur für eineinhalb Jahre, weil die türkische Zentralregierung ihr das Amt wegen terroristischer Propaganda aberkennt. Imret wird verhaftet, wieder freigelassen und flieht schließlich zurück nach Osterholz-Scharmbeck, da sie in der Türkei um ihr Leben fürchtet.
Während ihres Vortrags läuft im Hintergrund ein Dokumentarfilm. Imret wird im Kreis ihrer Familie und bei Gesprächen während des Wahlkampfes gezeigt, andere Einstellungen zeigen Straßen-Szenen während des Ausnahmezustandes in Cizre. Imret berichtet über eine 80-tägige Ausgangssperre, dem Druck der Zentralregierung und den Repressalien gegen die Bevölkerung der Stadt bis hin zu Ermordungen von Erwachsenen und Kindern.
Nach ihrem etwa einstündigen Vortrag erhält Leyla Imret den Applaus eines Publikums, das auf dem Heimweg noch unter dem Eindruck der geschilderten Vorkommnisse in Cizre gestanden haben dürfte.


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