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Moritz Strickert

Transgender Day of Remembrance

Weltweit sind transidente Menschen von Gewalt und Diskriminierung betroffen. Heute, am 20. November, wird derer gedacht, die im vorherigen Jahr getötet wurden.
 
Auf dem Weg zur freien Selbstbestimmung von trans*Personen ist noch einiges zu tun.  Bild: Adobestock/ink drop

Auf dem Weg zur freien Selbstbestimmung von trans*Personen ist noch einiges zu tun. Bild: Adobestock/ink drop

Jedes Jahr wird am 20. November weltweit der Transgender Day of Remembrance begangen. An diesem Tag wird der trans*Personen gedacht, die im vorherigen Jahr getötet wurden. 350 waren es 2019. Aber auch abseits tödlicher Gewalt erfahren transidente Menschen täglich Transfeindlichkeit.
Die Sichtbarkeit von trans*Personen, auch transidente Menschen genannt, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, sei es durch mediale Darstellung in Fernsehserien, medienwirksame Outings oder politische Reformen. Trotz dieser Erfolge sind viele trans*Personen, also Menschen, die sich nicht mit der bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlechtsidentität identifizieren, weiterhin von Ausgrenzung betroffen.
 
Transgender Day of Remembrance
 
Seit über zwanzig Jahren wird jährlich am 20. November weltweit der Transgender Day of Remembrance begangen, der anlässlich der Ermordung der trans*Frau Rita Hester im US-amerikanischen Massachusetts initiiert wurde. Er erinnert an die Menschen, die im vergangenen Jahr aus transfeindlichen Motiven ermordet worden sind.
Gleichzeitig soll Aufmerksamkeit für die anhaltende Diskriminierung und Gewalt, der trans*Personen im Alltag noch immer ausgesetzt sind, geschaffen werden. Das Forschungsprojekt Trans Murder Monitoring sammelt systematisch Berichte über Tötungsdelikte an transidenten Menschen weltweit und registrierte im letzten Jahr insgesamt 350 Ermordete, insbesondere nichtweiße trans*Frauen. Da die Daten in den meisten Ländern nicht systematisch erhoben werden und Familien, Behörden und Medien Betroffene oft - absichtlich oder unabsichtlich - nicht als trans* bezeichnen und einem falschen Geschlecht zuordnen, ist es nicht möglich, die tatsächliche Fallzahl zu schätzen.
 
Problem Transfeindlichkeit
 
Die Transfeindlichkeit liegt vielfach darin begründet, dass die Betroffenen gesellschaftlichen Erwartungen an die eigene Geschlechtlichkeit nicht entsprechen und sie gegen vermeintlich biologische Tatsachen handelten. Die Ablehnung von transidenten Menschen beschränkt sich nicht nur auf zwischenmenschliche Beleidigungen und körperliche Gewalt, sondern umfasst mitunter eingeschränkte oder gar verweigerte medizinische Versorgung wie die Hormontherapie, Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes.
 
Diskriminierung in Osteuropa
 
Blickt man auf die von rechten Parteien regierten Länder Polen und Ungarn findet man dort ebenfalls institutionalisierte Transfeindlichkeit, vielfach unter Bezugnahme auf die Verteidigung einer nationalen Identität, der traditionellen Familie und angeblicher natürlicher Schöpfung.
Im Frühjahr letzten Jahres erließen zahlreiche polnische Regionen Beschlüsse, in denen sie sich unter anderem dazu verpflichteten, gegen Sexualaufklärung und „Homo-Propaganda“ in Schulen vorzugehen oder bezeichneten sich selbst als „LGBT-freie Zonen“.
In Ungarn wurde Anfang des Jahres ein transfeindliches Gesetz eingeführt und derzeit wird darüber diskutiert, dieses in die Verfassung aufzunehmen. Es sieht vor, dass die Geschlechtsidentität von trans*Personen rechtlich nicht mehr anerkannt und Änderungen des Vornamens nicht mehr möglich sind. Der Personenstand macht sich demnach ausschließlich am bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht fest. Ähnlich wie in Bezug auf Homosexualität wird ressentimentgeladen und faktenbefreit propagiert, dass Homosexuelle und trans*Menschen, Kinder und Jugendliche für ihre Agenda, beispielsweise über Schulprogramme zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt, rekrutieren wollen und man diese davor schützen müsse.
 
Reform des Transsexuellengesetzes
 
Auch in Deutschland ist die Debatte um eine (rechtliche) Anerkennung der geschlechtlichen Selbstbestimmung von trans*Personen noch lange nicht abgeschlossen. Seit einiger Zeit wird hart über die Abschaffung des seit 1980 existenten Transsexuellengesetzes gestritten, das der Selbstbestimmung von trans*Personen im Wege steht. Dieses sieht vor, dass Menschen, die ihren Namen und den Personenstand offiziell ändern wollen, zwei Sachverständigengutachten benötigen, was einen zeit- und kostenintensiven Prozess darstellt. Noch bis 2008 zwang das Gesetz Personen, die eine Geschlechtsanpassung vornehmen wollten, sich scheiden zu lassen. Bis 2011 mussten trans*Menschen sich bei einer gewünschten Personenstandsänderung zwangsweise sterilisieren lassen.
Kritiker*innen wie z. B. von trans*NET OHZ sehen im nach wie vor bestehendem „Begutachtungszwang“ einen Verstoß gegen die Grundrechte und setzen sich für ein Selbstbestimmungsgesetz ein. Über Entwürfe von den Grünen und FDP für ein Selbstbestimmungsgesetz wurde Anfang November im Innenausschuss des Bundestags diskutiert. Vorgesehen ist in beiden Entwürfen nicht nur, trans- und intergeschlechtliche Kinder vor medizinisch unnötigen Eingriffen zu schützen, sondern eine Erleichterung der Änderung des Vornamens.
Während die überwiegende Zahl von Sachverständigen den Bedarf eines Selbstbestimmungsgesetzes betonte, kam u. a. Kritik von Beatrix von Storch (AfD).
Diese unvollständige Übersicht zeigt: Es bleibt noch einiges zu tun.
 


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