Realität als Wahnsinn
Lilienthal. „Das Publikum soll bei dem Stück nicht lachen wollen, sondern lachen müssen“, sagt Regisseur Felix Sommer. Komik entstehe durch Überforderung des Gehirns – und genau diese will Sommer mit seinem Ensemble erzeugen.
Triste Kulisse mit doppeltem Boden
Die Handlung spielt in einer Nervenheilanstalt – oder, wie Sommer anmerkt, „in einem Irrenhaus“. Bühnenbildner Gianni Brontesi hat die einst bunten Kulissen des Familienstücks „Der Zauberer von Oz“ in ein klinisches, detailverliebtes Krankenzimmer verwandelt – realitätsnah, trist, und doch vieldeutig.
In dieser Kulisse begegnen sich drei Männer, die sich als Wissenschaftler ausgeben: Newton, Einstein und Möbius. Während Möbius tatsächlich Physiker ist und eine Weltformel entdeckt hat, sind Newton und Einstein in Wahrheit Geheimagenten, die genau an diese Formel herankommen wollen – im Auftrag konkurrierender Dienste.
Die Situation eskaliert, als sich die Pflegerinnen in die Männer verlieben. Um ihre Tarnung zu wahren, töten die Agenten ihre Pflegerinnen – eine makabre Wendung, die dennoch skurrile Komik trägt. Ein schräger Kommissar, gespielt von Matthias Ziekesch, nimmt die Ermittlungen auf. Doch auch Dr. von Zahnd, die Chefärztin der Anstalt, verfolgt eigene Pläne: Sie will die Formel ebenfalls.
Schauspielerische Präzision
„Das Stück verlangt viel von uns Schauspieler:innen“, erklärt Lennart Baumbach, der Newton spielt. Besonders herausfordernd sei der schnelle Wechsel zwischen Tonlagen: „von drohend zu freundlich, anbiedernd oder verteidigend“. Voraussetzung dafür: perfekter Textsitz. „Wenn man da hängt, geht die Pointe kaputt.“
Auch Regisseur Sommer unterstreicht: „Das Ensemble muss den Text genau so lernen, wie er geschrieben wurde. Dann ergibt der Wahnsinn einen Sinn.“ Für Baumbach ist das Stück eine wertvolle Erfahrung: „So eine Herausforderung ist toll. Ich lerne dabei sehr viel.“
Das Bühnenbild bleibt bewusst schlicht, in Braun- und Grüntönen gehalten. Umso wichtiger sei es, dass die Figuren die Bühne mit Präsenz füllen. Dass das Ensemble dazu in der Lage ist, steht für Sommer außer Frage: „90 Prozent der Komik kommt aus dem Text. Vieles wird ganz von allein absurd und grotesk.“
Ein aktuelles Stück
Eindringlich macht Sommer deutlich, wie aktuell Dürrenmatts Stück heute wieder ist. „Vor zehn Jahren habe ich es schon einmal inszeniert – da war es schwer, es gegenwartsbezogen zu erzählen. Jetzt sind wir wieder in einer Bedrohungslage, die das Stück ohne Aktualisierung lesbar macht. Das hätte damals keiner gedacht.“
„Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt ist eine Komödie in zwei Akten. Die Aufführungsrechte liegen bei Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin | www.felix-bloch-erben.de.

„Nie wieder still – Loud and proud“

Ein Jahrhundert im Einsatz
St. Pauli-Rabauken
