Passion zum Beruf gemacht
Bremervörde/Hamburg. Stephanie Tost ist in Bremervörde aufgewachsen und hat hier 2001 ihr Abitur gemacht. Seit einigen Jahren lebt sie als selbstständige Malerin in Hamburg. „Ich habe mich beruflich eigentlich immer im musischen Bereich gesehen, diverse Instrumente gelernt, Gesangsunterricht genossen und natürlich immer gemalt“, sagt sie.
Kunst oder Kapitalismus?
„Ich hatte aber Angst davor, meine Kreativität dem finanziellen Druck auszusetzen, damit meinen Lebensunterhalt generieren zu müssen“, resümiert die Künstlerin. Im Alter von 19 Jahren hätten sie zudem tief liegende Glaubenssätze wie „brotlose Kunst“ und „Andere sind so viel besser“ verunsichert. Daher tat sich Tost anfangs schwer, beruflich in die künstlerische Richtung zu gehen. „Heute würde ich sagen, ich habe mir damals nicht erlaubt, zu tun, was ich liebe“, so Tost. Stattdessen habe sie eine Ausbildung in einem Bankinstitut begonnen.
Ursprünglich wollte sie mit dem „Kapitalismus“ so wenig wie möglich zu tun haben. Doch dann habe sie bemerkt, wenn sie etwas für sich kategorisch ausschließe, sei sie ebenso engstirnig wie Menschen, wie die sie nie sein wollte. „Nach 21 Jahren in der Bank kann ich sagen, ich habe es versucht, war aber nie spießig genug“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Dennoch habe sie den Kontakt mit den Menschen geliebt und ein großartiges Team gehabt. Doch sie habe sich mittlerweile selbst besser kennengelernt, und wisse sehr genau, was sie nicht wolle. Und so praktisch es war, den Bank-Job zu haben, als ihr Ehemann studierte und das Paar Kinder bekam - eines Tages war ihr klar, dass ein essenzieller Part fehlte: Das kreative Schaffen.
Der Startschuss
Zur Jahresmitte 2019 durfte Stephanie Tost im Möbelhaus Scharbau in Hamburg-Dehnhaide ausstellen. Anschließend habe sie über den Jahreswechsel in einem Café in ihrer Nachbarschaft in Winterhude ausgestellt - ein toller Erfolg. Die nächste Anfrage, in einem Café in Harburg auszustellen, ließ nicht lange auf sich warten. Derweil breitete sich Corona aus. Tost hatte die Arbeitszeit in der Bankfiliale bereits auf 16 Stunden reduziert, parallel im heimischen Esszimmer Bilder gemalt. Als der Lockdown kam und die ganzen Lieblingsmenschen auf einmal auch im Esszimmer arbeiten mussten, war schnell klar, dass Tost fortan einen „eigenen“ Arbeitsplatz benötigte. Das Atelier entstand. „Als ich einer Kollegin davon erzählte, dass ich gekündigt habe, um mich komplett meiner Kunst zu widmen, war sie überhaupt nicht verwundert“, sagt Tost. Sie habe ja schließlich schon immer gemalt. So manche Skizze sei nebenbei am Schalter entstanden. 2018 habe sie zudem begonnen, Tafeln und Papeterie als Dekoration für Geburtstage und Hochzeiten zu gestalten.
Die Herangehensweise
Die Grundvoraussetzung für ihre Auftragsarbeiten sei natürlich, dass den Menschen ihr Stil gefalle. Um das herauszufinden, nimmt Tost sich circa eine Stunde Zeit für ihr Klientel. Und zwar am liebsten dort, wo das Bild am Ende einmal hängen soll. „So erfahre ich direkt, welche Anforderungen der Raum an das Bild stellt. Dann erfrage ich, was die Kunden sich wünschen. Gibt es ein figürliches Wunschmotiv oder soll es ein abstraktes Bild werden?“ Dadurch taste sie sich langsam ans Ziel heran. Stilmittel und erwünschte Farbwelten werden besprochen.
„Bisher war es meistens so, dass meine Kunden gegensätzliche Wünsche für ein Bild hatten. Während sich eine Person abstrakte Elemente wünschte, bevorzugte die andere eine sehr figürliche Darstellung“, erklärt die Malerin. So etwas sei die größte Herausforderung, denn sie müsse beiden, sich anscheinend widersprechenden Wünschen, gerecht werden. Nachdem alle Anregungen aufgenommen wurden, fasst Tost die Wünsche in einem Briefing mit eigenen Worten zusammen und fertigt auf Wunsch eine Skizze oder ein Zwischenbild an. „Der Punkt ist mir wichtig, denn auch wenn alles noch so gut abgesprochen ist, malen sich die Kunden in ihrem Kopf ein Bild“, während sie ihr Motiv male, so die Künstlerin. Ihre Gesprächstermine dienten also hauptsächlich dazu, die Vorstellung der Realität anzugleichen. „Es ist schließlich kein Poster, das man sich aus Dekogründen für eine Saison an die Wand hängt, sondern im besten Fall ein Bild, das sehr persönliche Erinnerungen und Gefühle ausdrückt, für lange Zeit ein Begleiter im Alltag ist und dabei - das ist mein Wunsch - immer wieder Freude spendet“, sagt Stephanie Tost.
Der Moment, wenn die Menschen ihr fertiges Bild erstmals sehen oder wenn sich jemand in ein Bild verliebt habe, sei immer wieder umwerfend, freut sich Tost: „Ich kann es gar nicht in Worte fassen, aber wenn ein Bild, das ich gemalt habe, andere Personen so tief berührt, wie ich es erlebt habe, ist dies mir die allergrößte Bestätigung, die ich für meine Arbeit erhalten kann. Ich bin unendlich dankbar, hier angekommen zu sein und wünsche mir natürlich, dass es weiterhin so gut läuft.“