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Dr. phil Enrico Pfau

Kommentar: Taub für israelische Opfer

Dr. phil. Enrico Pfau erkennt in der möglichen Ausladung Israels vom ESC wegen "zu politischer" Songs eine antizionistische Haltung.

Bild: Michele D'Ottavio

Schon seit Jahren haben Künstler und TV-Sender zum Boykott der Teilnahme von Israel am ESC aufgerufen, besonders als selbiger 2017 in Israel stattfinden sollte. Ende letzten Jahres wurde auf Social Media dazu aufgerufen, Israel wegen des Kriegs in Gaza vom ESC 2024 auszuschließen.

Ein ehemaliger Juror wurde zudem wegen seiner israelischen Staatsbürgerschaft vom Vorentscheid in Estland ausgeschlossen, um angeblich negative Reaktionen zu vermeiden. Nun gibt es eine Diskussion über den Song-Text des israelischen Beitrags „October Rain“ von Eden Golan, der aufgrund seiner angeblich politischen Natur gegen die ESC-Regeln verstoße.

Der Text soll zweifellos in poetischer Form das Leid der Opfer vom 7. Oktober ausdrücken. Dass der daraus ableitbare Aufruf zur Befreiung der Geiseln politischer sein soll als z. B. „Ein bißchen Frieden“ (1982), lässt sich nur mit der weitverbreiteten Haltung gegen Israel und der Verharmlosung oder gar Parteinahme für die Hamas erklären. Auch das israelische Ersatzlied „Dance Forever“ soll angeblich den Kriterien nicht entsprechen.

Die politische Neutralität, die der ESC beansprucht, ist undurchführbar. Er ist gar nicht in der Lage zu unterscheiden, ob etwas an sich politisch oder politisch umstritten ist. Bei letzterem kommt das an sich Politische nur zu Bewusstsein: so bei der Absage an den georgischen Beitrag 2009 und den belarussischen 2021.

Da die Texte aufgrund der ESC-Regeln nicht explizit einen bestimmten politischen Konflikt aussprechen dürfen, sind sie überfrachtet mit Metaphern und Gleichnissen, die erst im Kontext ihre politische Bedeutung entfalten. Ein viel gespieltes Instrument ist daher die Dogwhistle. Sie affirmativ oder kritisch zu erkennen, ist selber politisch. Offensichtlicher schien der Fall beim Ausschluss Russlands 2021 gewesen zu sein. Hier ging es nicht um den Songtext, sondern den Angriffskrieg. Die Entscheidung kann sicherlich so verstanden werden, dass es kein einfaches „weiter so“ geben darf. Diese Deutung beanspruchen gleichermaßen diejenigen, die Israel wegen des Kriegs in Gaza verurteilen.

Dass es nicht einfach so weitergehen kann, denken sich viele Israelis auch. Der israelische Beitrag, der ebenso kein „weiter so“ akzeptieren kann, kollidiert aber mit der Form einer den Zusammenhalt beschwörenden Unterhaltungsshow, durch den sie selbst als einträgliche Veranstaltung immer weitergehen soll.

Wie auch immer mit den Beiträgen umgegangen wird, es ist schon längst ein weiterer Ausdruck eines medialen Kampfes geworden, den Israel eh schon verloren hat. Während über den israelischen Beitrag in Manier der BDS-Bewegung diskutiert wird, werden auf der Berlinale offen Pali-Tücher getragen. Ein Free-Palestine-Beitrag der Hamas beim ESC steht noch aus.

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Der „zu politische“ Text des israelischen Beitrages „October Rain“ lautet in der deutschen Übersetzung aus dem Hebräischen wie folgt:

 

Steh bei mir und sieh in meine Augen

sieh Menschen gehen, doch sagen sie nicht Lebewohl

Jemand hat heute den Mond gestohlen, und das Licht erlosch

Alles ist schwarz-weiß. Wer ist der Dummkopf, der sagt „Jungen weinen nicht“?

Stunde um Stunde und Blumen

Leben ist kein Spiel für Feiglinge

Warum spielt die Zeit verrückt?

Jeden Tag verliere ich den Verstand, während dieses verrückten Rittes

Als wir im Sturm tanzten, hatten wir nichts zu verbergen

Bring mich nach Hause, lass die Welt zurück

Ich verspreche - nie wieder

Ich bin noch nass vom Oktoberregen

Oktoberregen

Leben in einer Fantasie

 Ekstase

Alles ist vorherbestimmt

Wir vergehen, doch die Liebe stirbt nie


UNTERNEHMEN DER REGION