Jörg Fanelli-Falcke tritt als Bürgermeisterkandidat an
„Noch nicht so lange“, antwortet Fanelli-Falcke, Jahrgang 1956, auf die Frage, wie lange er schon Mitglied im Ortsverband der Grünen sei. Das sei auch überhaupt nicht wichtig. „Sehen Sie, ich trage ein rotes Sakko und grüne Socken ... aber ich stehe auf grünen Füßen.“ Die Slogans sitzen. „Damit müssen wir anfangen. Wir erklären die Slogans aber dann auch gerne“, versichert der Kreisstädter.
Jetzt Farbe bekennen
Grün und rot, das seien eigentlich schon immer seine Farben gewesen, sagt Fanelli-Falcke, auch wenn er bisher kein Parteibuch besessen habe. Als Stadtbaurat und später zusätzlich Erster Stadtrat war er parteilos. An unabhängigen Bürgermeister:innen sei auch nichts auszusetzen. „Wenn das Leute zusammenbringt, ist es gut. Ich glaube aber zu diesem Zeitpunkt in dieser Stadt ist es richtig, Farbe zu bekennen.“ Sich klar verorten zu können, das sei auch ein Vorteil des Alters.
„Enkel halten fit“
Abseits der genannten Vorzüge scheint das Alter für Fanelli-Falcke noch keine Rolle zu spielen. „Ich bin ein junger, dynamischer Mensch“, sagt er schmunzelnd, meint es aber durchaus ernst. Die Frage drängt sich auf, wollte der Ex-Baudezernent 2015 doch nicht zur Wiederwahl antreten. Weitere acht Jahre wolle er nicht noch dranhängen, gab er damals bekannt. Heute sagt er, damals sei eine Ära - die des Bürgermeisters Martin Wagener - zu Ende gegangen und er habe eine Pause gebraucht.
Das wiederentdeckte Interesse an den Entwicklungsprozessen in der Stadt - das eigentlich nie weg war; schließlich engagiert sich Fanelli-Falcke aktuell als Campusbotschafter, im Vorstand des Haus am Hang e.V. und im Vorstand des Kirchenkreises - ist unter anderem seinen Enkelkindern zu verdanken. „Die halten einen fit. Und sie sorgen dafür, dass man darüber nachdenkt, was man tut in dieser Welt. Für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder müssen wir lokal handeln“, ist der vierfache Großvater überzeugt.
„Zeiten haben sich geändert“
Überzeugt ist Fanelli-Falcke auch, mit den Grünen die richtigen Partner:innen für dieses Vorhaben gefunden zu haben. Ausschlaggebend sei für ihn das „klare Bekenntnis zur Mitte und zur sozialen Gerechtigkeit“ der Partei gewesen.
Der Ortsverband in der Kreisstadt wiederum freut sich, einen erfahrenen und nachweislich kompetenten Anwärter für das Bürgermeisteramt in seinen Reihen gefunden zu haben und wittert große Chancen bei der Wahl. „Vor sieben Jahren haben wir Torsten Rohde unterstützt, das halte ich rückblickend nach wie vor für die richtige Entscheidung“, berichtet Brigitte Neuner-Krämer, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat. „Aber die Zeiten haben sich geändert.“ Inzwischen sei - unter anderem durch Fridays For Future - in der Gesellschaft angekommen, dass „unsere Art zu leben und zu wirtschaften unsere Lebensgrundlage zerstört“, so Neuner-Krämer. Man wolle „den Auftrag, den die Jugend uns gegeben hat, annehmen“, sagt die Fraktionsvorsitzende.
Mut und Visionen
„Ich kann das“, ist Jörg Fanelli-Falcke sich sicher. Mit grünen Handlungsoptionen könne man die Stadt voranbringen, dazu brauche man aber Mut und Visionen. Und natürlich die Kompetenz, diese in konkrete Maßnahmen zu übersetzen. Damit kennt der 64-jährige sich aus: Sein herausragendes Projekt war und ist das Lernhaus am Campus, das Fanelli-Falcke in der Stadt und Osterholz-Scharmbeck in ganz Europa bekannt gemacht hat.
Nun müsse man den Bürger:innen vermitteln, dass genau diese Handlungsoptionen auch mehr Lebensqualität bedeuteten. „Man stellt sich nicht für die Partei auf, sondern für die Bürger“, sagt Fanelli-Falcke. Auch hier brauche es - das Wort fällt an diesem Vormittag oft - mehr Mut. Nämlich zu ergebnisoffenen Diskursen, die manchmal auch scheitern. „Im Scheitern liegt auch die Kraft zur Erneuerung“, davor müsse man keine Angst haben.
Lange Liste an Themen
Die Liste der potenziellen Wahlkampfthemen ist lang - zu lang für ein einzelnes Gespräch. Konkrete Aussagen gibt es von Fanelli-Falcke unter anderem zum Thema Wohnungsmarkt: „Eine junge Familie muss auch in Osterholz-Scharmbeck wohnen können, wenn sie sich kein Einfamilienhaus leisten kann.“ Dazu sei eine Mischung verschiedener Wohnformen nötig. In der Debatte um die Schulentwicklung - eine seiner Kernkompetenzen - vermisst der grüne Kandidat zurzeit den ganzheitlichen Blick auf die gesamte Bildungslandschaft der Stadt: „Man darf sich nicht von den Finanzen im ersten Aufschlag leiten lassen“, findet Fanelli-Falcke. „Bildung ist soziale Frage, das scheint mir im Moment nur auf finanzielle Fragen reduziert zu werden.“
Viele weitere Themen finden sich in einem Antrag, den die grüne Stadtratsfraktion unter dem Stichpunkt „Klimaneutrale Kommune“ bereits 2019 gestellt hat. „Davon wurde noch nicht viel umgesetzt“, berichtet Brigitte Neuner-Krämer. Das könnte sich ändern, wenn die Grünen es schaffen, ihren Kandidaten an die Spitze der Verwaltung zu bringen. „Und wenn wir es nicht schaffen, sind wir trotzdem da“, verspricht Jörg Fanelli-Falcke. Seine offizielle Aufstellung als Kandidat steht wegen der Corona-Pandemie noch aus und soll stattfinden, sobald die rechtlichen Voraussetzungen geklärt sind.