Eine Katastrophe für Deutschland
Worpswede. Die Initiative „Nie wieder - Erinnern für die Zukunft - Gemeinsam gegen rechts“ engagiert sich seit mehren Jahren gegen Rechtsradikalismus. Wir haben mit Harro Jenss, einem Mitglied der Initiative, über die AfD gesprochen.
Stellt die AfD Ihres Erachtens eine akute faschistische Gefahr dar?
Es zeichnet sich ab, dass in verschiedenen östlichen Bundesländern die AfD über Wahlen nach der Macht greift. Falls ihr das gelingt, hat der sogenannte Flügel des Faschisten Björn Höcke weiter an Gewicht und damit an Einfluss auf der Bundesebene gewonnen. Bereits das „10-Punkte-Sofort-Programm einer AfD-geführten Bundesregierung“ vom 1.9.2023, vom gesamten Parteiprogramm ganz zu schweigen, zeigt die Gefahr, die von der AfD ausgeht, nicht nur für die von Rechtsextremen verhassten „Nicht-Deutsch-Stämmigen“.
Ein großer Anteil in der rechten Mischszene und unter den AfD-Unterstützer:innen wählt diese Partei deshalb, weil sie selbst einer Führerideologie, sozialer Ungerechtigkeit und Spaltung, Fremdenhass und Antisemitismus anhängt und nicht als „kleineres Übel“. Die AfD ist keine Alternative, sondern eine Katastrophe für Deutschland.
Unterstützen Sie die Forderung nach einem Parteiverbot oder dem Entzug von Björn Höckes Grundrechten?
Persönlich unterstütze ich die Forderung nach Grundrechtsverwirkung für Björn Höcke nach GG§18. Auch ein Björn Höcke muss die Grenzen der Meinungsfreiheit einhalten. Gegen Verletzungen der Grundrechte durch Antisemitismus, Volksverhetzung, Diskriminierung etc. ist der Rechtsstaat verpflichtet einzuschreiten.
Gleichzeitig halte ich die Forderung, AfD-Landesverbände in den Bundesländern zu verbieten, in denen sie als gesichert rechtsextremistisch erkannt wurden, für eine unterstützenswerte Initiative, die verfassungsrechtlich umgehend geprüft werden sollte.
Ob ein Verbot der AfD-Bundespartei zum jetzigen Zeitpunkt durchsetzbar und strategisch sinnvoll wäre, um eine Machtübernahme durch die AfD zu verhindern, bezweifle ich. Schon die Gefahr einer gerichtlichen Niederlage der Verbotsvertreter scheint mir sehr groß. Allerdings muss ich sagen, dass ich eine hinreichend begründete Antwort auf diesen Teil Ihrer Frage nicht liefern kann.
Kritiker der CDU/CSU machen den in Teilen der Union betriebenen Populismus dafür verantwortlich, die Grenzen des Sagbaren verschoben und damit die Zustimmung zur AfD befeuert zu haben. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Die konservativen Parteien der Weimarer Republik haben den Untergang der Demokratie selber betrieben, indem sie die NSDAP als ein Sprachrohr der Unzufriedenen gesehen haben. Wir können nur hoffen, dass die Parteien diesseits der AfD - das betrifft auch, aber längst nicht nur die CDU/CSU - soviel historisches Bewusstsein und politische Einsicht haben, dass sie nicht bei dem Versuch, Wählerstimmen durch Übernahme von AfD-Parolen zu gewinnen, den gleichen Fehler machen wie die Konservativen zwischen 1930 und 1933.
Kritiker der Ampel werfen ihr vor, dass die Verschärfung der Asylpolitik und die Verschlechterung der Sozialpolitik ebenso Wasser auf die Mühlen der AfD gießen. Was halten Sie von diesem Vorwurf?
Das Bürgergeld zu kürzen, die Asylpolitik zu verschärfen, schadet den Betroffenen und hilft den Parteien der Ampel nicht. Es erweckt vielmehr den Anschein, als seien die Forderungen der AfD legitim. Die Umstellung der Industrie auf Techniken, die das Weiterleben auf der Erde ermöglichen, die staatliche Unterstützung der Armen und Ärmsten, die Aufnahme von Migrant:innen sollten aus Gründen der Vernunft und der Mitmenschlichkeit unumstrittene Ziele aller Parteien sein. Sie dienen dem gesellschaftlichen Frieden. An diesem Frieden ist die extreme Rechte nicht interessiert. Sie profitiert von Krisenstimmungen.
Was liegt Ihnen angesichts der besprochenen Entwicklungen persönlich am Herzen?
Alle Demokrat*innen sollten sich vehement und weiterhin gegen die rechte Vereinnahmung unserer Gesellschaft und die Zerstörung demokratischer Verhältnisse wehren. Die staatlichen Institutionen sollten die vorhandene Gesetzgebung nutzen, Minderheitengruppen gegen Bedrohung und Gewalt schützen, Projekte gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie stärken und alles tun, um die sozioökonomische Ungleichheit zu verringern über Umverteilung der finanziellen Mittel von oben nach unten.
Vielen Dank.
Die Initiative lädt am 27. Januar um 17 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Rosa-Abraham-Platz ein und ruft zur Teilnahme an der Kundgebung „Laut gegen Rechts“ am 21. Januar um 12.05 Uhr auf dem Marktplatz in Bremen auf.