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Janine Girth

Ein ganz normaler Typ Wincent Weiss im Interview über Musik, Fans, Feuerwerk und sich selbst

Osterholz-Scharmbeck. Irgendwie anders - so heißt das Album, mit dem der Musiker Wincent Weiss auf großer Tour ist. Und irgendwie anders stellt man sich einen so erfolgreichen Sänger auch vor. Und dann erklingt eine beinahe schüchterne Stimme am Telefon. Absolut bodenständig und sehr sympathisch schallt das „Hallo hier ist Wincent Weiss, ich rufe an wegen des Interviews“ aus dem Hörer und man hat das Gefühl, der junge Mann, der so oft vor zig tausend Menschen auf der Bühne steht, ist fast etwas aufgeregt. Wincent Weiss ist eben „ein ganz normaler Typ“, wie er selbst auch über sich sagt. Redakteurin Janine Girth vom ANZEIGER hat mit dem smarten Sänger gesprochen und möchte kurz vor seinem Open Air Konzert am 9. August an der Stadthalle zeigen, was den Menschen hinter Songs wie „Feuerwerk“, „Hier mit dir“ oder „An Wunder“ ausmacht. Ein sehr ehrlicher Wincent Weiss über sein Leben und seine Musik:

Anzeiger: Du bist ja auf großer Tour und du wirkst immer eher schüchtern und ruhig, jetzt gerade auch. Wie ist das Gefühl für dich, wenn dir so viele Menschen gegenüberstehen? Hast du noch Lampenfieber?
 
Wincent: Das ist ganz krass bei mir, es sind wie zwei Welten. Auf der Bühne hab ich das Gefühl gar nicht, da bin ich nicht schüchtern und zurückhaltend, sondern da bin ich freier und kann mich mit meiner Band bewegen. Da bin ich nicht aufgeregt, weil ich Lampenfieber habe, sondern weil ich Vorfreude habe, endlich live zu spielen. Aber ganz anders im Privatleben: Wenn ich auf der Straße unterwegs bin und da kommen viele Leute auf mich zu, denke ich gleich ‚oh Gott, was wollen die von mir‘ (lacht verlegen). Dann ist es irgendwie genau das Gegenteil, ganz komisch. Auf der Bühne bin ich entspannt und alles ist toll und fernab der Bühne bin ich dann doch eher schüchtern.
 
Anzeiger: Das passt ganz gut zur nächsten Frage. Wie Fan-nah bist du eigentlich? Du hast das ja eben schon angedeutet, macht dir Hysterie Angst? Erfüllst du manchmal auch Fanwünsche - jemand darf mit dir singen oder Selfies machen, zum Beispiel?
 
Wincent: Ja, das hat sich leider ein bisschen verändert. Ich hab am Anfang das ganz viel gemacht. Ich hab Leute auf die Bühne geholt, bin in Krankenhäuser gefahren und habe dort Fans überrascht, ich habe Hochzeiten und Abibälle gecrasht. Wir sind einfach dahin gefahren, ohne den Leuten das zu erzählen und haben einfach gespielt - was ich wirklich geil finde und was wir gern wieder machen könnten. Ich hab nach den Shows mit allen Leuten Fotos gemacht, das hat manchmal drei, vier Stunden gedauert, bis jeder sein Foto hatte. Leider ist das nicht mehr möglich. Ich finde es unfair, nach 300 Leuten aufzuhören und da stehen noch 3.700 andere, die dann traurig sind, weil ich gerade dort Stopp mache. Dann gibt es mehr böses Blut als gutes und das ist schade. Aber beim Konzert versuche ich immer den Fans ganz viel zu geben, ich gehe ins Publikum rein, springe in die Menge und lasse mich auf den Händen tragen, mache in der Menge Fotos, singe Happy Birthday mit denen etc., bei den Shows will ich für sie da sein. Leider ist das Skurrile, wenn ich bis nachts um eins im Studio bin und Leute dann da warten am Auto und mir auflauern. Das ist dann natürlich ein Moment, wo es für mich unangenehm wird, wenn man so verfolgt wird.
 
Anzeiger: Das ist verständlich, das kann sicher sehr bedrückend wirken.
 
Wincent: Ja, ich komme damit halt nicht so richtig klar. Ich bin ja ein ganz normaler Typ und das möchte ich auch bleiben. Das ist für mich so ganz ungewohnt, ein Star oder berühmt zu sein, das ist komisch manchmal. Ich bin ja kein anderer Mensch, nur weil ich Musik mache, bzw. erfolgreich Musik mache. Ich mag das nicht so, wenn mich Leute anders behandeln. Ich möchte so behandelt werden wie früher - wie ein normaler Mensch. Auf einmal werde ich in Watte gepackt oder alle wollen mir etwas hinterhertragen. Man wird bevorzugt behandelt. Nur weil ich Musik mache? Ich versteh‘ das nicht.
 
Anzeiger: Die Leute finden deine Musik eben toll. Das hat sich jetzt bestimmt auch nochmal verändert. Du warst ja bei der aktuellen Staffel „Sing meinen Song - Das Tauschkonzert“ im TV dabei. Wie war für dich die persönliche und musikalische Erfahrung und welcher der anderen Künstler hat dich am meisten inspiriert?
 
Wincent: Das war für mich natürlich eine super Erfahrung und vor allem eine riesen Ehre, dass ich in meiner jungen Karriere mittlerweile schon gleich gestellt werde mit den ganzen Hochkarätern, die dabei waren. Ich konnte so viel lernen und so viel mitnehmen von den Künstlern, weil die alle schon seit Jahren auf der Bühne stehen und ich da einfach viel mit denen quatschen konnte. Und überrascht? Ich glaube, es gab da keinen, der nicht überrascht hat. Du konntest auf einmal alle persönlich kennenlernen. Nicht so, wie man sie durch Radio oder Fernsehshows kennenlernt, sondern da konnte man wirklich in die Tiefe gehen und mit den Leuten reden. Ich kannte z. B. Michael Patrick Kelly nicht von der Kelly Family, weil das so ein bisschen vor meiner Zeit war. Ich kannte ihn nur als Michael Patrick Kelly Soloartist und durch seine Platte „ID“ und auf einmal hab ich da die Fotos gesehen von den ganzen Langhaarigen und hab erst da gesehen, dass da diese Kelly Family dabei war. Dann hat mich die gesamte Geschichte fasziniert, als ich diese so nach und nach mitbekommen habe.
 
Anzeiger: In deinem Lied „Kaum erwarten“ singst du sehr persönlich von der Zukunft. Wie viel Realität steckt da von dir selbst im Lied, und wenn du dir dich in zehn Jahren vorstellst, wie siehst du dich dann?
 
Wincent: Also die Songs sind alle sehr realitätsnah. Die sind alle so geschrieben, wie ich auch wirklich darüber denke oder es mir selbst vorstelle in Zukunft. Wenn ich mir das aussuchen könnte, wäre ich gern auf dem Dorf, hätte einen kleinen Garten und ... in zehn Jahren, da bin ich 36 ... ja dann doch schon zwei Kinder, verheiratet und eine Frau. Ich bin da irgendwie voll altmodisch, weil ich das von meiner Familie so kenne. Von meinen Großeltern z. B., die sind seit 50 Jahren verheiratet, ist zwar spießig, aber die sind im Supermarkt und knutschen da rum oder geben sich an der Obsttheke ´n Klaps auf den Hintern und gehen verliebt einfach durchs Leben. Das finde ich schön und das ist ein Ziel, worauf man hinarbeiten kann.
 
Anzeiger: Das klingt total bodenständig, da kommt wirklich der normale Typ durch, den du vorhin beschrieben hast. Wir sind hier ja in Osterholz-Scharmbeck auch eher im ländlichen Bereich und du bist ein echter Nordjunge. Freust du dich, wenn du bei deinen Konzerten heimatnah im Norden spielen kannst?
 
Wincent: Ja, ich finde es immer voll schön, je weiter es in den Norden geht. In der Heimat bin ich doch immer gern, gerade auch in kleineren Orten, da ist die Atmosphäre total gut. Ich bin einfach kein Großstadtkind. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und bin einfach ländlich. Da fühle ich mich doch am wohlsten. Ich möchte übers Feld fahren. Ich möchte, dass neben der Stadt auch schnell mal eine Landstraße ist und nicht nur eine vierspurige Stadtautobahn. Das ist ein anderes Gefühl auf dem Land oder in einer Kleinstadt - gerade im Norden, ich fühle mich in der Heimat doch am wohlsten.
 
Anzeiger: Hier finden ja immer wieder auch Festlichkeiten statt und ich weiß ja nicht, ob du weißt, dass, wenn du spielst, hier auch unser Erntefest gefeiert wird.
 
Wincent (geht ganz erfreut dazwischen): Ja, ich hab schon davon gehört, dass es da ein Feuerwerk gibt, ich hab mich da schon etwas schlaugemacht. Am nächsten Tag spielt ja auch noch PUR bei euch, das wird auch nochmal ein großes Fest. Bei mir ist das leider mittlerweile nur so, dass ich privat fast nicht mehr auf die Straße gehen kann. Ich würde schon gern nach der Show mir das Feuerwerk angucken und durch die Menge laufen, aber das geht nicht mehr. Es wäre natürlich der Supergau, wenn ich den Song spiele und gleichzeitig das Feuerwerk kommt.
 
Anzeiger: Genau, das wäre meine Frage gewesen. Es passt ja vielleicht, dass parallel dein Lied „Feuerwerk“ läuft. Du singst darin, dass man das Leben genießen soll, leben, wie ein Feuerwerk. Ist das auch dein Lebensmotto?
 
Wincent: Ja, total, total! Ich bin ja ohne Social Media und Smartphone groß geworden und noch aus der Generation davor, zum Glück. Ich finde irgendwie ganz schön gruselig, was da gerade so passiert. Man sollte alles genießen und nichts als selbstverständlich nehmen. Man muss jeden Moment genießen, den man leben darf. Es kann alles so schnell vorbei sein oder sich ändern und man sollte dankbar sein für das, was man hat und dass man gesund ist, oder dass ich tolle Freunde habe. Ich genieße natürlich auch jeden Tag, den ich erleben darf und diese ganz absurden Dinge, die ich halt machen darf. Dass ich mittlerweile Konzerte spielen darf und Musik machen kann. Das ist ein totales Privileg, unfassbar, dass ich das als Beruf bezeichnen und das alles erleben darf. Das sollten die Leute da draußen auch. Jede Minute, gerade wenn man ein Feuerwerk oder ein Konzert sieht, muss man das genießen und für sich alles wahrnehmen und nicht immer nur filmen und posten und alles verteilen, sondern den Moment in sich speichern und nicht im Handy speichern.
 
Anzeiger: Du hast ja im Prinzip fast nur mit Musik zutun. Liest du privat auch Zeitung und Bücher? Gehst du auch mal zu den klassischen Medien zurück und kannst du dabei entspannen?
 
Wincent: Ja, muss man auch. Das ist auch nicht nur auf mein Musikleben bezogen, sondern auf jeden Menschen. Wen man von morgens bis abends arbeitet, braucht man auch einen Gegenpol und etwas Anderes für den Kopf. Da ist gerade Lesen die mega Ablenkung. Ich mache gerade z. B. ein Fernstudium und buckele Lernbücher durch, weil ich ganz einfach Abwechslung für den Kopf brauche. Ich möchte nicht 24 Stunden an Musik denken, sondern mich auch mal zwei Stunden anderweitig fortbilden und bisschen was für den Kopf tun. Lesen und Lernen!
 
Anzeiger: Und nimmst du denn auch Glücksbringer mit auf die Bühne, aus denen du Kraft schöpfst? Glaubst du an so etwas?
 
Wincent: Also ich habe nichts Haptisches dabei, was ich in der Hand oder Tasche trage. Das ist bei mir eher so ein bisschen innen drin, eher die Leute, mit denen ich irgendwo bin und das, was ich alles in mir trage, um auf die Bühne zu gehen. Ich nehme eher Gedanken und Gefühle mit. Ich finde es schön, wenn ich weiß, dass meine ganze Familie dabei ist, meine kleine Schwester, und dass die gut finden, was ich da mache und mich unterstützen. Das gibt mir eher die Stärkung und den Halt.
 
Anzeiger: Das klingt echt schön. Dann gibt es bestimmt auch ein Lied, das für dich sehr wichtig ist, oder sagen wir am emotionalsten?
 
Wincent: Puh, echt schwierig, wenn ma so viele persönliche Songs schreibt, und man sich die Seele aus dem Leib singt sozusagen. Es gibt natürlich unterschiedliche Stimmungen. Wenn ich von meiner Schwester singe, ist das sicher ganz rührend und schön und eher eine Freude, die in mir aufkommt. Es gibt aber auch Songs zu meiner Ex-Freundin, wo gerade die Beziehung kaputt gegangen ist, wo es genauso emotional ist für mich, aber eben nicht das schön emotional, sondern das traurige und verletzende Emotionale. Es ist schwierig zu sagen, was das Emotionalste ist, wobei das schöne emotional natürlich immer schöner ist, aber es ist auch ergreifend, über das nicht so Schöne zu singen, Trauer zu verarbeiten. Wenn man so viel Persönlichkeit in seinen Songs hergibt, sind diese beiden sehr weit oben auf der Liste.
 
Anzeiger: Man hört in deinen Liedern auf jeden Fall, dass du sehr viel Gefühl darin verarbeitest und die Menschen damit in vielen Stimmungslagen abholen kannst. Vielen Dank, dass du das Interview möglich gemacht hast. Umso mehr freut sich diese Stadt auf dein Konzert nächste Woche, auf ein Feuerwerk sozusagen.
 Wincent: Vielen Dank für die Zeit und die Arbeit, die du damit hast. Ich freue mich auch schon sehr darauf und auf die Leute. Und bestell gutes Wetter (lacht). Bis nächste Woche und ciao, ciao.


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