Seitenlogo
Jörg Monsees & Patrick Viol

Gasumlage: Falsche oder notwendige Maßnahme?

Die Bundesregierung will mit einer Gasumlage die Energieversorgungssicherheit gewährleisten. Die Maßnahme trifft auf Kritik, da sie die Schwächsten der Gesellschaft noch mehr belastet als ohnehin schon.

2,419 Cent pro Kilowattstunde: Über diese Zahl wurde in der vergangenen Woche viel diskutiert. Es handelt sich um die Höhe der Gasumlage, die von der Trading Hub Europe GmbH berechnet und bekannt gegeben wurde. Ab Oktober wird sie auf die Gaspreise aufgeschlagen. Verbraucher:innen werden den erhöhten Preis jedoch erst einige Wochen später auf ihren Rechnungen finden, denn das Energiewirtschaftsgesetz sieht Ankündigungsfristen vor, wenn die Preise sich ändern.
 
Bedeutung für Privathaushalte
 
Konkret bedeutet die neue Gasumlage für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden Gas eine Mehrbelastung von etwa 480 Euro im Jahr - ohne Mehrwertsteuer. Die Bundesregierung hat auf EU-Ebene versucht, die Erhebung der Mehrwertsteuer auszusetzen. Die EU-Kommission lehnte ab, das EU-Recht ließe keine Ausnahmen zu. Die Mehrwertsteuer könne aber von 19 auf 5 Prozent gesenkt werden. Diese Möglichkeit will die Bundesregierung wahrnehmen. Ihr Plan ist es, die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent abzusenken. Mit dieser Mehrwertsteuer kommt auf den genannten Vier-Personen-Haushalt eine Summe von ca. 515 Euro zu. Wer alleine wohnt und 6.000 Kilowattstunden Gas im Jahr verbraucht, muss sich (inklusive Mehrwertsteuer) auf 144 Euro zusätzliche Kosten einstellen. Die Gasumlage soll vorerst bis zum März 2024 gelten.
 
Warum müssen Verbraucher:innen zahlen?
 
Die Gasumlage wurde von der Bundesregierung beschlossen, um Unternehmen, die Gas nach Deutschland importieren, finanziell zu entlasten. Weil Russland seit einigen Monaten deutlich weniger Erdgas nach Deutschland durch die Pipelines schickt, müssen die Unternehmen Gas aus anderen Ländern zu deutlich höheren Preisen kaufen - denn sie haben eine Lieferpflicht. Wegen langer Vertragslaufzeiten und Festpreisen können die Unternehmen die erhöhten Preise nicht einfach an ihre Kund:innen weitergeben. Entsprechend meldete Deutschland größter Gasimporteur Uniper, er verbuche einen täglichen Verlust von 60 Millionen Euro.
Das ermöglicht nun die befristete Gasumlage. Sie soll verhindern, dass die Energieversorger pleite gehen und die Versorgung zusammenbricht, indem die Kosten auf alle Verbraucher:innen verteilt werden. Mieter:innen, die keinen eigenen Gasvertrag haben, müssen sich auf höhere Nebenkostenabrechnungen einstellen.
Als Marktgebietverantwortliche wurde die Trading Hub Europe GmbH beauftragt, die Mehrkosten zu berechnen. Das Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber schätzt, dass bis April 2024 rund 34 Milliarden Euro zusätzliche Kosten anfallen.
Die Unternehmen RWE und Shell haben angekündigt, die Gasumlage nicht in Anspruch nehmen zu wollen. Man sei selbst in der Lage, die gestiegenen Beschaffungskosten zu tragen, sagte RWE-Vorstandschef Markus Krebber.
 
Energieversorgungssicherheit
 
Die Osterholzer Stadtwerke begrüßen die Maßnahme der Bundesregierung, da sie die Energieversorgungssicherheit aufrechterhalte. „Es ist richtig, dass die Bundesregierung gleich am Anfang der Gas-Lieferkette ansetzt: Die Handlungsfähigkeit der Gas-Importeure muss im Fall der gekürzten Gaslieferungen aus Russland gesichert werden, damit erforderliche Ersatzmengen trotz extrem hoher Börsenpreise beschafft und geliefert werden können“, so der Geschäftsführer der Stadtwerke und Vizepräsident des Bundesverbandes für Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Christian Meyer-Hammerström. Problematisch sei aber die „Kurzfristigkeit der Einführung mit noch offenen Detailfragen.“ So habe man die Öffentlichkeit nicht wie gewohnt umfassend und mit Vorlauf informieren können. Meyer-Hammerström wisse um die hohe Belastung für die Verbraucher:innen, empfiehlt dennoch allen Kundinnen - soweit möglich monatlichen Abschlagsbetrag für Strom und Erdgas zu erhöhen.
 
Zum falschen Zeitpunkt
 
Kritik an der Umlage kommt von z. B. vom niedersächsischen Sozialverband VdK und von Seiten der Opposition.
Eine „Gasumlage zugunsten der Energiekonzerne? Nein, diese Maßnahme kommt absolut zum falschen Zeitpunkt. Wie sollen Geringverdiener, arme Rentner oder Menschen, die bislang gerade so über die Runden kommen, pro Jahr noch mehrere hundert Euro zusätzlich aufbringen?“, fragt der Landesvorsitzende Friedrich Stubbe rhetorisch. Denn: Armen Menschen sei es unmöglich, weitere Einschränkungen auf sich zu nehmen. Superreiche könnten hingegen mehr abgeben, weshalb „Erbschaften, große Vermögen und Aktiengewinne höher besteuert“ werden müssten. Stattdessen hilft man den Energiekonzernen, „die noch dazu in den vergangenen Jahren in der Regel satte Gewinne eingefahren haben“, so Stubbe weiter. Die Maßnahme sei sozial unausgewogen. Was es nun braucht, das sei ein „Kündigungsmoratorium, das Mieter schützt, die wegen der hohen Energiekosten ihre Miete nicht mehr zahlen können.“
 
Sozialisierung von Verlusten
 
Mizgin Ciftci, Fraktionsvorsitzender der Linken im Osterholzer Kreistag, spitzt die soziale Unausgewogenheit der Gasumlage zu: Seiner Ansicht zufolge beweise die Gasumlage einmal mehr: „Im Kapitalismus werden Gewinne privatisiert, aber Verluste sozialisiert. Die Leidtragenden sind mal wieder die Arbeitnehmerschaft, Erwerbslose, Rentner, Studenten und kleine Gewerbetreibende. Statt aber diejenigen zu schröpfen, die jetzt unverschuldet höhere Preise zahlen müssen, sollte die Bundesregierung diejenigen stärker belasten, die jetzt unverschuldet höhere Profite einfahren. Wir brauchen eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne.“ Die Menschen hätten das Recht, auf die „Solidarität der großen Profiteure zu pochen.“
 
Unklare Berechnungsgrundlage
 
Für Solidarität mit den kleinen und mittleren Unternehmen vertritt die Mittelstands- und Wirtschaftunion (MIT) ein. „Die Gasumlage ist für die Betriebe in Deutschland ein gewaltiger finanzieller Schlag. Schon heute steht das Wasser unzähligen klein- und mittelständischen Betrieben bis zum Hals“, wie Dr. Nicolas Laack, Kreisvorsitzender MIT Osterholz, mitteilt. Die MIT Osterholz kritisiert zudem die Intransparenz bei der Berechnung der Gasumlage. Unklar sei, auf welcher Kalkulationsgrundlage die 2,419 Cent/Kilowattstunde beruhen. Zur umgehenden Entlastung des Mittelstands fordert die MIT Osterholz eine sofortige Senkung bei Energiesteuern auf Erdgas, Strom, Heizöl und Flüssiggas.
 
Belastend aber nötig
 Verteidigt wird die Maßnahme von Brigitte Neuner-Krämer, Fraktionsvorsitzende der Osterholzer Grünen. Die Maßnahme sie belastend, „aber nötig.“ Die Alternative, keine Umlage zu erheben, wäre ein Zusammenbruch des deutschen Strommarktes. „Insolvenzen bei den Gasversorgern hätten weitreichende Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft“, so Neuner-Krämer. Damit mittlere und kleine Einkommenschichten aber nicht noch mehr leiden also ohnehin schon, müsse z. B. das Wohngeld ausgeweitet und angehoben, Direktzahlungen aus den Einnahmen der Mehrwertsteuer an die Bürger:innen geleistet und Versorgungssperren für Strom und Gas vermieden werden. Ebenso wie Ciftci fordert auch Neuner-Krämer „die Erhebung einer Übergewinnsteuer für Unternehmen, die kriegsbedingt profitieren.“ Die Kritik der Union hält Neuner-Krämer dagegen für unglaubwürdig. Denn die jetzige Situation sei auch Resultat der jahrzehntelang „verfehlten Energiepolitik der damaligen Regierungsparteien.“


UNTERNEHMEN DER REGION