Seitenlogo
Ralf G. Poppe

Weiter Aufnahmestopp bei der Tafel

Bremervörde. Verantwortliche warnen vor "Vertafelung der Gesellschaft".

Tafel-Leiter Hans-Werner Gabriel (links) und Tandem-Vorstand Andreas von Glahn (Bildmitte) sorgen sich (nicht nur) um das Wohl des Tafel-Teams.

Tafel-Leiter Hans-Werner Gabriel (links) und Tandem-Vorstand Andreas von Glahn (Bildmitte) sorgen sich (nicht nur) um das Wohl des Tafel-Teams.

In der Region um Bremervörde und Gnarrenburg sind mittlerweile rund 1.000 Menschen auf regelmäßige Unterstützung durch die Tafel angewiesen.

Die Zahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften (Gruppen bis zu zehn Personen) hat sich innerhalb eines Jahres von gut 150 auf fast 300 verdoppelt. Das Team der Bremervörder Tafel stößt an seine Grenzen. Andreas von Glahn vom Trägerverein Tandem e.V. und Tafel-Leiter Hans-Werner Gabriel stellen sich daher schützend vor ihre Mitarbeitenden und werben um Verständnis für die nicht leichtfertig getroffene Entscheidung, derzeit keine neuen Bedürftigen mehr aufzunehmen.

 

Verantwortliche bitten um Verständnis

 

Das Wort „Aufnahmestopp“ möchte zwar niemand so richtig in den Mund nehmen, dennoch ist es so, dass keine Neuanmeldungen mehr registriert werden können. „Wir wünschen uns Verständnis und die Wahrnehmung dafür, dass hier ständig am Limit gearbeitet wird“, so von Glahn. „Wir haben aber leider einfach keine Plätze mehr frei“, betont auch Tafel-Leiter Gabriel. Beide Männer sorgen sich um die die insgesamt 39 Mitarbeiter:innen in Bremervörde und Gnarrenburg, denn eine Tafel könne nur funktionieren, wenn alle Zuständigen ein sehr hohes Engagement einbringen würden. Deshalb möchten Gabriel und von Glahn verhindern, dass der stetig wachsende Druck zu groß für die Ehrenamtlichen wird und diese am Ende ihr Amt aufgeben.

Hilfesuchende Menschen am Empfang abweisen zu müssen, sei eine sehr große emotionale Herausforderung. „Das wunderbare bürgerschaftliche Engagement der Ehrenamtlichen darf nicht in die Tonne getreten werden“, warnt von Glahn. Denn wenn Mitarbeiter:innen ihre Aufgaben frustriert niederlegen würden, sei schließlich niemandem geholfen. Wie viele andere Institutionen habe die Bremervörder Tafel in den vergangenen zweieinhalb Jahren leider einen absoluten Ausnahmezustand erleben müssen. Erst kam die Pandemie, dann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der eine permanent steigende Zahl an Bedürftigen nach sich zog.

 

Immer größere Herausforderungen

 

Die durchgehend wachsenden, organisatorischen Herausforderungen sieht nicht nur Gabriel als schwerwiegendes Problem an. Die Tafel habe einfach keine Möglichkeiten mehr, um erfolgversprechend lösungsorientiert reagieren zu können. Alle Stellschrauben stünden mittlerweile regulatorisch am Anschlag. Einerseits habe man bereits im Juni 2022 Appelle gestartet, um weitere Ehrenamtliche anzuwerben. Zehn neue Mitarbeiter:innen waren zum Team hinzugekommen, vier seien aber auch gegangen.

Weiterhin sei im September 2022 bereits der 14-tägige Ausgabe-Modus eingeführt worden, um den steigenden Andrang zu entzerren. Zudem habe die Tafel-Leitung im Zuge der Optimierung der Betriebsabläufe für eine engere Taktung gesorgt – dadurch könnten nun zehn Menschen pro halbe Stunde die Ausgabestelle durchlaufen. Mehr sei unter den gegebenen Umständen nicht machbar. Ältere Bezugsberechtigte oder Mitarbeitende könnten die Situation u.a. nicht aushalten, ggf. wären sie eventuell nicht in der Lage, bedürftige Personen zu vertrösten oder abzuweisen. „Wir sprechen hier über Menschen, nicht über Fließbandarbeit“, gibt von Glahn eindringlich zu bedenken.

 

„Vertafelung der Gesellschaft“

 

Er weist auch darauf hin, das Tafeln keine Lebensmittel zukaufen dürften, denn deren ursprüngliche Idee sei es, nachhaltig wertvolle Lebensmittel vor der Vernichtung zu bewahren, um gleichzeitig Humanität sowie soziale Verantwortung mit Leben zu erfüllen. Für die Tafel sei es ursprünglich keinesfalls angedacht gewesen, sozialstaatliche Aufgaben zu übernehmen. Der Tandem-Vorsitzende warnte nun vor der „Vertafelung der Gesellschaft“.


UNTERNEHMEN DER REGION