Vorbildlich integriert: Ehrenamtliche Kutenholzer Flüchtlingsbetreuer verbuchen Erfolge
Bremervörde (rgp). Als im Jahre 2015 ein großer Flüchtlingsstrom einsetzte, hatte sich in Kutenholz schnell ein „Betreuerkreis Asyl“ zusammengefunden, der sich um die Menschen kümmerte, die eine (halbe) Weltreise hinter sich hatten. Lutz Schadeck und Manfred Tiemann sind diesbezüglich immer noch aktiv. Aufgrund der negativen Schlagzeilen um Brände und Übergriffe, die in jüngster Zeit in Fredenbeck und Deinste im Zusammenhang mit Flüchtlingen Schlagzeilen verursachten, möchten sie nun die positiven Seiten der neuen Gemeinschaften kommunizieren. Tiemann: „Begonnen hat alles damit, dass der Bürgermeister uns fragte, ob wir Leute hätten, die mit den Flüchtlingen Deutschunterricht machen können. Nachhilfe auf ehrenamtlicher Basis.“ Schadeck: „Wir sind eine Gruppe von fünf, sechs Leuten, die sich um die Asylbewerber kümmern. Meine Ehefrau Heike und ich waren uns darüber klar, dass wir den Negativschlagzeilen etwas entgegensetzen müssen! Denn wir haben sehr viel Positives erlebt. Und das wollen wir zeigen!“ Schadeck fungiert als Sprecher der Flüchtlingsbetreuer, und hat extra eine kleine Pressekonferenz im Kutenholzer Heimathaus einberufen, um die positiven Aspekte zu kommunizieren. Hilfe zur Selbsthilfe „Wir haben in Kutenholz einmal weit über 100 Flüchtlinge gehabt, jetzt sind es noch 64. Mit den ganzen Behördengängen haben auch wir unsere Probleme. Also war unser Bestreben stets die Hilfe zur Selbsthilfe. Wir nehmen die Flüchtlinge nicht an die Hand, sondern sagen ihnen, wo sie entlang gehen müssen. Hingehen müssen sie dann letztendlich selbst. All das hat sehr gut geklappt. Mit sehr viel Eigeninitiative sind auch viele ohne Anleitung sehr selbständig geworden.“ So hat Mahgul Arab hat ihren Realschulabschluß erworben, obwohl sie - wie alle anderen auch - bei ihrer Ankunft in Kutenholz kein Wort Deutsch sprechen konnte. Sie beginnt bei den BBS in Bremervörde eine Ausbildung zur PTA. Ehemann Abdul Qayum Naemi befindet sich gerade in einer Ausbildung zum Glaser – beide absolvieren ihre Ausbildung, obwohl sie sich auch um den gemeinsamen Sohn Amirhussein kümmern dürfen. Farid Azimi erlernt bei der Fa. Viebrock in Harsefeld das Maurerhandwerk, Rooz Azizi befindet sich bei der Tischlerei Gerken in Kutenholz-Aspe in der Ausbildung zum Tischler. Akbar Farisabadi Bozcheloei besitzt einen Arbeitsvertrag über ein Jahr bei der örtlichen Niederlassung der Fa. Berry. Abdullah Qasemi befindet sich in der Ausbildung zum Gärtner mit Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau. Sie alle sind aus Afghanistan nach Kutenholz gekommen. Aus dem Sudan stammen Bakri Duka, der eine Festanstellung beim örtlichen Lebensmittelhändler Edeka Eggert hat, sowie Mohamed Norien Mahmud Adam, der sich beim Fliesenteam Bock in Harsefeld seinen Gesellenbrief im Fliesen-, Platten- und Mosaikleger-Handwerk erarbeiten konnte. Die Berufsschule besuchte er übrigens regelmäßig mit dem Mofa im 54 Kilometer entferntem Cadenberge. Dafür war er bei Wind und Wetter pro Tag insgesamt drei Stunden auf seinem Gefährt. Die Abschlußprüfung bestand er dennoch als einer der Jahrgangsbesten. Traumziel Bleiberecht Schadeck bezeichnet seine Schützlinge als Kämpfer. „Sie alle kommen für ihren Lebensunterhalt selbst auf“, freut er sich. Auch an die in Deutschland übliche Pünktlichkeit haben sich alle gewöhnt. Probleme bereitet lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Es unterliegt einem ständigen Wandel – Planungssicherheit besteht bei niemandem. So haben die Kutenholzer Flüchtlinge befristete Aufenthaltsgenehmigungen, die zum Teil halbjährlich verlängert werden müssen. Alle der befragten Flüchtlinge würden sich sehr freuen, dürften sie endlich die Zusicherung erhalten, hier bleiben zu können. Erst danach folgt der Wunsch nach einem eigenen „richtigen“ Zuhause. Die ehrenamtlichen Helfer*innen sind trotzdem seit einiger Zeit auf der Suche nach Wohnungen, damit ihre Schützlinge nicht mehr in von der Kommune angemieteten Räumlichkeiten untergebracht werden müssen. Fazit Der Arbeitskreis sät im übertragenen Sinne nur den Samen aus. Gießen, pflegen und bearbeiten müssen die Flüchtlinge die Saat selbst, um daraus jedes Jahr aufs Neue sinnbildlich schöne Blumen entstehen zu lassen. Schadeck mag den Vergleich. In Kutenholz ist längst (virtuell) ein richtiger Blumengarten entstanden.