Schulen am Limit
Der Schulleitungsverband erklärte jüngst, dass die Bereitschaft der Schulen groß sei, die Familien aus der Ukraine zu unterstützen. Allerdings sei nach zwei Jahren Pandemie auch „die Luft raus“. Benötigt würden mehr Geld, mehr Personal und mehr Räume. Zusätzliche Lehrkräfte - auch ukrainische - müssten daher schnell und unbürokratisch eingestellt werden.
Dass nach zwei Jahren Pandemie „das System Schule an der Belastungsgrenze und darüber hinaus angekommen“ sei, sagt auch Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne. Um die Situation zu meistern, müssten nun gegebenenfalls auch neue Wege beschritten werden. Die Bewältigung dieser Herausforderung werde eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein“. Grundsätzlich bestehe ein altersbezogener Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung oder den Schulbesuch, unterstreicht Tonne. Sobald zudem geregelt ist, dass die Familie einen sogenannten Aufenthaltsstatus hat - also in Niedersachsen bleiben und wohnen kann - besteht die Schulpflicht.
„Politik nutzt Hilfsbereitschaft aus“
Thomas Schröder, Schulleiter der Grundschule Klenkendorfer Mühle in Gnarrenburg, hat den Eindruck, dass die Politik die Schulen weitgehend sich selbst überlasse und es ausnutze, dass die meisten Lehrkräfte alles tun würden, damit kein Kind im Regen stehen bleibe. Die Politik scheine zu denken: „Die werden das schon irgendwie schaffen.“
An Schröders Schule gehen derzeit zwei Geschwisterkinder aus der Ukraine in die dritte und vierte Klasse. Die Verständigung sei noch schwierig, doch er sei überzeugt, dass die Kinder am besten Deutsch lernen, wenn sie mit Altersgenossen zusammen seien. Zudem würden die Kinder täglich eine Stunde Einzelförderung von einer Lehrkraft mit Unterstützung einer Bufdi-Kraft erhalten. „Die Stunden fehlen dann natürlich an anderer Stelle und die Förderung anderer Kinder bleibt teilweise auf der Strecke“, beschreibt Schröder das Dilemma.
Positiv sei, dass die Geflüchteten nicht schwer traumatisiert seien. Lehrkräfte hätten grundsätzlich ein offenes Ohr gegenüber den Kindern, würden sich aber nicht aufdrängen. Sollten künftig schwerer traumatisierte Kinder ankommen, müsste sich der Schulleiter schulpsychologisch beraten lassen und hoffen, dass die Schulbehörde schnelle Hilfe möglich machen könnte.
Fakt sei, dass seine Schule unterversorgt sei. Sollten noch mehr Schüler:innen neu dazu kommen und die Klassen geteilt werden müssten, stehe er vor einem Problem, so Schröder.
Motivierte Schüler:innen und Lehrkräfte
Auch an der Integrierten Gesamtschule (IGS) Osterholz-Scharmbeck sei das Kollegium an der Belastungsgrenze, erzählt der didaktische Leiter André Schlenker. Gleichwohl sei die Motivation sehr hoch, den Geflüchteten zu helfen. Derzeit seien sechs ukrainische Mädchen und Jungen zwischen zehn und 17 Jahren in einer Lerngruppe untergebracht und lernen gemeinsam Deutsch sowie das Schulsystem kennen. Nach den Ferien sollen die Kinder und Jugendlichen dann in Klassenverbände integriert werden. „Wir wollen die Schüler erst einmal auffangen und in Ruhe ankommen lassen“, sagt Schlenker. Der Lernstoff stehe nicht im Vordergrund. Stattdessen habe man einen Raum mit Couch und Rückzugsmöglichkeiten eingerichtet, der auch für offene Gespräche zur Verfügung stehe. Glücklicherweise spreche eine Kollegin ukrainisch und könne vermitteln. Die Schüler:innen, die aus Schlenkers Sicht nicht so stark traumatisiert zu sein scheinen, seien zudem sehr motiviert, deutsch zu lernen und würden in den Pausen auch bereits mit anderen Kindern interagieren.
Ukrainische Lehrkraft für die IGS
Nach den Osterferien bekomme die IGS voraussichtlich Unterstützung von einer Pädagogin aus der Ukraine, so Schlenker - ein echter Glücksfall. Die Zusammenarbeit mit der Stadt, die die Aufnahmegespräche mit den Geflüchteten führe und die Kinder verteile, funktioniere hervorragend, sagt Schlenker. Er hofft, dass die Schulen bis zu den Sommerferien mehr Planungssicherheit vonseiten des Landes haben werden. Vier bis fünf weitere Schüler:innen könne die IGS „mit Bordmitteln“ noch aufnehmen.