Jörg Monsees

Schrecken mit Ansage

Reaktionen aus der Region auf die jüngsten Landtagswahlen.
Björn Höcke (hier 2020 im Thüringer Landtag) geht mit der AfD als eindeutiger Sieger der Landtagswahl in Thüringen hervor.

Björn Höcke (hier 2020 im Thüringer Landtag) geht mit der AfD als eindeutiger Sieger der Landtagswahl in Thüringen hervor.

Bild: Steffen Prößdorf/gemeinfrei

Den Wahlerfolg der AfD in Sachsen und Thüringen hat die Politik kommen sehen - eine effektive Antwort hat bisher keine der übrigen Parteien gefunden. Wir haben Politiker:innen vor Ort gefragt, wie es nun weitergehen soll.

„Die Beschlusslage ist klar“

Die CDU steht nach den Landtagswahlen vor einer schwierigen Frage: Mehrheiten wären möglich - aber nur mit der AfD oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Für die AfD und Die Linke liegt ein sogenannter Unvereinbarkeitsbeschluss vor, die Union schließt jede Zusammenarbeit kategorisch aus.

Während mit Martina Schweinsburg bereits die erste CDU-Politikerin Gespräche mit der AfD fordert und Zweifel an der Brandmauer aufkommen lässt, halten die Unionsmitglieder aus der Region am bekannten Kurs fest. „Die Beschlusslage ist eindeutig: Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der CDU Deutschlands schließen Koalitionen mit AfD und Linke aus“, sagt Dirk-Frederik Stelling, Vorsitzender der Bremervörder CDU. „Ob Koalitionen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht gelingen können, müssen die CDU-Landesverbände in Thüringen und Sachsen sondieren. Da die Partei noch sehr neu ist und wenige Mitglieder hat, lässt sich das BSW schwer einordnen.“ Auf Bundesebene könne er sich eine Zusammenarbeit mit Sahra Wagenknecht nicht vorstellen, so Stelling weiter.

Marie Jordan von der CDU Osterholz-Scharmbeck sieht das ähnlich. Auch unabhängig von entsprechenden Beschlüssen gäbe es keine Grundlage für eine Kooperation mit der AfD. „Die handelnden Personen, allen voran Björn Höcke mit weiteren, die in Thüringen und Sachsen völkisch-nationalistische und auch antisemitische Positionen vertreten, machen den Gedanken an eine Zusammenarbeit unmöglich“, so die Fraktionsvorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion in Osterholz-Scharmbeck. Für eine Koalition mit der Linken oder dem BSW fehle jede inhaltliche Grundlage.

Personalfragen sind unausweichlich

Die Sozialdemokraten gehören abermals zu den Verlierern einer wichtigen Wahl. Die erste Reaktion aus der SPD-Spitze irritierte die Hauptstadtjournalisten: Kevin Kühnert will nach dem katastrophalen Wahlergebnis mehr für den Politikansatz der SPD – der offenbar bei den Wähler:innen wenig Anklang gefunden hat - werben. Lars Klingbeil hingegen wendet sich den Themen der AfD zu und will „den Kampf mit dem gewaltbereiten Islamismus“ aufnehmen.

Lukas Hinz (SPD Bremervörde) hält „ein bisschen mehr Werbung für unseren Politikansatz“ nicht für ausreichend. Themen der Populisten aufzugreifen, sei ebenfalls nicht der richtige Weg. Hinz wünscht sich eine „strategische Neuausrichtung“ der Partei, die „Kernanliegen wie soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Klimaschutz wieder in den Vordergrund rückt.“ Personalfragen seien unausweichlich: „Seit Olaf Scholz Kanzler ist, hat die SPD fast alle Wahlen verloren oder blieb weit hinter den Erwartungen“, stellt Hinz ernüchtert fest. „Als Juso-Kreisvorsitzender frustriert es mich besonders, dass nach jeder Niederlage dieselben leeren Phrasen und Durchhalteparolen kommen. Was die SPD braucht, ist ein klarer, mutiger Kurswechsel mit engagierten Personen.“

Die Vorsitzende der SPD Osterholz-Scharmbeck, Kristin Lindemann, stimmt zu: „Es geht nicht darum, populistische Schnellschüsse abzufeuern, sondern sich intensiv und offen mit der Situation auseinanderzusetzen. Das bedeutet die Themen anzufassen, die für jeden von uns wichtig sind - wie zum Beispiel bezahlbarer Wohnraum, sichere Renten, den eigenen Lebensstandard halten zu können, sicher von A nach B zu kommen.“

„Konstruktiv und gemeinsam gegen die Ränder“

Durchhalteparolen waren - neben Entsetzen - am Wahlabend auch aus dem Lager der Grünen zu hören. Parteichef Omid Nouripour sieht in den Wahlergebnissen eine Zäsur. Nun gehe es darum, den vielen Menschen, die Angst hätten, beizustehen. „Wir stehen zusammen und werden unsere Demokratie verteidigen“, sagte Nouripour im ZDF.

Solche und ähnliche Aufrufe konnten den Erfolg der AfD bisher nicht verhindern: „Appelle und Demonstrationen gegen rechts alleine reichen nicht aus und haben offensichtlich ja auch nicht ausgereicht“, stellt auch Brigitte Neuer-Krämer aus der Stadtratsfraktion Bündnis90/Die Grünen in Osterholz-Scharmbeck fest. Dennoch wiederholt auch sie die Forderung nach einem „Schulterschluss der demokratischen Parteien“, der über bloße Bekenntnisse hinausgeht. Konkret bedeutet das vor allem Kritik an der Wahlkampf-Strategie der CDU: „Wenn die Union im Wahlkampf immer nur auf Spaltung setzt, die Grünen und die Regierungskoalition zum Hauptfeind macht, dann stärkt das diejenigen, die unsere Demokratie verachten.“ Es gehe nun darum, wieder „konstruktiv und gemeinsam gegen die Ränder zu kämpfen“ und dabei „die Ängste der Menschen nicht kleinzureden sondern zu zeigen, dass unsere Demokratie in der Lage ist, Schutz und Sicherheit im eigenen Land zu gewährleisten und auch denen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen trotzdem unsere Hilfe nicht zu verweigern.“

Schwächung seit 2021

Die Linke hat traditionell in den ostdeutschen Bundesländern viele Wähler angesprochen - bei den jüngsten Wahlen hat die Partei mit dem BSW neue Konkurrenz bekommen und eine Niederlage hinnehmen müssen. „Die Schwächung der Linken findet aber bereits seit den Bundestagswahlen 2021 statt, ohne dass das zu einem Umsteuern in der Bundespolitik unserer Partei geführt hat“, bemerkt Herbert Behrens aus der Stadtratsfraktion in Osterholz-Scharmbeck. „Die Abspaltung der Fraktion um Sahra Wagenknecht hat nicht dazu geführt, dass Die Linke klare Antworten auf das Bedürfnis der Menschen gefunden hat, die einfach ihr Auskommen haben wollen und erwarten, dass das Leben und das System einfach funktioniert“, bedauert Behrens.

„Ein reines Abarbeiten an den Positionen der AfD hilft nicht weiter“, meint Behrens. Das Erstarken des Rechtsextremismus sei ein Zeichen dafür, „dass sich die ‚einfachen Leute‘ nicht mehr wahrgenommen fühlen. Sie haben das Gefühl, bei politischen Entscheidungen nur noch verwaltet und nicht beteiligt zu werden.“

Diese Diagnose teilt auch Stefan Klingbeil vom Kreisverband der Linken in Rotenburg (Wümme). Rechtsradikalen könne man nicht begegnen, indem man ihre Forderungen bediene und „daraus, eigene, angepasste Maßnahmen daraus formuliert. Was es braucht, ist eine positive und optimistische Vision der Zukunft, echte Überzeugungen, die all jene mobilisiert, die mit uns Verlässlichkeit im Kampf gegen Ungerechtigkeiten und der Lösung von Alltagsproblemen verbinden.“

Zurück zu den Grundwerten

Sven Anacker kommt ursprünglich aus Thüringen. Er sei „erschrocken, dass dort ein Drittel der Wähler der Meinung sein kann, eine laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextreme Partei könne das Land nach vorne bringen“, sagt der Vorsitzende der Bremervörder FDP. Mit einem schwachen Wahlergebnis für die eigene Partei habe er gerechnet, sagt Anacker. Dass die Liberalen am Ende mit rund einem Prozent der Stimmen nur noch unter „Sonstige“ geführt wurden, habe ihn aber dennoch überrascht.

Anacker hegt keinen Zweifel daran, dass die Ampel-Regierung daran eine Mitschuld trage. Mehr als die Hälfte der FDP-Mitglieder habe bereits im letzten Jahr für einen Austritt aus der Regierungskoalition gestimmt. „Inzwischen dürften es mehr sein“, vermutet Anacker. Er wünscht sich von der FPD eine Rückkehr „zu ihren liberalen Grundwerten, die mich vor fast genau 20 Jahren dazu bewogen haben, in die Partei einzutreten.“ Sich nur auf die Asyl- und Zuwanderungspolitik zu konzentrieren, genüge nicht.


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