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Käte Heins

„Omas gegen Rechts“ putzen Stolpersteine

Beverstedt. Zwei Frauen verliehen den kleinen Gedenktafeln für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus neuen Glanz und wollen damit auch die Erinnerung an Familien wie die Brumsacks wachhalten.

Seit 25 Jahren ist der 27. Januar Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, weil die Rote Armee der Sowjetunion an diesem Tag im Jahr 1947 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau überlebende Häftlinge befreit hat.
Bedingt durch die Corona-Pandemie fanden in diesem Jahr vielerorts stille Gedenken statt. In Beverstedt erinnern zehn Gedenktafeln, sogenannte Stolpersteine, eingelassen in das Pflaster auf dem Bürgersteig an das Schicksal der Menschen, die während des NS-Regimes verfolgt, deportiert und ermordet wurden.
 
Gegen das Vergessen
 
Mit dem Putzen der Stolpersteine wollten die „Omas gegen Rechts“ nicht nur die Erinnerung wachhalten, sondern auch angesichts des zunehmenden Antisemitismus mahnen. „Der Antisemitismus in Deutschland ist gewachsen. Wir wollen uns dafür einsetzten, dass unsere Geschichte nicht vergessen wird“, betont Andrea Türk, Gründungsmitglied der Initiative.
Zusammen mit Marie Pfeiffer und Monika Teubner suchte sie am vergangenen Mittwoch ohne Öffentlichkeit und in der Stille die Stolpersteine im Zentrum Beverstedts auf, um ihnen neuen Glanz zu verleihen.
 
Innehalten und Bezüge herstellen
 
Der Stolperstein von Selma Goldberger liegt direkt vor der Ladentür von Manuela Wille. Im November lagen Blumen neben der Gedenktafel, berichtet Wille. Oft gingen die Passant:innen aber achtlos daran vorüber. Jetzt, wo sie wieder leuchte, werde der eine oder andere bestimmt stehen bleiben und innehalten.
Und sich vor Augen führen, was einst hier passierte. Dass jemand in Beverstedt wohnte, dessen Leben 1942, nach der Deportation ins Getto Theresienstadt, durch die Nazis ausgelöscht wurde. Das helfe, historische Bezüge wiederherzustellen, ist sich Manuela Wille sicher.
Vor dem ehemaligen Geschäftshaus der Familie Brumsack in der Meyerhofstraße knien Andrea Türk, Marie Pfeiffer und Monika Teubner ebenfalls auf dem Bürgersteig, um die Stolpersteine von Emma, Grete und Julius Brumsack zu polieren.
 
Jüdisches Leben in Beverstedt
 
1915 wurde Julius Brumsack in Beverstedt geboren. Hier betrieb seine Familie in der Poststraße eine Schlachterei. Die Brumsacks gehörten der jüdischen Gemeinde in Osterholz-Scharmbeck an. Julius Brumsack erlebte eine unbeschwerte Kindheit in Beverstedt. Mit 14 begann er eine kaufmännische Lehre bei Verwandten in Sehnde.
Durch einen glücklichen Umstand entging er seiner Verhaftung. Im April 1939 verließ Brumsack Deutschland, ging nach Großbritannien und bekam eine neue Identität. Aus Julius Brumsack wurde Jeffrey Barcly. Als britischer Soldat erlebte er in Brüssel die Kapitulation.
Bei seiner Rückkehr nach Beverstedt stieß Brumsack auf eine Mauer des Schweigens. Erst 1951 erhielt er das elterliche Anwesen zurück. Inzwischen verheiratet und Vater eines Sohnes, eröffnete Julius Brumsack in der Meyerhofstraße ein Textilgeschäft und wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann.
Ältere Mitbürger:innen die sich an Julius Brumsack erinnern, kannten ihn als einen liebenswerten Menschen, der nicht mit seinem Schicksal haderte. Seine Geschichte hat in Beverstedt Spuren hinterlassen. 2011 verstarb Julius Brumsack. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Beverstedt beigesetzt.
 
Antisemitisches Gedankengut verbreitet sich weiter
 
Grundsätzlich werde es immer gefährlicher, in Deutschland wieder jüdisches Leben zu leben, sagt Ortsvorsteher Harald Michaelis (SPD). Antisemitisches Gedankengut verbreite sich immer stärker. Es gebe immer mehr Stimmen, die sagen, den Holocaust hätte es nicht gegeben und gleichzeitig gebe es immer weniger Zeitzeugen.
„Wir machen weiter und wollen aufklären“, betont deshalb Andrea Türk. Und auch wenn in den kommenden Monaten der Glanz der Stolpersteine witterungsbedingt wieder verblassen werde - Erinnerung sei Kultur, egal, aus welcher Familie man komme. Von seiner Geschichte könne man sich nicht trennen.
Über die Stolpersteine in Beverstedt wurden übrigens intensive Diskussionen geführt, bevor Michaelis im Jahr 2016 schließlich mit Unterstützung des Ortsbeirates den Künstler Gunter Demnig nach Beverstedt holte, der die Steine gestaltete.
Finanziert wurde die Aktion durch Spenden. Gesucht werden noch Menschen, die Patenschaften für die Steine übernehmen wollen und diese gelegentlich putzen würden.
Diese Stolpersteine erinnern an Mitglieder der Familie Brumsack.


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