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Lena Stehr

Mehr Anerkennung und weniger Hürden für das Ehrenamt

Niedersachsen. Fast jeder zweite Mensch in Niedersachsen engagiert sich ehrenamtlich. Zum Tag des Ehrenamts in der vergangenen Woche fordert der Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen mehr Anreize und Förderungen sowie bessere gesetzliche Rahmenbedingungen fürs Ehrenamt.

Bild: ©higyou - stock.adobe.com

„Ein einfaches Dankeschön reicht in der heutigen Zeit nicht mehr aus. Wir brauchen dringend mehr Anerkennung und weniger bürokratische Hürden für unsere Ehrenamtlichen. Ohne die nötige Wertschätzung verlieren wir sonst eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft“, mahnt VdK-Landesverbandsvorsitzender Friedrich Stubbe. Der freiwillige Einsatz für die Gemeinschaft sei keineswegs selbstverständlich.
Ob im Katastrophenschutz, in Sportvereinen, sozialen Organisationen oder auch in der Lokalpolitik – der unentgeltliche und zeitintensive Einsatz zahlreicher Menschen sei ein unverzichtbarer Bestandteil des Alltags.
Doch man merke auch, dass der freiwillige Einsatz längst nicht mehr so selbstverständlich und dauerhaft angelegt sei wie noch vor einigen Jahren, so Stubbe. Der VdK fordert deshalb eine neue Anerkennungskultur. Unter anderem sollte der öffentliche Nahverkehr für ehrenamtlich Tätige kostenfrei sein. Außerdem brauche es kostenlose Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote und dafür entsprechenden Bildungsurlaub. Höhere Steuerfreibeträge für ehrenamtlich tätige Vorstände und eine stärkere Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement etwa für Schule und Studium seien darüberhinaus ebenso wünschenswert wie eine bessere Transparenz im Bereich der Unfall- und Haftpflichtversicherung. Für Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, fordert der VdK außerdem einen Rechtsanspruch auf bedingungslose Gewährung einer Assistenz, um ein Ehrenamt auszuüben.
 
Kritik an der Ehrenamtskarte
 
Dr. Regine Moll von der Freiwilligenagentur Lilienthal sieht das genauso und wünscht sich echte Anreize für verschiedene Zielgruppen. Zwar gebe es die Ehrenamtskarte, mit der man zum Beispiel in Lilienthal 50 kostenlose Kopien im Rathaus machen oder einen kostenlosen Erlebnistag im Golfclub verbringen könne, gerade für jüngere Menschen sei das aber nur bedingt attraktiv, findet Regine Moll. „Toll wäre, wenn es zum Beispiel Vergünstigungen in verschiedenen lokalen Geschäften geben würde, in denen auch junge Leute einkaufen würden“.
Außerdem sei die Voraussetzung, überhaupt eine Ehrenamtskarte zu bekommen recht hoch, findet Moll. So müssen über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren mindestens fünf Wochenstunden ehrenamtliche Arbeit nachgewiesen werden. „Das ist für die meisten Berufstätigen oder Studierenden doch gar nicht zu stemmen“, sagt Regine Moll.
Problematisch sei auch, dass es oft keine Ansprechpartener:innen für Vereine gebe, die fundiert über Rechte und Pflichten informieren können. „Wir mussten in der Vergangenheit eine zum Thema geplante Veranstaltung absagen, weil wir keinen Anwalt gefunden haben, der sich damit auskannte“, sagt Moll.
Die Freiwilligenagentur berät und begleitet Ehrenamtliche und Organisationen in ihren unterschiedlichen Aufgaben, führt aber keine Rechtsberatung durch, betont Regine Moll, die als einzige des rund 30 Mitglieder starken Kernteams hauptamtlich (18 Stunden) angestellt ist und einen Großteil ihrer Arbeitszeit damit verbringt, immer wieder neue Förderanträge zu stellen und abzuwicklen.
Denn jeder Verein - und auch die Freiwilligenagentur - müsse immer wieder neue Anträge bei Land und Kommune stellen, um weiter Geld zu bekommen.
Letztendlich sei jeder Anreiz für ein Ehrenamt positiv, sagt Regine Moll, die mit der Freiwilligenagentur schon rund 80 Menschen zu einem passenden freiwilligen Engagement verholfen hat.
 
Anrechnung auf die Rente
 
Andreas von Glahn, Vorsitzender des Bremervörder Vereins „Tandem - soziale Teilhabe gestalten“, weiß, dass „ohne Ehrenamtliche gar nichts läuft und zum Beispiel auch die Tafel dicht machen könnte“. Für langjährig ehrenamtlich Tätige würde er sich eine Anrechnung auf die Rente wünschen, so wie es auch der Tafel-Dachverband bereits gefordert hat.
Es werde immer schwerer Menschen zu finden, die sich langfristig und in verantwortungsvollen Positionen engagieren wollen, sagt von Glahn, der derzeit auf der Suche nach einem neuen Leiter für die Tafel in Bremervörde ist. Grundsätzlich sei das Ehrenamt eine „staatsbürgerische Pflicht“. „Es sollte für jeden normal sein, sich ehrenamtlich zu engagieren“, sagt von Glahn.


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