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Lena Stehr

Massive Kritik am neuen Kita-Gesetz

Niedersachsen. Wohlfahrtsverbände, Elterninitiativen, Kitabeschäftigte und ver.di sehen keine substanziellen Verbesserungen und fordern bessere Rahmenbedingungen.

Bild: Adobe Stock/Natasha Bolbot

Seit 1993 regelt das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) landesweit einheitliche Mindestanforderungen an die Strukturqualität von Kindertageseinrichtungen in Niedersachsen. Bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten fordern Beschäftigte, Eltern und Träger eine umfassende Novellierung des Gesetztes. Doch nachdem die Landesregierung am vergangenen Montag den neuen Entwurf auf den Weg gebracht hat, sind die Enttäuschung und die Empörung riesig. Vor dem Landtag und auch in unserer Region protestierten deshalb zahlreiche Kita-Beschäftigte unter anderem für einen schnelleren Personalausbau als jüngst beschlossen.
 
Keine Novellierung sondern eine Farce
 
„Ich bin erschüttert und all meine Hoffnungen wurden begraben“, sagt Bettina Paul-Renken, pädagogische Leitung des evangelischen Kita-Verbandes Osterholz-Scharmbeck, zu dem insgesamt neun Einrichtungen gehören. Bei dem neuen Gesetz handele es sich nicht um eine Novellierung, sondern um eine Farce. So hätte sich unter anderem seit 30 Jahren nichts an der sogenannten Verfügungszeit für Kita-Leitungen und Mitarbeitende verändert, obwohl sich der Arbeitsaufwand (Berichte schreiben, Dienst- und Elterngespräche, individuelle Förderung) deutlich erhöht habe.
 
Kleine Kitas im Nachteil
 
Auch dass die Leitungsstunden von Kitas nach Größe der Einrichtung bzw. nach den vorhandenen Gruppen berechnet würden und somit die Leitungen kleinerer Kitas im Nachteil seien, obwohl sie im Grunde die gleiche Arbeit machen, findet Bettina Paul-Renken ungerecht und nicht zeitgemäß.
 
Kein Rechtsanspruch auf integrativen Kita-Platz
 
Empörend sei zudem, dass Kinder mit Behinderung nach wie vor keinen Rechtsanspruch auf einen integrativen Kita-Platz haben.
 
Dritte Kraft für Ganztagsgruppen
 
Immerhin solle eine dritte Kraft in die Gruppen kommen, doch das nur mit vielen Einschränkungen. So sieht der von SPD und CDU geschaffene Gesetzes-Entwurf vor, das ab August 2023 mindestens 2.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden sollen. Die Auszubildenden sollen pro Woche 15 Stunden in den Kindertagesstätten arbeiten. Ab 2027 sollen Kita-Gruppen, in denen Kinder ganztags betreut werden, eine dritte Kraft mit 20 Wochenstunden bekommen.Für Petra von Reith, Leiterin der Kita Sprungschanze in Karlshöfen (Gemeinde Gnarrenburg) ändert sich somit personell durch das neue Gesetz nichts, denn die Kita bietet derzeit nur eine Vormittagsbetreuung an.
 
Zu wenig Zeit für das einzelne Kind
 
Positiv bewertet sie, dass nun immerhin die Ausbildung der angehenden Erzieher:innen bezahlt werde, doch sie wünscht sich vor allem bessere Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Kitas. Viele junge Leute würden den Beruf wieder aufgeben, weil die Aufgaben immer umfangreicher und die Ansprüche immer größer würden, so von Reith. Die Zeit für das einzelne Kind komme viel zu kurz, daran ändere sich durch das neue Gesetz gar nichts.
 
„Skandalöser Gesetzentwurf“
 
Die Gewerkschaft ver.di sieht keine substanzielle Verbesserungen in dem Gesetz und bezeichnet es als skandalös, den neuen Entwurf „im Windschatten der Corona-Pandemie durchdrücken zu wollen“.
Mit dem Stufenplan zur Einführung der 3. Kraft in Kindergartengruppen mache die Landesregierung zwar einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Der Plan sei aber wenig ambitioniert und nicht ausreichend, da erst in sechs Jahren eine verbindliche dritte Kraft vorgesehen sei, so Katja Wingelewski von ver.di. Es stelle sich auch die Frage, wie Auszubildende eine Entlastung in der Betreuung darstellen sollen, wenn sie in ihrem Praxiseinsatz selber noch Lernende sind.
 
Tonne verteidigt Beschluss
 
Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) verteidigt indes den Beschluss von SPD und CDU. Man könne nur dann mehr Personal einstellen, wenn man genügend Fachkräfte ausbilde. Darauf sei das neue Gesetz ausgerichtet. Nach jahrzehntelangen Debatten werde endlich gehandelt.


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