Lena Stehr

Jetzt wird abgerechnet

Niedersachsen. Viele Unternehmer:innen werden zur Kasse gebeten und müssen Corona-Soforthilfen zurückzahlen, die sie Anfang 2020 erhalten haben. Abgesehen vom bürokratischen Aufwand, geraten viele dadurch erneut unter finanziellen Druck.
Wer kein Minusgeschäft gemacht hat, muss zahlen. (Bild:adobestock)

Wer kein Minusgeschäft gemacht hat, muss zahlen. (Bild:adobestock)

Die landeseigene NBank hat nach eigenen Aussagen bisher mehr als 6 Milliarden Euro Hilfsmittel an niedersächsische Unternehmen ausgezahlt, um die Folgen der Corona-Krise abzumildern. Gut 900 Mio. Euro davon gingen als vergleichsweise unbürokratische Soforthilfe im Frühjahr 2020 an 140.000 Antragsteller:innen. Unternehmen mit maximal fünf Beschäftigten konnten bis zu 9.000 Euro beantragen, Firmen mit maximal zehn Beschäftigten bis zu 15.000 Euro.
 
4.500 Antragsteller:innen in der Region
 
Rund 16,8 Mio. Euro Soforthilfe flossen an insgesamt 2.591 Antragsteller:innen aus dem Landkreis Rotenburg und rund 11,5 Mio. Euro an 1.883 Antragsteller:innen aus dem Landkreis Osterholz. Die Höhe der Auszahlungen basierte dabei auf Schätzungen der Antragstellenden. Dabei orientierte sich die Soforthilfe am zu erwartenden Liquiditätsengpass. Dieser liegt vor, wenn die Ausgaben die Summe der Einnahmen übersteigen. Mit dem ersten Lockdown im März 2020 rechneten viele Unternehmer:innen nicht mehr mit Einnahmen und beantragten die volle Summe.
Und während zahlreiche andere Förderprogramme weiterhin verfügbar sind, gehen die Soforthilfen nun in die Abrechnung. Das bedeutet, dass alle, die Soforthilfen erhalten haben, nun nachweisen müssen, dass die Gelder gerechtfertigt waren. Sind sie besser durch die Pandemie gekommen als zum Antragszeitpunkt erwartet, müssen sie große Teile der Unterstützung zurückzahlen. Der Stichtag dafür wurde gerade von Ende Februar auf den 31. Oktober 2022 verschoben.
 
Bürokratischer Aufwand und finanzieller Druck
 
Arne Reinecker, Leiter der Abteilung Recht und Steuern, Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum, begrüßt diesen Aufschub. Abgesehen von dem hohen bürokratischen Aufwand, gebe es Fälle, in denen die Betroffenen nun ziemlich unter Druck gerieten, weil sie einfach nicht flüssig seien. Das treffe vor allem auf Branchen zu, die kaum kalkulieren könnten - zum Beispiel die Veranstaltungsbranche.
 
Wer kreativ wurde, ist jetzt im Nachteil
 
Doch auch in der Gastronomie sind nach ANZEIGER-Informationen einige Gastwirt:innen ziemlich angeschmiert. Nämlich wenn sie alles Mögliche versucht haben, um das Geschäft - auch unter Verwendung der Soforthilfe - am Laufen zu halten und zum Beispiel neue Geschäftsmodelle wie den Außer-Haus-Betrieb entwickelt haben. Im Rückblick ergibt sich dadurch nämlich oftmals ein wesentlich kleinerer Liquiditätsengpass für die drei Fördermonate als zunächst gedacht, obwohl die Umsätze insgesamt nicht mit denen unter normalen Bedingungen vergleichbar sind. „Alle, die was gemacht haben, müssen nun Geld, das sie eigentlich nicht über haben, zurückzahlen, wer aber einfach nur dichtgemacht hat, der wird nicht zur Kasse gebeten“, sagt ein Gastwirt aus der Region, der anonym bleiben möchte.
 
Soloselbstständige betroffen
 
Simone Schröter vom Zweiradgeschäft Kliem in Ritterhude und Vorsitzende der Interessengemeinschaft Ritterhuder Betriebe (IRB) gibt zu bedenken, dass insbesondere Soloselbstständige hart getroffen würden. Denn das Gehalt, dass die Kleinunternehmer:innen an sich selbst auszahlen, werde in den Berechnungen nicht berücksichtigt. „Wer kein Minusgeschäft gemacht hat, muss zahlen“, sagt Simone Schröter.
Grundsätzlich sei es aber richtig, dass zu viel gezahltes beziehungsweise nicht benötigtes Geld auch zurückgezahlt werden müsse. Zumindest im Einzelhandel seien die meisten, die sie kenne, zum Glück nicht so hart getroffen worden wie befürchtet und hätten das Geld auch schon zurückgezahlt. Laut NBank haben sich bisher rund 80.000 der 130.000 angeschriebenen Unternehmer:innen zurückgemeldet. Rund 10.000 Unternehmen hatten bereits im vergangenen November mehr als 62 Millionen Euro freiwillig zurückgezahlt. Für Unternehmen, die im Rahmen des Rückmeldeverfahrens Unterstützung benötigen, hat die NBank ausführliche Hilfestellungen geschaffen. Zusätzlich unterstützen IHK, HWK und Wirtschaftsförderstellen bei den Kommunen.


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