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Lena Stehr

"Jeder Arm zählt"

Niedersachsen. Wie das Impfen in den Arztpraxen vorankommt, darüber berichten Hausärzt:innen aus der Region.

Bild: Adobe Stock / jacob lund

Niedersachsen. Bis Ende Juni sollen in den Arztpraxen in Niedersachsen laut der Gesundheitsministerin weit über vier Millionen Impfdosen ankommen. Derzeit ist der Impfstoff noch knapp und der Arbeitsaufwand aus mehreren Gründen enorm, berichten Hausärzt:innen aus der Region. Als „wichtige Säule der Impfkampagne“ bezeichnet die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens die niedergelassenen Ärzt:innen. Ein Bärendienst in Briefform Mit den Impfbriefen habe Behrens jenen aber laut Ruben Bernau, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Hambergen, einen Bärendienst erwiesen. Die werden seit Kurzem von den Krankenkassen an Menschen verschickt, die sich „aus individuellen medizinischen Gründen für einen Termin in ihrem Impfzentrum oder bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten anmelden können.“ Teilweise handele es sich aber um uralte Diagnosen oder um solche, die keine Priorisierung rechtfertigen, so Bernau. So berichtet Hausarzt Dr. Henning Venjakob aus Selsingen z. B. von einem jungen Mann mit einem eingewachsenen Zehennagel, der eine Impfberechtigung bekam. Und Hausärztin Andrea Hartung aus Osterholz-Scharmbeck musste versuchen, einem Ehepaar mit den gleichen Vorerkrankungen und der gleichen Krankenkasse zu erklären, warum nur einer der beiden einen Impfbrief erhalten hatte. Bernau habe nun selbstständig vielen Betroffenen - in guter Hoffnung auf genügend Impfstoff - Termine im Mai angeboten, weil „jeder Arm zählt.“ Und welcher Arm zuerst an der Reihe ist, wüssten die Hausärzt:innen am Besten. Die Impfbriefe hätte es auch deshalb nicht gebraucht, weil sich ohnehin etliche Patient:innen unaufgefordert bei den Ärzt:innen meldeten, die lieber in der Hausarztpraxis als im Impfzentrum ihren Corona-Schutz bekommen wollten. Zu diesen Anfragen, die abgearbeitet werden müssten, kämen seit drei Wochen auch mehrere Hundert Anrufe pro Woche, um die Impfberechtigten aufgrund der internen Prioritätslisten einzuladen. Die Helferinnen seien am Limit, die Arbeit habe sich extrem verdichtet und der bürokratische Aufwand sei enorm, sind sich die Ärzt:innen einig. Ungeduldig und genervt Nancy Altmann, Fachärztin für Allgemeinmedizin aus Ebersdorf, berichtet zudem, dass viele Patient:innen ungeduldig und teilweise auch genervt und verärgert seien, weil es ihnen entweder nicht schnell genug gehe oder weil sie keine Wahlmöglichkeit in Bezug auf den Impfstoff hätten. Insbesondere beim Impfstoff von AstraZeneca gebe es großen Aufklärungsbedarf. In den meisten Fällen könne sie den Patient:innen die Ängste aber nehmen, sagt Andrea Hartung. Aber insgesamt sei der Großteil der Menschen, die inzwischen geimpft werden konnten, sehr dankbar und froh, berichten die Ärzt:innen unisono. Zu wenig an Impfstoff und Spritzen Sehr problematisch sei aber, dass es noch immer zu wenig Impfstoff gebe und meist erst sehr kurzfristig klar sei, welchen und wie viel Impfstoff die Praxen überhaupt geliefert bekämen. „Ich weiß es erst sicher, wenn der Apotheker mit dem Karton vor mir steht“, sagt Ruben Bernau. Fest steht, dass Henning Venjakob in der vergangenen Woche gerade einmal sechs Corona-Schutzimpfungen durchführen konnte, die Woche davor waren es 18. Ähnlich sieht es auch bei Nancy Altmann aus, die mit ihrem kleinen Team auch außerhalb der Sprechstunde impft, weil es anders nicht zu schaffen sei. Andrea Hartung hat seit Ostern 150 Patient:innen impfen können. Für die kommende Woche rechnet sie mit Impfstoff für knapp 100 Menschen. Die Ärztin lobt insbesondere die gute Zusammenarbeit mit den Apotheken und hofft, dass - vor allem wenn sich die Liefermenge an Impfstoff erhöhe - auch weiterhin genügend Spritzen vorrätig seien. Denn um die Corona-Schutzimpfung verabreichen zu können, würden spezielle, kleine Insulinspritzen benötigt. Und die seien kürzlich nur schwer zu bekommen gewesen. „Die Impfung wirkt“ Trotz aller Schwierigkeiten und der hohen Belastung, bei der auch die eigene Familie häufig zu kurz komme, sind die Ärzt:innen aber durch die Bank weg froh, dass sie endlich aktiv bei der Bekämpfung der Pandemie helfen können. „Wir sehen auch, dass es wirkt und schon die erste Impfung therapeutische Vorteile bei schweren Verläufen bringt“, sagt Henning Venjakob. Und sein Kollege Ruben Bernau ergänzt: „Uns graut vor der Arbeit, wenn die Priorisierung fällt und parallel die Zweitimpfungen anstehen, aber wir freuen uns, dass wir an einer guten Sache mitwirken.“ Impftermine online absagen Bernau weist darauf hin, dass Menschen, die ihren Impftermin im Impfzentrum nicht wahrnehmen können oder wollen, diesen unbedingt absagen sollten. Das geht wie berichtet, inzwischen auch online unter www.impfportal-niedersachsen.de. Foto: Adobe Stock/scalinger


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