Patrick Viol

Ehrenamtliche und Tandem e.V. helfen Menschen durch die Krise

Bremervörde/Gnarrenburg. Der Tandem e. V. leistet in Bremervörde und Gnarrenburg seit Jahren wichtige Arbeit und ermöglicht Menschen soziale Teilhabe. Auch während Corona trotz massiver Schwierigkeiten.

In der gesellschaftlichen Debatte über die Gründe, warum sich bislang in Deutschland während der Pandemie nicht die ganz großen Tragödien ereigneten - wie beispielsweise in Italien, den USA oder Brasilien - werden der frühe Lockdown, das gute Gesundheitssystem, allen voran die Arbeit der Pflegekräfte und die Besonnenheit der Bürger*innen im Umgang mit den Einschränkungen genannt. Was nicht bedeutet, dass es die individuellen Tragödien nicht gegeben hat. Aber ein allgemeines Schreckenszenario trat nicht ein und die Alten, Kranken und Schwachen konnten bisher weitestgehend geschützt werden.
Neben den körperlich Schwachen gibt es aber auch die sozial und ökonomisch Benachteiligten und jene, die mit psychischen Belastungen oder Krankheiten, mit Depressionen und Ängsten zu kämpfen haben und ambulante Hilfe sozialpsychatrischer Dienste in Anspruch nehmen. Diese Menschen sind auf ehrenamtlich Engagierte und die Arbeit von Vereinen wie dem Tandem e. V. in Bremervörde und Gnarrenburg angewiesen. Und in der Krise mehr als zuvor. Zum einen, weil vielen Menschen das Geld knapp geworden ist, zum anderen, weil ein unsichtbarer und für manche tödlicher Virus auch furchteinflößend sein kann. So ist es auch der Arbeit von Ehrenamtlichen und sozialen Vereinen zu verdanken, dass das große Drama in den kleinen Kommunen in der Corona-Krise bisher ausblieb. Trotz erschwerter Bedingungen. Denn integraler Bestandteil sozialer Arbeit im öffentlichen Raum ist die Begegnung mit Menschen: beim Besuch der Tafel oder in der Begegnungsstätte. Gemeinsam essen und reden, eine fürsorgliche Berührung der Schulter der Hilfesuchenden, ein offenes Ohr. Dinge, die in den letzten Wochen in der gewohnten Form nicht mehr möglich waren. Abstand halten und Zuhause bleiben war der Vernunft- und Rücksichtsgebot, während es der natürliche Impuls von Menschen ist, sich in schwierigen Situationen zusammenzutun und sich auszutauschen.
So mussten Menschen wie Andreas von Glahn und Thelke Scholz vom Tandem e. V. kreativ werden, um einen Weg zu finden, wie sie für Menschen da sein konnten, ohne physisch wirklich präsent zu sein.
 
Tafeln nehmen Regelbetrieb wieder auf
 
„Erst waren wir natürlich in Schockstarre“, sagt von Glahn, Vorsitzender des Tandem Vereins, der auch Träger der örtlichen Tafeln in Bremervörde und Gnarrenburg ist. Die hat der Tandem zunächst schließen müssen. Wie es für die meisten Ehrenämter typisch ist, sind sie auch bei der Tafel mit Menschen aus der Risikogruppe besetzt. „Aber nach kurzer Zeit haben wir einen Lebensmittel-Hausbringdienst organisieren können“, so von Glahn. Erst wurden die Ältesten und chronisch Kranken, dann zusätzlich noch alleinerziehende und deren Kinder versorgt. Unterstützt worden sei der Tandem dabei von der Aktion Mensch. In Gnarrenburg hat der Verein Unterstützung von den Landfrauen erfahren. Sie haben den Tafeldienst während des harten Lockdowns aufrechterhalten, wofür von Glahn und Scholz mehr als dankbar seien. „Ohne die Landfrauen wäre der Lebensmittel-Bringdienst in Gnarrenburg nicht möglich gewesen, eine tolle Leistung“, so Thelke Scholz.
Dass die LandFrauen die Tafel in Gnarrenburg am Laufen hielten, geht auf die Initiative ihrer zweiten Vorsitzenden, Andrea Garms, zurück. Die Absprache mit dem LandFrauen-Vorstand war schnell erledigt, der Kontakt zur Tafel Bremervörde rasch und unkompliziert hergestellt. Mit vier weiteren Landfrauen lieferte Garms jeden Donnerstag an die Tafelkunden in Gnarrenburg Lebensmittel an die Haustür. Dafür hätten sich die engagierten Frauen den Titel „Heldinnen des Alltags“ redlich verdient, wie der Vorstand des Tandems mitteilt. Froh sind von Glahn und Scholz nun aber auch, dass ab dem 9. Juni der Regelbetrieb der Tafeln wieder aufgenommen werden kann. Natürlich mit entsprechendem Hygienekonzept. Für die Ausgabestelle Bremervörde gelten in Folge die „alten“ Öffnungszeiten: dienstags in der Zeit von 15 bis 17 Uhr sowie freitags von 13 bis 15 Uhr. Eine halbe Stunde vorher werden die Platznummern verteilt. In Gnarrenburg erfolgt die Lebensmittelausgabe immer donnerstags von 13.30 bis 14.30 Uhr. Das erste Mal am 11. Juni.  Die Luft ist raus  Aber nicht nur die Tafeln gehen zurück zum Regelbetrieb. Ebenso erfreulich sei, dass die Begegnungsstätte wieder Besucher*innen empfangen dürfe. Denn langsam sei die Luft raus. Auch wenn man in der Zeit der Schließung jede Möglichkeit alternativen Zusammenkommens genutzt habe. „Wir haben z. B. versucht, Begegnungen online zu ermöglichen“, erklärt Scholz, um für Menschen mit Ängsten und anderen psychischen Belastungen und ihre Angehörigen ansprechbar zu bleiben. Der Besuch der Begegnungsstätte sei ein strukturierender Fixpunkt im Alltag für Betroffene von psychischen Krankheiten. Bitter sei es dementsprechend gewesen, dass manche, denen eine Online-Begegnung hätte helfen können, keine Endgeräte besäßen, die sie ihnen ermöglicht hätte. Als Ausgleich hatte man auch eine analoge Idee: eine Ausgabe von Kräutertöpfen. So konnten jene, die sonst zum Mittagsessen gekommen wären, in der Zeit der Schließung Kräuter ziehen, um sie zur Wiedereröffnung zum Kochen mitzubringen. So habe man etwas gemeinsam getan, ohne beieinander gewesen zu sein. In Einzelfällen habe man aber auch Verabredungen zu Spaziergängen getroffen. In Gesprächen mit Betroffenen aber auch mit Kolleg*innen, im Trialog, haben Scholz und von Glahn erfahren, dass - entgegen der Erwartung - Menschen mit Ängsten auf den Lockdown anfänglich positiv reagierten. Weil sie nun nicht mehr die Einzigen seien, die sich vor der Welt fürchteten. Diese Reaktion habe natürlich auch etwas mit der ländlichen Region zu tun. Denn wer sich in einer Großstadt in einer kleinen Sozialwohnung eingeschlossen fühlt, dem ergeht es anders als jemandem, der in Bremervörde eine Wohnung mit Garten besitzt. Aber die Reaktion zeige auch: „Auf dem Land scheinen die Auffangnetze fester gestrickt zu sein“, so Scholz. Auch, wenn etwas Glück dazugehöre, ergänzt von Glahn. Die Infektionsdichte sei hier doch verschwindend gering. Aber man müsse die weitere Entwicklung abwarten. Apropos Zukunft: Scholz und von Glahn würden sich wünschen, dass politische Entscheidungsträger*innen aus der Krise die Erfahrung mitnähmen, wie wichtig und vielfältig die Arbeit ambulanter Träger ist. Konkret hieße das natürlich mehr Geld. Bewiesen, dass sie es wert sind, haben sie es allemal.


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