

Herr Stelling, Sie sind gerade zum zweiten Mal Vater geworden. Wie sehen Sie Leben und Karrierechancen für junge Familien im Vörder Land?
Ich liebe meine Heimat. Ich bin fest verwurzelt im Ehrenamt, der Großteil meiner Familie lebt hier. Unsere Kinder wachsen in ländlicher Umgebung auf – das ist Lebensqualität.
Wir haben hier zwar wenige Großunternehmen, aber einen starken und innovativen Mittelstand. Qualifizierte Arbeitskräfte werden händeringend gesucht. Das heißt: Karrierechancen für Fachkräfte sind da. Aber wir müssen als Region noch attraktiver werden, um mehr Menschen hierher zu holen. Der demographische Wandel wird uns hart treffen.
Sie sind 32 Jahre alt, aber bereits politisch erfahren. Was motiviert Sie? Und worin liegen Ihre Stärken?
Ich freue mich, dass ich neben dem Stadtrat auch in den Kreistag gewählt wurde. Wir sind mit einer ganzen Riege junger Abgeordneter gestartet – ich war, glaube ich, der fünftjüngste. Der Landkreis ist groß, die Herausforderungen ähnlich, aber regional verschieden. Man muss Interessen ausgleichen, besonders bei den Finanzen. Wer nur an seinen Kirchturm denkt, wird auf Kreisebene wenig erreichen.
Ich bin Sprecher im Ausschuss für Finanzen, Personal und Organisation sowie stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. Hier bringe ich meine Erfahrung als Wirtschaftsförderer und Verwaltungsbetriebswirt ein. Außerdem sitze ich im Ausschuss für Sport und Kultur – dort geht es um Ehrenamtsförderung, die mir sehr am Herzen liegt.
Nach Landrat Marco Prietz und MdB Vanessa Zobel sind Sie der dritte, ungleiche jüngere Senkrechtstarter ihrer Partei in Bremervörde. Was ist das Geheimnis ihrer Partei für junge Talente?
Wir bringen junge Mitglieder früh in Verantwortung. Nicht nur Plakate kleben, sondern mitentscheiden. Als JU-Vorsitzender durfte ich schon ein kleines Team führen und wurde früh in die Stadtratsfraktion in Bremervörde eingebunden, noch vor dem Abi. Das hat motiviert.
Kommen wir zu den schwierigen Themen. Wie kann Innovationsförderung im Landkreis gestärkt werden?
Ein wichtiges Thema – damit habe ich auch meine Arbeit im Landkreis Osterholz begonnen. Die Landkreise arbeiten eng zusammen, weil die Herausforderungen ähnlich sind: viele Mittelständler, wenige Hochschulen. Mit der Innovationsagentur Nordostniedersachsen, an deren Konzeption ich mitgearbeitet habe, fördern wir regionalen Wissens- und Technologietransfer. Das Transferzentrum Elbe-Weser in Stade leistet dabei hervorragende Arbeit. Und die Unternehmen sind sehr zufrieden. Der Landkreis muss aber natürlich auch eine gute Infrastruktur bieten, um für Unternehmen von außerhalb attraktiv zu sein.
Was muss sich bei der Infrastruktur tun?
Beim Breitband, den Schulen und Kreisstraßen sind wir auf einem guten Weg. Die langfristige Finanzierung des OsteMed-Krankenhauses in Bremervörde ist eine große Herausforderung – das kostet uns zurzeit viele Millionen Euro Beim Bau der A20 und bei Bahnreaktivierungen müssen wir gegenüber Land und Bund hartnäckig bleiben. Kommunen in Autobahnnähe wachsen deutlich stärker.
Braucht es auch neue Gewerbeflächen im Landkreis?
Unbedingt. Für Neuansiedlungen, aber auch zur Erweiterung bestehender Betriebe. Die Erschließung wird durch steigende Preise schwieriger. Wir sollten hier überkommunal denken. Warum kocht jede Kommune ihr eigenes Süppchen?
Das heißt, Sie streben konkret auch Kooperationen über Kreisgrenzen hinaus an?
Wenn es sich geographisch anbietet, durchaus. Unternehmen denken nicht in Kreisgrenzen. An den Anschlussstellen der künftigen A20 würden sich interkommunale Gewerbegebiete anbieten. Es muss von beiden Seiten gewollt sein. Dann kann man hier auch faire Vereinbarungen treffen.
Sie haben Ihre Bürgermeisterkandidatur angekündigt. Welche Ideen haben Sie für Bremervörde?
Ich habe in Osterholz und zuvor in Stade erlebt, wie gut man vorankommt, wenn Verwaltung und Politik an einem Strang ziehen. Es mangelt nämlich nicht an Ideen, sondern an der Umsetzung. Das „Zukunftsbild Bremervörde 2030“ wurde gemeinsam mit der Wirtschaftsgilde entwickelt, wird aber zu wenig gelebt. Wir brauchen messbare Ziele, an denen wir uns auch messen lassen.
Fördermittel sind dabei entscheidend – durch diesen „Dschungel“ muss man sich natürlich erst einmal durchkämpfen. Da bringe ich viel berufliche Erfahrung mit. Wichtig ist auch externe Expertise, etwa in der Stadtentwicklung. Mein Netzwerk, das ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe, kann hier helfen.
Welche Rolle spielt der Hafen bzw. der Tourismus?
Tourismus ist wichtig, aber auch Naherholung für die Menschen vor Ort. Der Vörder See und der Hafen sind Alleinstellungsmerkmale, die wir besser bewerben müssen. Die Kollegen vom TouROW und unserer Natur- und Erlebnispark GmbH machen da schon einen guten Job. Leider wird aber auch hier häufig zuerst gekürzt, wenn gespart werden muss, da es „freiwillige Leistungen“ sind. Sie haben aber einen hohen Wert für die Einheimischen.
Als Bürgermeister werden sie nicht im Kreistag bleiben. Wie sieht es mit ihren Parteiämtern aus?
Meine Parteiämter gebe ich ab, um überparteilich agieren zu können. Mein Fokus liegt dann voll auf der Weiterentwicklung meiner Heimatstadt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Dirk-Frederik Stelling, verheiratet und in Bremervörde geboren, studierte Verwaltungsbetriebswirtschaft in Hannover. Nach einem dualen Studium im Landkreis Stade arbeitet er derzeit in der Wirtschaftsförderung des Landkreises Osterholz. Seit dem 21. September 2021 ist er Mitglied des Kreistags Rotenburg. Im März gab er seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt zur Kommunalwahl 2026 bekannt.