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Lena Stehr

Debatte über die Impfpflicht

Niedersachsen. Während es für einige noch viele offene Fragen gibt, halten andere die Impfpflicht für sinnvoll, wenn es anders nicht möglich sein sollte, eine höhere Impfquote zu erreichen.
Heiß diskutiert wird auch die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, da Fachleute davon ausgehen, dass eine Impfquote von mehr als 90 Prozent nötig ist, um die Pandemie einzudämmen. Bild: Adobestock

Heiß diskutiert wird auch die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, da Fachleute davon ausgehen, dass eine Impfquote von mehr als 90 Prozent nötig ist, um die Pandemie einzudämmen. Bild: Adobestock

Bild: Alexander Limbach

Die meisten Menschen in Deutschland (73,1 Prozent: Stand: 19. Januar) sind inzwischen bereits vollständig gegen Corona geimpft und die Mehrheit befürwortet laut ARD-DeutschlandTrend von Anfang Dezember auch eine Impfpflicht. Ab März gilt diese Pflicht bereits für bestimmte Einrichtungen wie Pflegeheime, Arztpraxen und Krankenhäuser. Dort Beschäftigte müssen ihren Arbeitgebern einen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen können, ansonsten droht ihnen ein Betretungs- und Beschäftigungsverbot - ausgesprochen vom zuständigen Gesundheitsamt.
Heiß diskutiert wird auch die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, da Fachleute davon ausgehen, dass eine Impfquote von mehr als 90 Prozent nötig ist, um die Pandemie einzudämmen. Voraussichtlich im März soll der Bundestag über das kontroverse Thema entscheiden - ohne Fraktionszwang.
 
Viele offene Fragen
 
Manuela Krüger vom Pflegerat Niedersachsen hätte sich von Anfang an eine einheitliche Regelung und keine Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen gewünscht. Es gebe noch zu viele offene Fragen. Denn obwohl die Impfpflicht für Menschen im Gesundheitswesen ab Mitte März gelte, sei zum Beispiel noch nicht ganz klar, wie der Impfstatus überhaupt erfasst werden solle, ob es unterschiedliche Bestimmungen für unterschiedliche Impfstoffe gebe und wie die genauen Fristen seien. „Der administrative Aufwand steht in keinem Verhältnis zu dem direkten Nutzen der Impfpflicht“, sagt Manuela Krüger.
Die Impfquote in den Einrichtungen sei ohnehin extrem hoch, dazu kämen tägliche Tests der Beschäftigten und die Pflicht, FFP2-Masken zu tragen. Wenn nun auf einzelne Mitarbeitende, die nicht geimpft seien, verzichtet werden müssen, werde die ohnehin schon unhaltbare Situation im Pflegebereich noch größer.
 
Impfpflicht einzuführen, ist konsequent
 
Michael Blömer, Superintendent im Kirchenkreis Rotenburg, steht der Einführung einer Impfpflicht positiv gegenüber. „Auch wenn ich kein Fachmann auf dem Gebiet bin, sehe ich keinen Grund der überwiegenden Mehrheit der Experten zu misstrauen, die Impfungen dringend empfehlen und sagen, dass Impfungen der sinnvollste Weg aus der Pandemie sind. Dann ist es auch irgendwann konsequent, eine Impfpflicht einzuführen, wenn es anders nicht möglich ist, alle zu überzeugen“, sagt er auf ANZEIGER-Nachfrage.
Allerdings müsse man schon fragen, ob die Überzeugungsarbeit für die Impfung überall gut gelaufen sei. Bremen mit seinen erfolgreichen Bemühungen habe ja gezeigt, dass hier noch deutlich mehr möglich wäre.
 
Besser, wenn man keine Impfpflicht bräuchte
 
Bei der Impfpflicht gehe es nicht darum, den Einzelnen in seiner Entscheidungsfreiheit einzugrenzen, sondern vielmehr die Sicherheit und die Gesundheit einer ganzen Gesellschaft zu wahren, sagt Kristin Lindemann, SPD-Vorsitzende in Osterholz-Scharmbeck. „Wenn wir unser System mit einer Impfpflicht stärken, unser Pflegepersonal, das über die Belastungsgrenzen arbeitet, unterstützen und unsere Bürgerinnen und Bürgerinnen vor einem schweren Verlauf schützen können, dann ist die Impfpflicht für mich eine notwendige Maßnahme“, sagt sie. Ideal wäre es aber, wenn man keine Impfpflicht bräuchte, und ruft deshalb noch mal alle dazu auf, sich impfen zu lassen.
 
Aufklärung bringt mehr als Zwang
 
Doppelt geimpft und geboostert ist auch Timo Koschnick von der FDP Ritterhude. Und er sei auch bereit für eine Viertimpfung, wenn dies nötig werden würde. Gleichwohl könne er sich nicht klar für eine Impfpflicht aussprechen, da noch zu viele praktische Fragen offen seien. „Neben der Frage der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit bei einer vielleicht zeitnah eintretenden endemischen Lage - die wohl das Beste für uns alle wäre - ist zunächst einmal zu klären, wie so eine umfassende Pflicht überhaupt durchgesetzt werden soll“, so Koschnick. Ohne drohende Sanktionen gehe das gar nicht. Und wer solle das kontrollieren und umsetzen? Die Gesundheitsämter ächzten ja jetzt schon unter dem Druck der Nachverfolgung.
Er plädiere daher mit seinen Kolleg:innen der Freien Demokraten für die intensive Förderung der „Impfvernunft“ im Sinne der gesellschaftlichen Solidarität und der Freiwilligkeit, die damit einhergeht. „Aufklärung und Transparenz bringt immer mehr als Zwang und Repression“, sagt Koschnick.
Ein Interview zum Thema Impfpflicht mit dem Juristen Prof. Dr. Tim Jesgarzewski lesen Sie hier.


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