Abitur ohne Prüfung? Vorschlag der GEW stößt auf Kritik
Niedersachsen. Am 19. April starten die Abiturprüfungen. Die Abiturient:innen haben sich lange darauf vorbereitet. Kein Wunder, dass der Vorschlag der GEW, die Prüfungen vielleicht lieber ausfallen zu lassen, deshalb sowohl bei ihnen als auch bei Schulleiter:innen auf Unverständnis stößt.
Sollen Abiturprüfungen aufgrund der Corona-Pandemie besser ausfallen? Mit diesem Vorschlag hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kürzlich für Unruhe gesorgt, konnte sich aber letztlich nicht damit durchsetzen.
Laura Pooth, Niedersächsische GEW-Landesvorsitzende, räumt auf ANZEIGER-Nachfrage ein, dass der Vorstoß zu spät gekommen sei. Die Abiturient:innen würden ja schon mitten in den Vorbereitungen stecken. Es gehe nun um eine sichere Planung und darum, dass die Schüler:innen mental alles gut überstehen würden, so Pooth.
Weder mit Mangel noch mit Bonus
Das Abitur 2021 dürfe weder mit einem Mangel noch mit einem Bonus für die Schüler:innen behaftet sein. Dass es eine Anpassung der zentralen Prüfungsthemen gebe, begrüßt Laura Pooth.
So steht den Schulen unter anderem eine größere Auswahl von Aufgaben für die zentralen Abiturprüfungen zur Verfügung. Die Lehrkräfte treffen eine Vorauswahl. So soll vermieden werden, dass die Prüflinge Aufgaben bekommen, auf die sie sich aufgrund der Unterrichtseinschränkungen nicht vorbereiten konnten.
„Nicht gebrandmarkt sein“
„Ich will eine richtige Prüfung schreiben, mir mein Abitur verdienen und nicht gebrandmarkt sein“, sagt Anna Carlotta Mohrmann, Abiturientin am Kivinan in Zeven. Sie fühle sich gut vorbereitet und spricht ihren Lehrkräften Lob für gute Organisation in den vergangenen Monaten aus.
Auch Abiturient Marcel Foltmer vom Gymnasium in Osterholz-Scharmbeck möchte unbedingt seine Prüfungen machen. „Ich habe viel gelernt und denke, dass mein Abitur ohne Prüfung nicht gleichwertig mit anderen wäre.“ Vor allem, weil in Rheinland-Pfalz schon Abiprüfungen stattgefunden hätten, wäre ein Ausfall in anderen Bundesländern nicht fair, findet Foltmer.
„Den Abiturient:innen gebührt Respekt“
Karin Bunsas, Schulleiterin am Gymnasium Osterholz-Scharmbeck, spricht sich ebenfalls ganz klar für die Abiprüfungen aus. Die Pandemie habe allen viel abverlangt. Alltäglichkeiten seien plötzlich weggefallen und z.T. noch nicht wieder zurück. Aber am Abitur sollte festgehalten werden. „Wir sprechen nicht über ein altes Ritual oder eine Klassenarbeit, die ausfallen kann. Wir sprechen über einen Übergang in einen neuen Lebensabschnitt“, sagt die Schulleiterin. Dafür, dass die Schüler:innen hart gearbeitet hätten, gebühre ihnen Respekt und auf diesem Weg sollte man sie begleiten, bis sie stolz die Abiturzeugnisse in den Händen halten.
Am Gymnasium in Osterholz-Scharmbeck geht es nach den Osterferien, in Abhängigkeit von den Inzidenzwerten, im Szenario B, also im Wechselmodell, weiter. Sofern weitere Testkits zur Verfügung stünden, solle zudem mit den häuslichen Selbst-Testungen begonnen werden.
Kein „Abitur light“
Dr. Uwe Strohbach, Kommissarischer Schulleiter am Gymnasium Bremervörde, ist der Meinung, dass durch die Anpassung der zentralen Prüfungsthemen weder ein „Abitur light“ noch ein „Notabitur“ vorliege. „Ein Ausfall des Abiturs könnte aber zu einer entsprechenden Wertung führen.“
Der Pädagoge hofft, dass es nach den Ferien im Unterrichtsszenario B weitergehen kann.
„Öffentliches Jammern
verkneifen“
Volker Kullik, Grundschulleiter aus Karlshöfen und SPD-Kreistagsmitglied, kritisiert das „etwas wehleidige Auftreten der Berufsverbände in Pandemiezeiten.“ Er sei zwar seit seinem Studium überzeugtes GEW-Mitglied und unterstütze aktuell besonders die Forderungen zum Schutz der Schüler:innen. Als Beamt:innen, ausgestattet mit nicht unerheblichen Vorteilen gegenüber anderen Berufsgruppen, gerade in einer solchen Krise, habe man aber auch eine besondere Vorbildfunktion und sollte sich das öffentliche Jammern und Klagen verkneifen, so Kullik.
In Bezug auf die jetzt verpflichtenden Selbststest für Schüler:inenn hoffe er sehr, dass möglichst alle Eltern die Testung mittragen und ihre Kinder nicht zu Hause behalten. Sonst wäre das Chaos perfekt und nichts gewonnen, sagt der Schulleiter.
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