Licht gegen die Dunkelheit

Kristian Goletz 29

Kristian Goletz, Pastor in Bevern und Schulpastor am Kivinan in Zeven hat für den ANZEIGER eine Weihnachtsbotschaft verfasst, die Widerstand gegen die Dunkelheit fordert.

Es brennen Kerzen. Lichter sind hell erleuchtet. Über dem Stall erstrahlt ein Stern: Weihnachten.

„Fürchtet euch nicht!“ ruft der Engel in der Weihnachtsgeschichte. Jedes Jahr wieder.

„Fürchtet euch nicht!“ Dieser Satz tut mir gut. Gerade jetzt in dieser Zeit. Genau wie die Lichter, die überall leuchten. Denn vieles scheint zum Fürchten. Damals auf dem Feld. Und heute.

Manchmal erscheint die Dunkelheit übergroß und die Nachrichten aus der ganzen Welt prasseln auf mich ein. Zuletzt aus Bondi Beach in Sydney. Menschen, die ermordet werden, weil sie Jüdinnen und Juden sind. Weil sie der gleichen Religion angehören wie die Hirten auf dem Feld, wie das Kind in der Krippe.

Und hier vor Ort? Menschenfeinde haben in Umfragen hohe Zustimmungswerte. Arme Menschen werden gegen noch ärmere Menschen ausgespielt. Der Hass auf andere wird immer offener geäußert. Demokratiefeinde werden lauter und schamloser. Nächstenliebe erstickt in Egoismus und Nationalismus. Es ist zum Fürchten.

„Fürchtet euch nicht!“ Das heißt: „Seid furchtlos. Seid mutig. Bietet dem Hass die Stirn. Widersprecht, wenn Menschen angegriffen werden, weil sie anders sind, anders glauben, anders lieben, anders aussehen.“

Denn dafür steht dieses Kind in der Krippe. In dem Moment, in dem Gott auf die Erde kommt, zeigt er: Alle Menschen sind Gottes Geschöpfe. Ohne Ausnahme. Und alle Menschen haben die gleiche Würde. Und es soll Frieden auf Erden sein. 85 Jahre nach Kriegsende in Deutschland scheint es manchmal in Vergessenheit zu geraten, was es bedeutet, wenn das nicht mehr gilt: Dann wird es dunkel. Für alle.

Doch der Stern über dem Stall leuchtet. Es ist ein Licht, das Hoffnung bringt.

In diesen Tagen feiern Jüdinnen und Juden in der ganzen Welt Chanukka. Chanukka erinnert an den erfolgreichen Aufstand der Makkabäer gegen die Einführung einer griechischen Leitkultur und die Unterdrückung des Judentums im 2. Jahrhundert vor Christus. „Fürchtet euch nicht,“ mag ihnen jemand zugerufen haben, in Anbetracht der schieren Übermacht der Griechen.

An Chanukka werden acht Kerzen angezündet. Jeden Tag eine mehr. Für jeden Tag der Aufräumarbeiten im Tempel, bis dort wieder Gottesdienste gefeiert werden konnten. Jeden Tag ein Licht mehr, bis die Welt strahlt. Lichter gegen die Dunkelheit. Lichter der Hoffnung. Lichter als Zeichen dafür, dass selbst in ausweglosen Situationen noch Hoffnung ist.

Und es ist ein gutes Zeichen, dass in Deutschland wieder öffentlich die Chanukkia, der Chanukka-Leuchter, neben funkelnden Weihnachtsbäumen stehen kann. Allen Angriffen auf jüdisches Leben zum Trotz. Und auch die Weihnachtskerzen leuchten gegen die Dunkelheit an.

Kirsten Fehrs, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland sagt: „Wir entzünden Kerzen nicht, weil wir die Dunkelheit ausblenden, sondern weil wir ihr Widerstand leisten. Jede Flamme ist ein Zeichen: Die Hoffnung hat Zukunft.“

Wir brauchen diese Hoffnung. Nur weil Weihnachten ist, ist ja nicht plötzlich alles gut in der Welt. Menschenfeindlichkeit verschwindet ja nicht, nur weil Geschenke unter einem Baum liegen oder ein Kind in einer Krippe oder weil ein Engel auf einem Feld etwas ruft.

Es braucht dazu auch Menschen, die nicht nur danebenstehen und zusehen, sondern die den Mund aufmachen und Mut zusprechen. Menschen, die die Botschaft von Weihnachten weitersagen: „Fürchte dich nicht. Es gibt Hoffnung.“ Und die dann anpacken. Die Lichter anzünden, gegen die Dunkelheit. Die öffentlich widersprechen, wenn die Menschenwürde angegriffen wird. Die privat trösten, wenn die Dunkelheit zu groß wird.

Es brennen Kerzen. Lichter sind hell erleuchtet. Über dem Stall erstrahlt ein Stern: Weihnachten.

„Fürchtet euch nicht!“ ruft der Engel in der Weihnachtsgeschichte.

Die Hirtinnen und Hirten rennen los. „Und sie kamen eilend“, wie es in der Bibel heißt. Sie betrachten das Wunder, das dort in der Krippe liegt. Dieses Baby, das Licht in die Dunkelheit bringen kann. Und nachdem sie angemessen darüber gestaunt haben, ziehen sie los und erzählen allen davon. Sie überbringen die Botschaft der Hoffnung: „Es wird nicht immer dunkel sein.“ Das haben sie erfahren. Und sie glauben es. Und sie erzählen es weiter. Weil Hoffnungsgeschichten es wert sind, weitererzählt zu werden. Weil wir Hoffnung brauchen. Weil wir Hoffnung haben. Weil das Kind in der Krippe eine Hoffnungsgeschichte erzählt: Gott ist in dieser Welt, damit wir hier miteinander leben. Alle.

Als Christ will und kann ich diese Hoffnung auf eine gerechte Welt nicht aufgeben. Eine gerechte Welt nicht erst irgendwann in einem anderen Leben, sondern in diesem Leben und in dieser Welt. Denn in diese Welt ist Gott gekommen. Und in diese Welt kommt Gott immer wieder. An Weihnachten. Und vorher. Und danach. Weil Gott uns nicht aufgibt. Deswegen sollten wir uns auch nicht aufgeben und die Geschichte weitererzählen und dafür einstehen: Fürchtet euch nicht. Es gibt Hoffnung.

Ich wünsche euch und Ihnen ein wunderbares gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr.