Jüdischer Widerstand und Solidarität
Worpswede. Die Veranstalter freuten sich, dass über 100 Menschen dem Aufruf gefolgt waren und trotz des nasskalten Novemberabends den Rednern aufmerksam zuhörten. An diesem Gedenktag sollte der jüdische Widerstand in Zeiten des Nationalsozialismus im Mittelpunkt stehen.
Die vergessenen Widerstandskämpfer
Die Begrüßung der Anwesenden und die einführenden Worte zur Gedenkveranstaltung übernahm Katharina Hanstein-Moldenhauer. „Wenn wir heute in Deutschland an Widerstand denken, assoziieren viele Menschen damit Namen wie Sophie Scholl, Stauffenberg oder Oskar Schindler. Aber was ist mit den jüdischen Widerstandskämpfern und -kämpferinnen, die in der Erinnerung keinen Platz finden?“ Der jüdische Widerstand gegen den Nationalsozialismus habe sich über ganz Europa erstreckt. Jüdinnen und Juden hätten nicht nur als Teil der alliierten Armeen gekämpft und unter schwierigsten Bedingungen Aufstände in Vernichtungslagern oder Ghettos organisiert, sondern auch für die Nachwelt während ihrer Verfolgung Berichte geschrieben und Schriftstücke über die Verbrechen der Nazis gesammelt.
Im Verlauf des Abends verlasen einige Mitglieder der Initiative eine von Ian Bild zusammengestellte Auswahl von Texten jüdischer Widerstandskämpferinnen und -kämpfer. Zu den Sprechern gehörte auch der Worpsweder Autor, Schauspieler und Mitbegründer der Bremer Shake-speare Company Chris Alexander. Zitiert wurde aus Autobiografien, Briefen, Gedichten und Interviews von Coco Schumann („Der Ghetto-Swinger“), dem Dichter und Partisanenführer Abba Kovner, der Partisanin Vitka Kempner, dem Widerständler aus dem Warschauer Ghetto Mordechai Anielewicz, der heimlichen Kurierin aus Bialystok Chaika Grossman, dem Dichter Hirsh Glick, der Fluchthelferin Marianne Cohn und dem im Berliner Untergrund lebenden Gad Beck („Und Gad ging zu David“). Der 1954 geborene Ian Bild verlas anschließend das „Kaddisch“, ein jüdisches Gebet zum Gedenken an die Verstorbenen. 2013 hatte er es zum ersten Mal gemeinsam mit Irene Goldsmith, einer Urenkelin von Rosa Abraham, gesprochen. „Seitdem wiederhole ich es jedes Jahr am 9. November,“ so Bild.
Ein Schlussappell
Katharina Hanstein-Moldenhauer stellte in ihrer Ansprache auch einen Bezug zur Gegenwart her: „Wir stehen an der Seite der Juden und Jüdinnen in Deutschland, wir wünschen allen jüdischen Gemeinden, was Elvira Noa, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde von Bremen, vor einem Monat am 7. Oktober auf dem Marktplatz sagte: „Wir Jüdinnen und Juden hier in Deutschland und Europa wollen leben. Ohne Angst. In Frieden mit allen anderen Religionen und Nationalitäten.“ Und wir sind solidarisch mit allen Palästinensern und Israelis, die sich für dauerhaften Frieden und Gerechtigkeit in zwei miteinander in Koexistenz lebenden Staaten einsetzen. Wir sind solidarisch mit der riesigen, dauerhaften Demokratiebewegung in Israel gegen eine extrem rechte Regierung – einer Demokratiebewegung, wie wir sie ebenfalls als dauerhafte gegen alle Schritte zum Abbau des Rechtsstaats und der demokratischen Gewaltenteilung auf die Beine stellen müssen.“ Für Worpswede hieße das im nächsten Jahr, ungeachtet aller politischen Differenzen, gemeinsam zu verhindern, dass die AfD in den Gemeinderat kommt.


