Gedenken an die Befreiung von Auschwitz: Ein wichtiges Zeichen
Sandbostel. Nachdem am Nachmittag auf dem Friedhof in Volkmarst die Gebeine zweier im Sommer letzten Jahres exhumierter KZ-Gefangener in ein würdiges Grab eingebettet wurden, startete am frühen Abend auf der Freifläche vor der Steinbaracke w4 in der Gedenkstätte Lager Sandbostel die zentrale Gedenkveranstaltung. Nach den Reden und Gebeten folgte in der Dämmerung die farbige Illumination der hölzernen Unterkunftsbaracken.
Ein wichtiges Zeichen
Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann erinnerte in seiner Ansprache daran, dass am Tag vor 79 Jahren Einheiten der sowjetischen Armee den Konzentrations- und Vernichtungskomplex Auschwitz befreiten. Seither stehe Auschwitz als Synonym für die nationalsozialistischen Massenverbrechen mit Millionen von Toten. In Erinnerung an die Befreiung der Insassen von Auschwitz wird seit 1986 der 27. Januar in Deutschland als „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ sowie seit 2006 von den Vereinten Nationen als „Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ begangen. Wichtig sei dabei jedoch zu bedenken, so Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann, dass mit diesem Tag im Jahre 1945 das Leiden der KZ-Häftlinge im Deutschen Reich mitnichten vorbei war. So wurde z.B. das KZ-Neuengamme erst ab April 1945 geräumt. Auch von hier waren Häftlinge im Stammlager sowie in den Außenlagern zu Fuß und teils mit der Bahn auf Todesmärsche geschickt worden.Ab dem 12. April 1945 gelangten dadurch ca. 9.500 Häftlinge in einen eilig geräumten Lagerteil im Kriegsgefangenenlager Sandbostel. Die Situation der weitgehend sich selbst überlassenen Häftlinge könne im Danteschen Sinne nur als infernalisch beschrieben werden. Innerhalb weniger Wochen starben mehr als 3.000 Menschen auf dem Weg nach Sandbostel, im Kriegsgefangenenlager und auch nach der Befreiung an ihren zerrütteten Körpern. „Sie alle kennen die Geschichte und die schrecklichen Bilder aus Sandbostel“, so Ehresmann. „Zwei von diesen erschossenen und anonym am Wegesrand verscharrten KZ-Häftlingen, die vor wenigen Monaten an einem Feldrand von Basdahl gefunden und exhumiert werden konnten, haben wir heute endlich in zwei würdigen Gräbern in Volkmarst bestattet. Das war ein wichtiges Zeichen“. Gerade in heutigen Zeiten, in denen viele unserer bisher als sicher geglaubten Gewissheiten in Frage gestellt werden würden, wo eine Verschiebung des gesellschaftlichen Konsenses nach rechts zu konstatieren ist.
Der Weg ins Verderben
Aus der Politik sprach statt des erkrankten Landrats Marco Prietz der niedersächsische Landtagsabgeordnete Marco Mohrmann. Es sei wichtig und richtig, dass sich der 27. Januar als Gedenktag der Befreiung von Auschwitz gesellschaftlich etabliert habe und durch bürgerliches Engagement untermauert werde. Jedes Foto mit dem #weremember in den sozialen Medien sei ein Statement. Darin sowie in den regelmäßigen Veranstaltungen in Sandbostel läge für ihn der Kern der Botschaft „Nie wieder!“.Es müsse die Botschaft aus der Mitte der Gesellschaft bleiben. Ein breiter Konsens, den wir den Kindern in der absoluten und unverrückbaren Gewissheit mit auf den Weg geben sollten, wäre laut Mohrmann, dass wir uns demokratisch streiten können und müssen, dass wir Auseinandersetzungen sehr wohl mit Leidenschaft führen können, dass dabei jedoch eins ganz klar sein müssen: „Rechtsextremismus ist keine Meinung, sondern ebnet Wege ins Verderben.“ Mohrmann sei kurz zuvor auch von der Trauerfeier des Tages in Volkmarst sehr beeindruckt gewesen.
Die Gesichter von Brüdern und Schwestern
Michael Freitag-Parey vom Kirchenkreis Bremervörde-Zeven und zuständig für die kirchliche Friedens- und Gedenkstättenarbeit der Gedenkstätte Lager Sandbostel, zitierte in seiner Friedensandacht die Frage eines Rabbi: „Ein kluger Rabbi, also ein jüdischer Gelehrter, stellte seinen Schülerinnen und Schülern einmal eine Frage - `Wie bestimmt man die Stunde, in der die Nacht endet und der Tag beginnt? ´ Die Schülerinnen und Schüler suchen nach einer klugen Antwort, aber finden keine, die dem Rabbi gefällt. Dann beantwortet er seine Frage selbst - `Es ist dann, wenn ihr in das Gesicht eines beliebigen Menschen schaut und dort eure Schwester oder euren Bruder erkennt. Dann endet die Nacht und der Tag beginnt´.“ Darauffolgend ergriff Manfred Thoden, Pastor der St. Lamberti Kirchengemeinde Selsingen, das Wort. Er zitierte u.a. aus „Widerstand und Ergebung“: „Wir müssen uns immer wieder sehr lange und sehr ruhig in das Leben, Sprechen, Handeln, Leiden und Sterben Jesu versenken, um zu erkennen, was Gott verheißt und was er erfüllt“.Thoden erzählte weiter davon, dass sein Vater ihnen als Kinder verboten hätte, Spielzeugwaffen zu besitzen. „Denn Krieg spielt man nicht!“