"Ich sterbe als Republikanerin"

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Der diesjährige Internationale Frauentag am 8. März steht unter dem Motto „Frauen wählen!“. Dass sie es können, dafür hat Minna Cauer gekämpft.

Beinahe ihr ganzes Leben hat sie damit verbracht, sich für die Rechte von Frauen einzusetzen.

Beinahe ihr ganzes Leben hat sie damit verbracht, sich für die Rechte von Frauen einzusetzen.

Es ist der 19. Januar 1919. Vor den Wahllokalen in Deutschland stehen dutzende Menschen, um ihre Stimme für die Deutsche Nationalversammlung abzugeben. Zunächst scheint es eine Wahl wie jede andere zu sein, jedoch mit einem bedeutenden Unterschied: Erstmals stehen auch Frauen in den Reihen, um zu wählen. Nach dem neuen Wahlgesetz vom 30. November 1918 sind auch Frauen ab 20 Jahren dazu berechtigt, zu wählen und gewählt zu werden. Im ersten Wahljahr mit weiblichen Stimmen und Repräsentantinnen gaben über 80 Prozent der wahlberechtigten Frauen ihre Stimme ab.

 

Leitfigur in der Frauenbewegung

 

„Traum meiner Jugend, Erfüllung im Alter. Ich sterbe als Republikanerin.“ Mit diesen Worten beschrieb die Frauenrechtlerin Minna Cauer am 9. November 1918, als bereits abzusehen war, dass es eine Wahlreform geben wird, die Einführung des freien, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts.

Minna Cauer wurde am 1. November 1841 als Pfarrerstochter geboren und wollte Lehrerin werden. Aufgrund familiärer Probleme konnte sie den Beruf zunächst nicht ausüben. Nachdem ihr Sohn und kurze Zeit später ihr erster Ehemann starben, legte sie 1867 dann doch noch ihr Lehrerinnenexam ab und unterrichtete in Paris. Zurück in Deutschland lehrte sie ab 1869 an einer Mädchenschule in Hamm. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann und Direktor der Schule, Eduard Cauer, kennen. Seine Rolle als Befürworter einer Reform der Frauenbildung trug maßgeblich dazu bei, dass sie ihren Lebensweg fortan als Frauenrechtlerin beschritt.

Nach seinem Tod 1881 sah sie ihre Lebensaufgabe darin, sich mit der Geschichte der Frauen zu beschäftigen. Sie erfuhr als Witwe „wie niedrig die Stellung der Frau war, wie sklavenhaft, wie rechtlos, wie unwürdig“, wie sie in ihrem Tagebuch schrieb. Im Jahr 1888 gründete sie mit weiteren Frauen den Verein „Frauenwohl“ in Berlin. In den folgenden Jahren trat sie weiteren Vereinen bei und wurde von manchen deren Vorsitzende. Gemeinsam kämpften die Frauenrechtlerinnen öffentlich und forderten unter anderem das Wahlrecht für Frauen.

 

Der Weg zum Stimmrecht

 

Im 19. Jahrhundert war die Stellung und Rolle der Frau in der Gesellschaft begrenzt und fest verankert: Frauen blieben Zuhause und kümmerten sich um die Kinder und den Haushalt, alles andere war Männersache. Besonders in politischen Belangen hatten Frauen nichts zu entscheiden. Mit der Arbeiterbewegung und deren Idealen von Freiheit und Gleichheit auf der einen und der bürgerlichen Aufklärung bildete sich zugleich aber auch eine Frauenbewegung, die sich lautstark für Gleichberechtigung einsetzte. Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden neben Cauers Verein „Frauenwohl“ noch viele weitere gegründet. Die Frauenrechtlerinnen gaben Zeitungen heraus, organisierten Veranstaltungen, Proteste und internationale Kongresse.

Minna Cauer gründete im Jahr 1895 die Zeitschrift „Die Frauenbewegung“. Sie diente als wichtiges Organ im Kampf um das Stimmrecht für Frauen. Cauer verfasste etwa 400 Beiträge, Leitartikel, Kongressberichte und Rezensionen für ihre Zeitschrift. Ihr Ziel war es, dass Frauen eine Alternative zu den bisherigen Frauenzeitschriften haben, die sich lediglich mit Mode und Haushalt beschäftigten.

Am 19. März 1911 fand der erste Internationale Frauentag statt, ausgerufen von der kommunistischen Feministin Clara Zetkin. Zentrales Thema war die Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Es dauerte allerdings noch bis nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, bis die Frauen offiziell gehört wurden. Das Kaiserreich gab es nicht mehr und am 12. November 1918 verkündete die sozialistische Übergangsregierung in Berlin eine neue demokratische Ordnung mit Meinungs- und Religionsfreiheit, in der auch das Wahlrecht eine Rolle spielte. Das neue Wahlgesetz trat am 30. November 1918 in Kraft und am 19. Januar 1919 wählten schließlich Frauen zum ersten Mal in der deutschen Geschichte. Zugleich zogen 37 Frauen in die Nationalversammlung ein.

 

Das Ende einer Ära

 

Im selben Jahr, nach knapp 24 Jahren, stellte Cauer die Produktion ihrer Zeitschrift ein. „Meine Aufgabe innerhalb der Frauenbewegung halte ich für erfüllt, da das Bürgerrecht der Frau den Frauen gegeben worden ist“, schrieb sie im Dezember 1919.

Minna Cauer starb nur drei Jahre später am 3. August 1922 im Alter von 80 Jahren an einer Herzattacke - aber als Republikanerin, die ihre Stimme abgab. Seit 1952 ist ihr Grab als Ehrengrab der Stadt Berlin gewidmet. Am 8. März 2023 wurde eine Büste von ihr bei ihrem Grab feierlich enthüllt, um ihr großes Engagement zu würdigen.

Quellen: AddF, bpb, Digitales Deutsches Frauenarchiv. Deutscher Bundestag, NDR