Wenn die Kühe im Moor versinken

Ralf G. Poppe 1026
Gnarrenburg. Bei der Bewirtschaftung trockengelegter Moorgebiete werden klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen. Um über das Dilemma zu berichten, in das Landwirte wie Bernd Kück dadurch geraten, waren inzwischen mehrere überregionale Medien auf Kücks Hof im Gnarrenburger Moor.

Während im Landesnutzungsplan der damaligen Landesregierung vor zehn Jahren die Region um Gnarrenburg noch als Vorranggebiet für den Torfabbau ausgewiesen wurde, in Klenkendorf gar weiter abgebaut werden soll, begeht man in Langenhausen bzw. Fahrendorf bereits den umgekehrten Weg.
Durch die Zersetzung von Torfresten gelangen auf entwässerten Moorböden circa 30 bis 40 Tonnen CO2 pro Jahr pro Hektar in die Atmosphäre. Feuchte Moorböden dagegen können sogar bis zu 4 Tonnen CO2 speichern. Denn Moore sind ideale CO2-Speicher, wenn sie nicht trockengelegt werden.
 
120 mal Frankfurt-Singapur und zurück
 
Von den in Deutschland circa 14.190 Quadratkilometern an existierenden Moorflächen werden ungefähr 65% allein landwirtschaftlich genutzt. Im Gnarrenburger Raum bewirtschaftet Bernd Kück aus Langenhausen 130 Hektar, um seine 130 Kühe zu versorgen. Er hat sich in jahrelanger Arbeit eine eigene Milch-Marke aufgebaut, die direkt an Kindergärten, Schulen und Supermärkte der Region ausgeliefert wird, um den niedrigen Milcherzeugerpreisen zu trotzen.
Das Gras für seine 130 Kühe wächst größtenteils auf meterdickem Torf in trockengelegten Moorgebieten. Und eben dieser Torf stößt gewaltige Mengen an verschiedenen Treibhausgasen wie z.B. Kohlendioxid und Lachgas aus. So kommt jedes Jahr eine Menge von 30 Tonnen sogenannter CO2-Äquivalente auf jedem Hektar zusammen.
 
„Der Spiegel“ war vor Ort
 
Das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ besuchte Kück zum Jahresende 2021, thematisierte in seiner Ausgabe vom 8. Januar diese „Treibhausgase“. Eine vergleichbare Menge an Äquivalenten würde entstehen, wenn Kück pro Hektar viermal im Jahr von Frankfurt nach Singapur und zurückfliegen würde. Sieben Prozent der deutschen Klimagase kommen eben nicht aus Auspuffen, sondern stammen von jenen trockengelegten Mooren, die landwirtschaftlich genutzt werden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke möchte das ändern, und bis Ostern Eckpunkte für den natürlichen Klimaschutz bekannt geben. So sollen für fast 50 Millionen Euro Moorschutzprojekte angeschoben werden. An einem solchem Pilotprojekt nimmt Bernd Kück bereits teil.
 
Kühe versinken im Moor
 
Dafür hat er einen Hektar seiner Flächen in Fahrendorf bereitgestellt, um diese wieder zu vernässen. Noch liegen keine Ergebnisse vor. Kücks Kühe können allerdings dort nun nicht mehr grasen. Denn mit ihren durchschnittlich 600 Kilogramm Gewicht, getragen auf kleinen Füßen, würden die Tiere im feuchten Untergrund versinken, da der Wasserstand möglichst 10-15 cm unter der Oberfläche stehen soll. Mit Traktoren auf „Zwillingsrädern“ könne man auf den Flächen unter erschwerten Bedingungen zwar noch eine Heuernte einfahren, allerdings mit weit weniger Ertrag.
Die Arbeitsbedingungen für die Landwirte im Moor werden also nicht besser. „Es hat 150 Jahre gedauert, bis man das Moor trocken hatte. Und nun ist man in den letzten fünf Jahren dazu übergegangen, das Moor wieder nass zu machen“, sagt Kück.
 
Verluste ausgleichen
 
Der Umwelt zuliebe würde er umsatteln, wenn keine Landwirtschaft mehr ginge. Allerdings wäre jetzt die Politik gefragt, um entstehende Verluste der Hofbesitzer:innen auszugleichen. Denn die Änderung der Landnutzung der Moore sei eine Aufgabe, die nicht ausschließlich die Landwirtschaft betreffe. Kück wünscht sich daher mehr Verständnis für die Situation der Menschen, die im Moor in der Landwirtschaft tätig sind. „Wir sind die Letzten, die etwas gegen die Änderung der Landnutzung haben. Doch wir wollen verstanden und mitgenommen werden“, fordert Kück. Denn der Klimawandel sei ein wichtiges Thema und betreffe alle Menschen gleichermaßen.
 
Mediales Interesse
 
Aus diesem Grund waren im Januar bereits TV-Teams vom ZDF-Mittagsmagazin und NDR-Info vor Ort, um mit Bernd Kück jeweils eigene Beiträge zum Thema zu drehen, die dieser Tage ausgestrahlt wurden, und z.T. noch in den Mediatheken einsehbar sind. Das große mediale Interesse sollte Kück bestärken, seinen Weg weiterzugehen. Sein Anliegen ist vielleicht unbequem, aber überlebenswichtig.