Per WhatsApp in den Tod

Lena Stehr 128

117 Menschen starben laut Statistischem Bundesamt 2021 in Deutschland durch Ablenkung im Straßenverkehr, 8.233 wurden schwer verletzt. Meist ist das Handy der Grund für die Ablenkung.

Immer mehr Unfälle durch Ablenkung im Straßenverkehr.

Immer mehr Unfälle durch Ablenkung im Straßenverkehr.

Bild: Adobestock

Bing! Dieses Geräusch verleitet auch während der Autofahrt dazu, mal eben kurz das Smartphone zu checken. Doch aufgepasst: Denn wer während der Fahrt bei 50 km/h nur drei Sekunden aufs Handy guckt, fährt etwa 42 Meter „blind“. Bei 120 km/h auf der Autobahn dauert der Blindflug sogar rund 100 Meter an. Gleiches gilt natürlich auch für Autofahrer:innen, die während der Fahrt an anderen Dingen (oder Personen) rumfummeln und womöglich sogar Netflix gucken (es gibt dazu dokumentierte Fälle aus Lkw-Fahrerkabinen).

 

Junge Männer sind besonders gefährdet

 

Mittlerweile gehöre die Ablenkung im Straßenverkehr, insbesondere durch elektronische Medien wie Smartphones, zu den Hauptunfallursachen, sagt Polizeihauptkommissar Heiner van der Werp von der Polizeiinspektion Rotenburg. Eine Studie des Allianz-Zentrums für Technik belegt, dass sich durch wachsende Nutzung moderner Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komfortfunktionen im Fahrzeug das Unfallrisiko um rund 50 Prozent erhöht.

Allein im Landkreis Rotenburg seien die Unfallzahlen in Bezug auf die Unfallursache Ablenkung von 2021 bis 2023 jährlich um etwa 25 Prozent angestiegen. Männer verunglückten deutlich häufiger (etwa doppelt so oft wie Frauen) aus diesem Grund. Besonders gefährdet seien junge Fahranfänger:innen im Alter von 18 bis 24 Jahren.

Um diesem besorgniserregenden Trend entgegenzuwirken, führen die Polizeiinspektionen Rotenburg und Verden/Osterholz regelmäßig Schwerpunktkontrollen zum Thema „Ablenkung im Straßenverkehr“ durch. Genutzt werden dafür spezielle Kameras, mit denen sich auch besonders gut in Lkw-Fahrerkabinen blicken lässt.

Bei der letzten Aktionswoche im Februar wurden im Landkreis Rotenburg insgesamt 110 Verstöße festgestellt und geahndet. Die Polizei Verden/Osterholz registrierte 2023 in der gesamten Inspektion 152 Verstöße bei Pkw-Fahrern und 79 bei Lkw-Fahrern sowie sechs Unfälle im Zusammenhang mit Ablenkung durch elektronische Geräte und 32 Unfälle mit Ablenkung in anderen Fällen. Zum Vergleich habe es 2022 nur zwei Unfälle mit Ablenkung durch elektronische Geräte und 17 Unfälle mit Ablenkung in anderen Fällen gegeben, so Polizeikommissarin Fenja Land.

 

Polizei-Gewerkschaft fordert „Handy-Blitzer“

 

Um aufgrund der hohen Dunkelziffer künftig noch mehr Handysündern auf die Spur zu kommen, fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zudem die bundesweite Einführung der auch als „Handy-Blitzer“ bekannten Monocams, die bereits in den Niederlanden eingesetzt werden und im Sommer 2022 erstmalig in Trier getestet wurden. Innerhalb kürzester Zeit seien mit der speziellen Blitzer-Technik laut Polizei 1.300 Autofahrer:innen mit Handys am Steuer erfasst worden. Mit einem neuen Polizeigesetz will Rheinland-Pfalz jetzt den Weg für eine flächendeckende Nutzung im gesamten Bundesland ebnen.

Wer während der Fahrt bei der Nutzung eines mobilen Geräts erwischt wird, muss 100 Euro zahlen und bekommt einen Punkt. Sollte es während der Fahrt zu einer Gefährdung oder gar einem Unfall mit Sachschaden kommen, erhöht sich das Bußgeld auf 150 bzw. 200 Euro, es folgt ein Fahrverbot von einem Monat und es gibt zusätzliche 2 Punkte. Fahrradfahrer:innen mit Handy in der Hand müssen 55 Euro Strafe zahlen.

 

Wilde Verfolgungsjagd

 

Erst in der vergangenen Woche lieferte sich die Polizei in Sottrum übrigens eine wilde Verfolgungsjagd mit einem jungen Autofahrer in einem weißen SUV, der immer noch flüchtig ist. Weil er während der Fahrt telefoniert hatte, sprachen Beamte ihn an einer Ampel an und gaben ihm zu verstehen, dass er dem Streifenwagen zu einer Verkehrskontrolle folgen möge. Daraufhin flüchtete der Fahrer mit hoher Geschwindigkeit und führte mehrere waghalsige Überholmanöver durch. Das Fahrzeug wurde kurze Zeit später auf einem landwirtschaftlichen Gehöft an der Borsdorfer Straße in Hellwege gefunden und sichergestellt. Die Polizei hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren gegen einen 26-jährigen Rotenburger eingeleitet und bittet unter der Telefonnummer 04261/9470 um Mitteilung möglicher, gefährdeter Verkehrsteilnehmer:innen.

 

Appell auch an routinierte Fahrer:innen

 

Dass sich aber nicht nur junge, sondern auch ältere und routinierte Fahrer:innen vom Handy viel zu häufig ablenken lassen und damit im schlimmsten Fall nicht nur den eigenen Tod riskieren, betont Joachim Krohn von der Verkehrswacht Hambergen. Man müsse deshalb immer wieder an Auto-, Lkw-, Bus- und Fahrradfahrer:innen jeden Alters appellieren, anzuhalten, bevor man das Handy in die Hand nimmt. Schon während der Fahrradprüfungen in den Schulen, die die Verkehrswacht begleitet, werde auf die Gefahren von Ablenkung im Straßenverkehr hingewiesen.